Wenn wir Vollkommenheit im Verstand oder für den Verstand wollen, dann gibt es ein festgelegtes Ziel. Haben wir diesen bestimmten Ort auf der Verstandesebene einmal erreicht, so fühlen wir, dass wir unser Ziel erreicht zu haben. Wenn die Vollkommenheit aber ein fertiges Produkt ist, liegt keine Freude darin. Im Herzen hingegen identifizieren wir uns mit unserem Ursprung. Das Herz wird nie mit etwas Begrenztem zufrieden sein. Wenn wir nicht die Vollkommenheit sehen oder fühlen, die der Seelenwelt zu eigen ist, wird unsere Vorstellung von Vollkommenheit mit Sicherheit nur ein fertiges Produkt vor unserem geistigen Auge sein. Wahre Vollkommenheit ist eine Wirklichkeit, die ständig wächst. Ein Kind wächst langsam und stetig. Am Anfang kann es nicht einmal krabbeln. Dann kommt die Zeit, wo es zu krabbeln beginnt. Dabei fühlt es bereits sein Potential, vollkommen zu werden. Nach einiger Zeit beginnt es dann zu gehen, um schließlich schnell, schneller, am schnellsten zu laufen. Das ist Fortschritt.
Ich sage euch, im spirituellen Leben ist der Tag, an dem wir zu meditieren anfangen – auch wenn es zunächst nur für eine kurze Zeitspanne ist – der Tag, an dem unser Fortschritt beginnt. Dies ist für uns eine Errungenschaft und zu diesem Zeitpunkt gleichzeitig auch unser Gefühl von Vollkommenheit. Jedes Mal, wenn wir uns einen weiteren Schritt von der Unwissenheit entfernen und sich neue Perspektiven für uns eröffnen, ist das wieder Vollkommenheit. Was immer unser Bewusstsein erhebt, entspricht unserer Vollkommenheit. Vollkommenheit ist ein stetiges Voranschreiten, eine immer höhere Errungenschaft und tiefere Erfüllung.
Wir versuchen im Unendlichen, mit dem Unendlichen und für das Unendliche zu leben. Im Augenblick sind wir noch erdgebunden, aber wir wollen nicht gebunden bleiben; wir wollen frei sein. Wie können wir dieses Ziel erreichen? Indem wir Schritt für Schritt in die Unendlichkeit wachsen. Wenn wir in die Unendlichkeit eintreten, fühlen wir, dass auch Gott, der Supreme, Fortschritt macht. Wenn wir sagen, dass Gott alles ist, dass Er unendlich ist, dann sind das nur Begriffe, die unser Verstand formt. Mit diesen Begriffen schränken wir uns nur ein. Sagen wir hingegen, dass Er sich fortwährend transzendiert, dann fesseln wir weder Ihn noch uns. Wenn sich Gott unentwegt selbst transzendiert, wie können wir Ihn dann binden? Wir beten zu Gott, weil wir uns gebunden fühlen und glauben, Er sei ungebunden. Wir besitzen einen Euro an spirituellem Reichtum, während Er Milliarden von Euro besitzt und selbst diesen Reichtum noch unaufhörlich vergrößert. Schrittweise versuchen wir unsere beschränkten Fähigkeiten zu vergrößern. In Seinem Fall hingegen können wir nicht einmal seinen Reichtum ermessen, weil er ständig zunimmt.
