Swami Vivekanandas Wunsch nach Initiation

Gott spielt solch geheimnisvolle Spiele mit jedem Einzelnen. Wir haben keine Ahnung, an welchem Punkt ein unerwartetes Ereignis in unser Leben eintreten wird.

Swami Vivekananda war eine große, große spirituelle Gestalt. Er war ein gewaltiger Riese in den inneren Welten. Nur ein oder zwei Tage vor Sri Ramakrishnas irdischem Abschied – einige sagen, es war sogar nur ein paar Stunden zuvor – sagte Naren (Swami Vivekananda) zu seinem Meister: „Du verlässt uns. Was hast du mir gegeben? Was kannst du tun?“ Sri Ramakrishna antwortete: „Ich gebe dir jetzt alles.“ Er konzentrierte sich auf Naren und trat in einen Trancezustand. Danach sagte er zu Naren: „Jetzt bin ich ein Bettler. Dir habe ich alles gegeben. All meinen inneren Reichtum habe ich dir gegeben.“

Naren war Sri Ramakrishnas liebster Schüler. Sri Ramakrishna hatte Narens Seele auf die Erde gebracht, damit er für ihn und seine Gemahlin Sarada Devi arbeitet. Er brachte Naren stets unendliche Zuneigung und Liebe entgegen. Oft schwärmte er vor den anderen Schülern von Narens Größe.

Bei einem anderen Anlass, es war nachdem Swami Vivekananda bereits das Herz Amerikas erobert und weltberühmt geworden war, kam plötzlich ein starker Wunsch in ihm auf. Zu dieser Zeit hatte Sri Ramakrishna den Körper verlassen, aber Sarada Devi war noch im Physischen.

Swami Vivekananda sagte: „Thakur (Sri Ramakrishna) hat mich nicht initiiert. Ich brauche die Einweihung, um Fortschritt zu machen.“

Kann man sich das vorstellen! Durch das Mitgefühl, die Segnungen und die Gnade seines Meisters war Swami Vivekananda zu einer der absolut höchsten spirituellen Gestalten geworden. Doch nun suchte er die Initiation bei einem anderen spirituellen Meister, Pavhari Baba, der in Ghazipur lebte. Swami Vivekananda hatte zu dieser Zeit bereits seine eigenen Schüler, dennoch hatte er immer noch das Gefühl, dass er eine Initiation brauche!

Swami Vivekananda ging nach Ghazipur. Er besuchte Pavhari Baba in seinem Haus und bat ihn um Einweihung, nicht einmal, sondern sechzehn Mal! Jedes Mal, wenn er zu Pavhari Baba ging, hatte Swami Vivekananda eine Vision von seinem eigenen Guru, Sri Ramakrishna, der ihn mit einem sehr traurigen Gesicht ansah. Schließlich verlor Swami Vivekananda seinen ganzen Wunsch nach Initiation. Er sagte: „Ich werde nicht mehr zu Pavhari Baba oder einem anderen großen Meister gehen. Ich werde meinen Meister nicht mehr quälen.”

Selbst wenn ein Mensch einen sehr, sehr hohen spirituellen Zustand erreicht, darf er nicht glauben, dass er vor Fehlern sicher ist. Warum Dinge geschehen, wissen wir nicht; aber wir müssen immer zu unserem geliebten Höchsten Herrn um Seinen Schutz beten.

From:Sri Chinmoy,Die Kraft der Güte und andere Geschichten, The Golden Shore Verlagsges.mbH, Nürnberg, 2020
Quelle https://de.srichinmoylibrary.com/pok