Wenn der Schüler weit entfernt wohnt, dann sollte er sich vornehmen, den Meister so oft wie möglich zu besuchen, denn die physische Gegenwart des Meisters hilft, den physischen Verstand des Schülers zu überzeugen. Sonst lehnt sich das Physische auf. Sobald sich etwas außerhalb unseres Gesichtskreises befindet, vergessen wir es leicht. Wenn der Schüler sein untrennbares Einssein mit dem Meister hergestellt hat, dann ist es etwas anderes. Doch wenn die Umstände es erlauben, dass der Schüler zum Meister kommen kann, sollte er es immer tun.
Die Notwendigkeit ist sehr offensichtlich. Derjenige, der unendliches Licht, unendlichen Frieden, unendliche Seligkeit besitzt, sollte wenn irgendwie möglich mit den physischen Augen gesehen werden können. Wenn wir die Gemälde eines Künstlers aus dem Museum kennen, dann erhalten wir große Freude, wenn wir den Künstler auch persönlich kennen lernen. Wenn wir den Dichter sehen, dessen Gedichte wir schon immer bewundert und geschätzt haben, erhalten wir zusätzliche Freude. Die Fähigkeiten und der Besitzer dieser Fähigkeit, der Schöpfer und die Schöpfung – beides schenkt uns Freude. Es beglückt uns zutiefst, wenn wir Gottes Schöpfung betrachten können: Bäume, Flüsse, Himmel, Berge – die ganze Schönheit der Natur. Doch was ist das Ziel dieser Bewunderung? In der Schöpfung möchten wir Gott, den Schöpfer sehen, den Besitzer und die Quelle der Schönheit, die wir überall um uns sehen. Deshalb sollte der Schüler zum Meister kommen, wenn er im Meister alle göttlichen Eigenschaften spürt. Wenn der Schüler betet und meditiert, erfährt er diese Eigenschaften und Fähigkeiten des Meisters innerlich. Doch wenn er den Meister auch auf der physischen Ebene von Angesicht zu Angesicht sieht, erfährt er diese Eigenschaften auch äußerlich.
Das heißt jedoch auf der anderen Seite nicht, dass er vierundzwanzig Stunden am Tag beim Meister sein muss. Auf der physischen Ebene leben einige Schüler nahe bei mir, während andere weit entfernt wohnen. Jene, die in meiner Nähe wohnen, erhalten zweifellos eine zusätzliche Gelegenheit um Fortschritt zu machen. Wenn ein Mensch dem Meister innerlich und äußerlich nahe kommen kann, macht er den schnellsten Fortschritt. Doch diejenigen, die weit entfernt wohnen, sind in einer gewissen Weise ebenfalls bevorzugt, da Ihnen gewisse Leiden erspart bleiben, unter denen in der Nähe wohnende Schüler leiden. Wenn ich einem bestimmten Schüler zulächle, dir aber nicht, dann wirst du leicht ein Opfer der Eifersucht. Wenn ich auf deine Frau schaue und du kein Gefühl inneren Einsseins hast, denkst du sofort: „Guru hat meiner Frau zugelächelt, mir jedoch nicht.“ Dann wirst du eifersüchtig. Wenn du mit ihr eins bist, wirst du fühlen, dass auch du mein Lächeln erhalten hast. Wenn du spirituell entwickelt bist, wird dir dein Einssein vollständige Erfüllung schenken. Wenn du in Australien wohnst, kannst du nicht sehen, wenn ich jemandem zulächle. So betrachtet kann es ein Nachteil sein, in der physischen Gegenwart des Meisters zu leben.
Ein weiterer Vorteil der physischen Distanz zwischen Schüler und Meister ist, dass man innerlich das spirituelle Leben praktiziert und versucht, eine innere Beziehung mit dem Meister aufzubauen. Wenn man ihn dann auf der physischen Ebene sieht, erhält man eine goldene Gelegenheit, den physischen Verstand von dem zu überzeugen, was man bereits innerlich so stark fühlt.From:Sri Chinmoy,Avatare und Meister, The Golden Shore Verlagsges.mbH, Nürnberg, 2005
Quelle https://de.srichinmoylibrary.com/am