Der Schneider fuhr fort: „Herr, ich war ein ehrlicher Schneider. Ich habe den Leuten stets weniger als den eigentlichen Preis berechnet, und sie sind mir sehr dankbar dafür. Ich habe viele gute Dinge getan. Herr, ich flehe Dich an, willst Du nicht kommen und mich besuchen, wenigstens einmal, bevor ich sterbe?“
Der Schneider hörte eine innere Stimme, die ihm sagte: „Morgen werde Ich kommen und Dich besuchen.“
Der alte Mann war hoch erfreut. Er fuhr fort, weiter und weiter zu Gott zu beten. Am nächsten Morgen ging der Mann früh in sein Geschäft. Er erledigte viele Dinge. Die ganze Zeit über hoffte er, dass Gott kommen würde, ihn zu besuchen.
Eine Stunde später kam eine alte Frau zu dem Schneider. Sie sagte: „Alle Kinder stehlen mir Mangos von meinem Baum. Ich selbst kann nichts tun, um sie davon abzuhalten. Würden Sie bitte kommen und mir helfen?“
Der Schneider sagte: „Ich bin ein alter Mann. Werden die Kinder auf mich hören?“
Die alte Frau antwortet: „Sie sind ein Mann. Ob sie alt sind oder nicht, es wird wirklich helfen, wenn Sie
kommen.“Der Schneider sagte: „Einverstanden. Ich werde kommen. Aber ich werde nicht mit den Kindern schimpfen können. Sie werden mich nur auslachen. Ich werde ihnen nur gut zureden und sagen, dass Stehlen keine gute Sache ist.“
Der Schneider begleitete die alte Frau und sprach zu den Kindern. Es waren fünf oder sechs Jungen. Er sagte zu ihnen: „Stehlen ist nicht gut. Wenn ihr stehlt, werdet ihr eines Tages erwischt werden. Dann werdet ihr bestraft. Es ist besser nicht zu stehlen. Wenn ihr ein paar Mangos haben wollt, so bin ich sicher, dass euch die Eigentümerin ein paar geben wird. Bitte stehlt nicht mehr.“
Es lag etwas Magisches in der Stimme des Schneiders. Die Kinder sagten: „Wir werden nie mehr stehlen.“ Sie brachten der alten Frau sogar all die Mangos zurück, die sie zuvor gestohlen hatten.
Das gefiel der alten Frau sehr, und sie gab den Jungen ein paar Mangos zurück. Sie sagte zu dem Schneider: „Nun sollen Sie eine Mango bekommen!“
Er sagte: „Oh nein, für diese kleine Hilfeleistung sollte ich keine Mango annehmen. Darüber hinaus mache ich mir nichts aus Mangos.“
Die alte Frau war dem Schneider sehr dankbar. Er fühlte sich sehr glücklich.
Der alte Mann ging zurück zu seinem Geschäft und setzte seine Arbeit fort. Da kam ein junges Mädchen in sein Geschäft und sagte: „Mein Vater ist sehr, sehr krank. Er hat Fieber und er muss sich übergeben. Ich bin nur ein kleines Mädchen und ich weiß nicht, wie ich meinem Vater helfen kann. Ich weiß noch nicht einmal, wo der Arzt ist. Können Sie mir helfen?“
Der alte Mann sagte: „Ja, ich weiß, wo der Arzt ist. Ich werde dafür sorgen, dass er kommt und sich um deinen Vater kümmert.“ Der alte Mann ging in die Praxis des Arztes und brachte der Tochter etwas mit, das sie ihrem Vater geben konnte. Der Schneider sah, dass der Vater in der Tat sehr krank war. Er bemerkte außerdem, dass der Vater sehr arm war. So gab der alte Mann dem Vater etwas Geld, damit dieser das Arzthonorar bezahlen konnte.
Dann kam der Schneider zurück und nahm seine Arbeit wieder auf. Er schneiderte höchst hingebungsvoll. Eine sehr, sehr alte Dame kam herein und sagte: „Ich werde bald sterben.“
Der Schneider sagte: „Warum sollten Sie sich deswegen sorgen? Wir werden alle eines Tages sterben. Sie werden Gott im Himmel sehen.“
„Ich werde Gott im Himmel sehen?“, stöhnte die alte Frau mit völligem Unglauben in der Stimme.
Der Schneider sagte sofort: „Sie glauben nicht an Gott? Verlassen Sie sofort mein Geschäft, wenn Sie nicht an Gott glauben!“
„Ich werde erst an Gott glauben, wenn mir jemand das Geld gibt, um mir einen Sarg zu kaufen, bevor ich sterbe,“ erwiderte die alte Dame.
Der alte Mann sagte: „Sie wollen Ihren Sarg kaufen? Na schön. Ich werde Sie an einen Ort bringen, wo Sie sich den Sarg aussuchen können. Ich werde ihn für Sie kaufen. Werden Sie dann an Gott glauben?“
Die alte Dame antwortete: „Bestimmt! Ich werde an Gott glauben, wenn Sie mir den Sarg kaufen, den ich aussuchen werde. Wenn ich dann sterbe, werden meine Verwandten den Sarg, den ich ausgesucht habe, verwenden.“
Der Schneider ging mit der alten Dame in das Geschäft und kaufte den Sarg, den sie sich aussuchte. Dann kehrte er abermals in sein Geschäft zurück. Er sagte: „Was habe ich getan? Was habe ich getan? Zuerst bin ich weggegangen, um der Frau zu helfen, deren Mangos gestohlen wurden. Dann ging ich weg, um dem kleinen Mädchen zu helfen, einen Arzt für ihren Vater zu finden. Schließlich ging ich noch mit der alten Dame weg, um ihr einen Sarg zu kaufen. Da Du stets dein Wort hältst, bin ich sicher, dass Du hier warst, während ich weg war.“
Die innere Stimme des alten Mannes sagte: „Ich bin dir sehr dankbar, und Ich bin sehr stolz auf dich. Ich kam zu dir in der Form der alten Frau, deren Mangos gestohlen wurden. Ich kam zu dir in der Form des Mädchens, dessen Vater im Sterben lag. Ich kam zu dir in der Form der alten Dame, die dringend einen Sarg benötigte. Ich habe dir gesagt, dass Ich kommen und dich heute einmal besuchen werde. Stattdessen kam Ich drei Mal zu dir, und dreimal hast du Mich weit über deine Vorstellungskraft zufrieden gestellt.“From:Sri Chinmoy,Der Verstandes-Dschungel und der Herzens-Garten des Lebens, The Golden Shore Verlagsges.mbH, Nürnberg, 2019
Quelle https://de.srichinmoylibrary.com/mjh