In seiner freien Zeit wurde Balzac gewöhnlich von sehr vielen Leuten besucht. In der Regel kamen die Menschen nicht, weil er ein Handschriftenexperte war, sondern um mit ihm zu plaudern, während er ihre Handschriften begutachtete. Sie waren so schlau! Sie schlugen zwei Fliegen mit einer Klappe. So konnten sie mit einem so großen Schriftsteller zusammen sein und gleichzeitig ihre Handschrift analysieren lassen. Balzac sagte dann etwas Nettes, manchmal kritisierte er auch dies und das. Obwohl er an ihrer Handschrift etwas auszusetzen hatte und feststellte, dass ihr Charakter nicht gut war, hatten sie dennoch sehr große Freude daran, einige Zeit in der Gesellschaft von Balzac verbringen zu dürfen. So ging es viele Jahre.
Eines Tages kam eine ältere Dame mit der Handschrift eines kleinen Jungen zu Balzac. Er fragte: „Sind Sie die Mutter des kleinen Jungen, der dies geschrieben hat?“
„Nein“, antwortete sie.
„Sind Sie die Großmutter?“
„Nein, ich bin nicht die Großmutter.“
„Sind Sie mit der Familie dieses kleinen Jungen befreundet?“
Sie sagte: „Nein, das bin ich nicht.“
„Gut! Da Sie keine Verwandte und auch kein Freund der Familie dieses Jungen sind, kann ich Ihnen seinen Charakter offen darlegen“, rief Balzac aus. „Sie haben mir eine solch schreckliche Handschrift mitgebracht! Es tut mir leid, Ihnen sagen zu müssen, dass dies ein nichtsnutziger Bursche sein wird! Aber sagen Sie seinen Verwandten nicht, dass er zu gar nichts zu gebrauchen ist. Dies kann ich deutlich an seiner Handschrift erkennen.“
Die alte Dame lächelte ihn an und sagte: „Ich bin nicht verwandt mit ihm, aber ich war die Lehrerin dieses Jungen, bevor er ein berühmter Schriftsteller wurde. Nun: Dies ist Ihre eigene Handschrift und ich war Ihre Lehrerin! Ich habe Sie sofort wieder erkannt. Jetzt, da Sie berühmt sind, wissen Sie nicht mehr, wer ich bin. Ich war damals Ihre Grundschullehrerin!“
Balzac war geschockt. Er sagte zu sich selbst: „Was habe ich getan?“ Dann erkannte er: „Das ist es, was ich brauche. Entweder gebe ich die Analyse von Handschriften auf oder ich muss sie gründlich studieren.“
Balzac bat die alte Dame zu bleiben. Er war so bewegt, dass sie trotz ihres Alters gekommen war, um sich mit ihm zu treffen. Sie erzählte ihm: „Ich nahm damals eine Seite aus Ihrem Schulheft und bewahrte sie auf. Ich sah und fühlte, dass Sie einmal eine bedeutende Persönlichkeit sein werden. Daher behielt ich die Seite mit Ihrer Handschrift und wusste sie zu schätzen.“
Balzac sagte: „Ich weiß Sie zu schätzen. Ich schätze Sie unendlich mehr.“From:Sri Chinmoy,Der Verstandes-Dschungel und der Herzens-Garten des Lebens, The Golden Shore Verlagsges.mbH, Nürnberg, 2019
Quelle https://de.srichinmoylibrary.com/mjh