Das Telefon segnet den Meister

Es gab einmal einen großen spirituellen Meister, der viele Schüler jeden Alters hatte. Leider hatten alle seine Schüler Probleme und der Meister verbrachte viel Zeit damit, am Telefon zu sprechen. Dieser Meister schlief nicht sehr viel. In den frühen Morgenstunden, wenn alle seine Schüler zu Hause im Bett waren, meditierte er auf sie und auf das Erdbewusstsein.

Eines Tages läutete das Telefon des Meisters um Mitternacht. Er nahm das Telefonhörer ab und hörte eine ältere Frau sagen: „Maria, Maria, Maria, wie viele Male habe ich dir gesagt, du sollst diesen Kerl nicht heiraten.“ Dann hängte sie auf.

Der Meister wusste, dass es eine falsche Nummer war, doch es tat ihm leid, dass die Tochter dieser Frau eine schlechte Ehe eingegangen war.. So bat der spirituelle Meister: „O Mutter des Heilands, nimm dich deiner Namens­vetterin an und schütze deinen geheiligten Namen.“

Um drei Uhr morgens läutete das Telefon des Meisters wieder. Diesmal war ein Herr im reiferen Alter an der Leitung: „Warum stirbst du nicht in diesem Augenblick, damit ich meine Kinder zurück erhalten kann?“ schrie er dem Meister zu. Warum hast du keine eigenen Kinder und spielst mit ihnen? Warum musst du mit meinen Kindern spielen?“ Dann hängte er auf.

Der Meister gebrauchte seine okkulte Kraft, um herauszufinden, wer dieser Man war und am nächsten Tag sagte er den Kindern dieses Mannes, dass sie zu ihrem Vater zurückkehren sollten

Die Kinder sagten zu Meister: „Meister, wir sollen zu unseren Eltern zurück gehen, obwohl wir nichts Falsches getan haben? Unsere Eltern haben dich beschimpft. Doch wir werden die Liebe und das Mitgefühl, das du uns bei so vielen Gelegenheiten gezeigt hast, nicht vergessen.“

Diese Nacht erhielt der Meister einen weiteren Telefonanruf. Ein junges Mädchen sagte ihm: „Hat Gott dir gesagt, du hättest Ihn verwirklicht oder hat es dir deine eigene Einbildung gesagt?“

Der Meister sagte dem Mädchen: „Gott sagte es mir nicht von Sich aus, doch ich zwang Ihn dazu, mir zu sagen, dass ich Ihn verwirklicht habe und dass es nicht meine Einbildung ist. Es ist meine Erklärung aus dem Mund Gottes, dass ich Gott verwirklicht habe.“

Um fünf Uhr Morgens läutete das Telefon noch einmal. Eine junge Männerstimme sagte: „Warum glaubst du, du seiest Gott? Bist du nicht ganz bei Trost?“

Der Meister gebrauchte seine okkulte Kraft und sah, das der junge Mann ein Hippie und ein Drogenabhängiger war. Dann antwortete er: „Ich bin völlig bei Sinnen. Ich betrachte mich selbst nicht als Gott, ich betrachte mich selbst als Gottes Löwe und als Gottes Hund. Wenn ich vor jemandem wie dir stehe, fühle ich, dass ich Gottes brüllender Löwe bin. Wenn ich vor einem meiner ergebenen Schüler stehe, fühle ich, dass ich Gottes treuer Hund bin.“

Um sechs Uhr erhielt der Meister einen weiteren Anruf. Diesmal kam er von einem jungen, arroganten Schüler, der zu seinem Meister sagte: „Was für ein Recht hast du, etwas über meine Ehe zu sagen? Meine Frau und ich heirateten lange bevor wir auf deinen Pfad kamen. Du hast kein Recht eine glückliche Ehe scheitern zu lassen.“

Der Meister antwortete: „Einverstanden, ich habe kein Recht eine glückliche Ehe scheitern zu lassen, doch ich habe jedes Recht, eure lieblose, herzlose, unheilvolle, verhängnisvolle Ehe zerbrechen zu lassen, denn das wollen eure Seelen und das will Gott.“ Dann legte er den Telefonhörer auf.

Das Telefon störte ihn ein weiteres Mal um sieben Uhr morgens. Ein junges Mädchen sagte zu ihm: „Meister, bitte tue mir einen Gefallen. Ich möchte so gerne Roger heiraten. Ich brauche ihn verzweifelt. Bitte sag ihm, dass er mich heiraten soll.“

Der Meister sagte: „Hast du Roger gefragt, ob auch er dich verzweifelt braucht?“

„Ich fragte ihn“, sagte das junge Mädchen, „Doch er sagte, dass er nur dich verzweifelt braucht, nicht mich. Was soll ich nur tun?“

„Mein Kind, bitte komm zu Sinnen“, sagte der Meister, „Da er mich verzweifelt braucht und auch ich ihn verzweifelt brauche, erlaube ihm bitte, mich zu haben. Weil wir einander wollen, verdienen wir es, einander zu erhalten. Und wenn du ihm gefallen willst, dann versuche, mir zu gefallen. Denn das wird ihm am meisten gefallen.“

Um acht Uhr läutete das Telefon wieder. Eine ältere Frau sagte zum Meister: “Wie kannst du es wagen meine Tochter zu bitten, einen Juden zu heiraten! Wir sind alle strenggläubige Katholiken. Du wirfst meine Tochter vor die Hunde. Es ist, wie wenn du von mir verlangen würdest, dir ein Stück Fleisch aus meiner Brust zu schneiden. Du bist der Shylock des zwanzigsten Jahrhunderts!“

Der Meister antwortete: „Richtig, ich bin der Shylock des zwanzigsten Jahrhunderts, doch wo ist die Portia des zwanzigsten Jahrhunderts, um dich zu retten?“

Um neun Uhr erhielt der Meister einen weiteren Anruf. Ein älterer Mann sagte: „Du unsagbarer, unglaublicher Tyrann! Wie kannst du es wagen meinen Sohn zu bitten, ein Christen-Mädchen zu heiraten? Ich kann dir sagen, selbst dein Jesus Christus würde eine solche Verbindung ablehnen. Stoppe diese Heirat um meinetwillen und um Christus Willen. Wenn du es nicht tust, wirst du zweifellos in die Hölle kommen!“

Der Meister antwortete: „Es freut mich zu hören, dass du bereit bist, mich in die Hölle zu senden. Ich möchte sofort dorthin gehen, denn der Ort, an dem ich gegenwärtig lebe, ist unendlich viel schlimmer als die Hölle!“

Um zehn Uhr läutete das Telefon des Meisters wieder. Diesmal antwortete der Meister nicht. Als das Läuten aufhörte rief er sofort die Telefongesellschaft an und bat darum, das Telefon aus seinem Haus zu entfernen.

From:Sri Chinmoy,Aufstieg und Fall der Schüler, The Golden Shore Verlagsges.mbH, Nürnberg, 2007
Quelle https://de.srichinmoylibrary.com/add