Nach einiger Zeit beendete Krishna sein Flötenspiel und sagte: „Ich habe euch alle in eine Welt der reinsten Glückseligkeit gebracht. Nun, da ihr alle von Glückseligkeit erfüllt seid, werde ich einen Spaziergang im Wald machen.“
Krishna sah, dass Radha ihn begleiten wollte und sagte zu ihr: „Du kannst mitkommen.“ Die anderen Gopis wagten nicht, sich ihnen anzuschließen. Sie hegten sehr große Achtung für Radha.
So wanderten und wanderten Krishna und Radha, bis sie an eine bestimmte Stelle im Wald kamen. Krishna drehte sich zu Radha um und sagte: „Radha, ich bin in der Stimmung, einige Geschichten zu erzählen. Möchtest du meine Geschichten hören?“
„Sicherlich, mein Herr!“, rief Radha aus. „Bitte erzähle mir einige Geschichten. Ich bin begierig darauf, sie zu hören.“
Krishna sagte: „Ich werde dir erzählen, was mir gerade in den Sinn kommt.“ Krishna wollte gerade mit seiner Geschichte beginnen, als ganz plötzlich ein fremd aussehender Mann auftauchte. Sein Körper war an acht verschiedenen Stellen gekrümmt. Seine Beine waren krumm, seine Arme waren krumm, alles war unnatürlich. Dieser Mann war bekannt als Astabakra – ‚ast’ bedeutet acht und Astabakra bedeutet ,an acht Stellen krumm’.
Sobald Radha diesen unglückseligen Menschen sah, begann sie aus irgendeinem Grund zu lachen.
„Wie kannst du über diesen armen Mann lachen?“, fragte Krishna.
„Sein Körper ist an acht verschiedenen Stellen gebogen! Ich kann mein Lachen bei einem so komischen Anblick nicht zurückhalten“, antwortete Radha.
Krishna schimpfte sie aus: „Es ist nicht schön über andere Menschen zu lachen. Du solltest dich nicht so benehmen.“ Doch Radha hörte nicht auf zu lachen.
Astabakra hatte gedacht, dass Radha voller Anteilnahme für ihn sein würde, da sie Krishnas Lieblingsschülerin war. Er konnte einfach nicht verstehen, warum sie so herzlos über ihn lachte. Er stand voller Ergebenheit und Liebe vor ihr, doch ihr Lachen verletzte ihn tief.
Krishna sagte zu Radha: „Wenn ich dir von Astabakra erzähle, wirst du dann aufhören, über ihn zu lachen?“
„Sicherlich, mein Herr“, war Radhas Antwort.
„Dann höre auf zu lachen und höre dir folgende unglückliche Geschichte an.“ Als Krishna begann, die Geschichte zu erzählen, verbeugte sich Astabakra vor Krishna und Radha und verließ sie still.
Krishna erzählte folgende Geschichte:
Astabakra war einst ein hochrangiger Brahmin. Er war verheiratet und verbrachte viele Jahre mit seiner Frau. Dann, Gott allein weiß aus welchem Grund, fühlte er sich von seiner Frau angewidert. Er legte ein Gelübde ab und sagte: „Von nun an werde ich niemals, niemals mehr mit irgendeiner Frau zusammen sein! Alle Frauen sind so schlecht. Dies hier ist der untrügliche Beweis. Meine Frau hat bewiesen, dass Frauen unerträglich sind. Ich werde keine Verbindung, keinen Umgang mehr mit irgendeiner Frau aus Gottes gesamter Schöpfung haben. Ich werde nicht einmal mehr eine Frau anschauen.“
Das war das strenge Gelübde, das der Brahmin nach seiner traurigen Erfahrung, die er mit seiner Frau gemacht hatte, ablegte. Zu jener Zeit war sein Körper keineswegs gekrümmt. Er war kräftig und von stattlichem Aussehen.
O Gott! Eine Nymphe aus Indras Palast wurde auf diesen Brahmin aufmerksam und verliebte sich in ihn. Der Name dieser Nymphe oder Apsara war Rambha. Sie war äußerst schön. Sie kam zu dem Brahmin und sagte zu ihm: „Ich habe mich in dich verliebt und ich möchte dich heiraten.“
Der Brahmin wurde wütend. Er sagte: „Ich habe ein Gelübde abgelegt, dass ich niemals wieder heiraten werde. Meine erste Frau war genug für mich. Sie war die erste und die letzte!“
Rambha begann ihn anzuflehen. Sie sagte: „Du musst mich heiraten, denn ich habe meine Liebe zu dir erklärt.“
„Niemals!“ beharrte der Brahmin. „Ich will mit keiner weiteren Frau in diesem Leben zusammen sein.“
Als Rambha sah, dass der Brahmin seine Meinung nicht änderte, wurde sie sehr ärgerlich und wütend. „Du hast so eine widerwärtige Zunge! Wie wagst du es, so zu mir zu sprechen? Ich bin eine Tänzerin im Palast von Indra. Ich verfluche dich, weil du meine Liebe zurückgewiesen hast. Dein Körper wird sich an acht verschiedenen Stellen krümmen. Du wirst so hässlich sein, dass dich keine Frau jemals wieder ansehen will.“
Nachdem sie den Brahmin verflucht hatte, verschwand Rambha. Armer Brahmin! Sein Körper wurde sofort verbogen und verdreht. Jedes seiner Glieder zeigte in eine andere Richtung. Er konnte sich nur mit größter Mühe bewegen.
Verzweifelt sagte der Brahmin: „Was ist der Sinn, dieses Leben aufrecht zu erhalten? Rambha hat mich verflucht und das hier ist nun das Ergebnis. Warum sollte ich noch länger auf dieser Welt bleiben? Ich werde meinen Körper opfern.“
Plötzlich erschien Lord Vishnu vor ihm und sagte: „Es ist nicht gut, sich selbst zu töten. Bete, bete und bete. Nach einiger Zeit werde ich wiederkommen und du wirst geheilt sein. Dann wirst du wieder, wie zuvor, mit deinem physischen Körper hier auf der Erde glücklich sein. Du sagst, dass du keine Frauen mehr ansehen willst. Keine Sorge! Du wirst in der Lage sein, dein Gelübde zu halten. Nun beginne zu beten und bald werde ich wieder vor dir erscheinen.“
Der Brahmin hörte auf Lord Vishnu und begann äußerst aufrichtig zu beten.
„Wann wird Lord Vishnu kommen und den Brahmin heilen?“ fragte Radha, als Krishna an diesem Punkt seiner Geschichte angekommen war.
Krishna lächelte lieblich. „Vishnu ist bereits gekommen“, sagte er und begann den Weg nach Hause einzuschlagen. Krishna war eine Emanation von Lord Vishnu. Sie waren und sie sind ein- und derselbe. Und so heilte Krishna Astabakra.From:Sri Chinmoy,Die Erd-Erleuchtungs-Trompeten der göttlichen Heimat, Teil 1, The Golden Shore Verlagsges.mbH, Nürnberg, 2005
Quelle https://de.srichinmoylibrary.com/eit_1