9. AKT 1. SZENE

(Madras. Vivekananda befindet sich in seinem Zimmer.)

VIVEKANANDA (spricht zu sich selbst): Es ist nicht, um die Neugier meines Verstandes zu befriedigen, dass ich beschlossen habe, nach Amerika zu segeln. Nein, es geschieht nicht aus dem Wunsch heraus, um in der Welt Aufsehen zu erregen. Der stille Segen meines Meisters hat das Inspirations-Feuer in mir entfacht, sein Licht mit der Erde und der Seele Amerikas zu teilen. Kein Land ist anderen Ländern in allen Bereichen des Lebens überlegen. In Bezug auf Spiritualität sind uns die Amerikaner weit unterlegen, doch in Bezug auf ihre Gesellschaft sind sie uns weit überlegen. Der Osten hat sich vertan, indem er sich vom Materialismus abwandte; der Westen hat sich vertan, indem er die Spiritualität außer Acht lies. Mein tiefstes inneres Gefühl sagt mir, dass eine glückliche Verbindung dieser beiden für die Welt von größter Notwendigkeit ist. Ein Leben ohne Spiritualität ist ebenso armselig wie ein Leben ohne materiellen Rückhalt. Daher muss der Osten mit der Dynamik des Westens aufgeladen werden, und der Westen muss mit der alten Weisheit des Ostens erleuchtet werden. Wir werden ihnen unsere Spiritualität lehren und werden selbst das Beste aus ihrem Gesellschaftssystem aufnehmen. Sri Ramakrishna hat die meisten der großen Weltreligionen durch seine direkte und unmittelbare Verwirklichung der Wahrheit dargestellt. Er ist tief ins Herz jeder einzelnen Religion vorgedrungen, hat die Essenz in sich aufgenommen und ist zur vollkommenen Verkörperung jedes einzelnen Weges zum Höchsten geworden. Seine Prinzipien sind in den einfachsten Worten formuliert, in Worte, die direkt in die Herzen der Menschen vordringen. Die Segnungen, die nicht nur Indien, sondern die ganze Welt von ihm, von seiner universellen Anteilnahme empfangen hat und empfangen wird, sind unvergleichlich. Ich betrachte die Welt als mein geliebtes Mutterland, und die Menschheit als meine wahren Brüder und Schwestern. Komme was wolle, ihnen mit der Seelen-erhebenden Botschaft meines Meisters zu dienen, ist meine geschätzte Religion.

Aber nun, kurz vor meiner Abreise nach Amerika, habe ich beschlossen, dass ich nur, wenn ich einen konkreten Hinweis meines Meisters erhalte, das Meer überqueren werde. Ich bin mir sicher, mein Thakur hätte meiner Reise nach Amerika zugestimmt, wäre er noch im Körper. Doch nun werde ich auf ein Zeichen von ihm warten.

From:Sri Chinmoy,Trinkt, trinkt den Nektar meiner Mutter, The Golden Shore Verlagsges.mbH, Nürnberg, 2018
Quelle https://de.srichinmoylibrary.com/dm