Vollkommenheit bedeutet, im inneren wie im äußeren Leben ständig Fortschritt zu machen. Für ein Kind, das noch im Kindergarten ist, bedeutet ein Doktortitel bereits Vollkommenheit. Es weiß, dass es noch eine Menge lernen muss, bevor es erwachsen wird. Aber es gibt nicht auf. Es lernt weiter. Wenn ein Doktortitel seiner Vorstellung von Vollkommenheit entspricht, muss es ohne Unterlass nach noch erleuchtenderem und erfüllenderem Wissen streben. Nur wenn sein Durst danach beständig ist, fühlt es, dass es wirklich die Botschaft der Vollkommenheit empfängt. Sein größtes Ziel ist es, ein Universitätsstudium abzuschließen. Im Augenblick entspricht das seiner Vorstellung von Vollkommenheit. Hat es dann aber endlich sein Studium abgeschlossen, wird es erkennen, wie viel mehr es auch dann noch zu lernen gibt. Was wird aus seiner Vollkommenheit? Was für das Kind zuvor Vollkommenheit war, ist jetzt nur der Anfang einer neuen Erkenntnis, eines neuen Lebensabschnittes.
Wenn wir ein schönes Musikstück komponieren, haben wir das Gefühl, es sei vollkommen. Doch sobald wir darauf meditieren erkennen wir, dass wir ihm noch etwas hinzufügen oder es sogar noch enorm verbessern können. Das Problem liegt darin, dass es dem menschlichen Verstand immer schwer fällt, vorwärts zu gehen. Er besitzt nicht genug Beharrlichkeit, um über seine gegenwärtigen Errungenschaften hinauszugehen. Er hat etwas erreicht und weiß, dass die Welt es schätzen wird. Wenn wir etwas erschaffen, erhalten wir von der äußeren Welt eine Art Erfüllung. Sobald wir diese erhalten, wollen wir unsere Errungenschaft häufig nicht mehr weiter verbessern, weil es womöglich weit und breit niemanden gibt, der uns das Wasser reichen kann. Im Falle göttlicher Zufriedenheit oder Erfüllung jedoch betrachten wir sie nicht als Erfolg oder Ruhm, sondern als göttliche Erfahrung. Wenn wir diese göttliche Erfüllung erhalten, verspüren wir gleichzeitig auch einen inneren Drang, über das Erreichte hinauszugehen.Wenn dir nach einem Erfolg Bewunderung und Anerkennung gezollt wird, kommt dein Ego manchmal auf zer-störerische Weise zum Vorschein oder du verlierst dein inneres Gleichgewicht. Dann bist du verloren. Auf der anderen Seite bist du enttäuscht, wenn die Menschen schlecht über dich sprechen. Auch hier kommt dein Ego wieder zum Vorschein, was sich in deiner Betroffenheit äußert. Doch nur wenn du dich durch nichts mehr in Mitleidenschaft ziehen lässt, hast du dich wirklich von der Anhaftung befreit.
Diese Loslösung ist jedoch in keiner Weise Gleichgültigkeit anderen Menschen und ihren Handlungen gegenüber; sie bedeutet nur, dass du dich davon nicht in Mitleidenschaft ziehen lässt. Gleichzeitig wirst du dich nicht in die Aktivitäten anderer Menschen einmischen in dem Glauben, besser zu sein oder mehr Weisheit zu besitzen. Wenn du dich anderen überlegen fühlst, wirst du dich dabei nur elend fühlen. Natürlich sollst du deinen Mitmenschen mit aller Aufrichtigkeit helfen, wenn sie wirklich in Schwierigkeiten sind. Häufig aber meinst du, andere würden deine Hilfe benötigen, obwohl dies gar nicht der Fall ist.
Frei von Anhaftung zu sein und Gleichgültigkeit sind also grundverschiedene Dinge.„Ich weiß, ein Meer von Frieden, Freude und Licht liegt außerhalb meiner Reichweite…“
Fast jeder spirituelle Schüler hat am Beginn seines spirituellen Lebens das Gefühl, Frieden läge außerhalb seiner Reichweite. Der Verstand quält uns ständig. Unser Verstand trägt uns in der inneren wie äußeren Welt ständig von einem Ort zum anderen, von einem Gegenstand zum anderen. Dennoch kommt irgendwann der Tag, an dem wir in unserem inneren Leben fühlen, dass es nichts anderes geben kann, wonach es sich zu streben lohnt, als nach Frieden.
Frieden wirkt im inneren und äußeren Leben des aufstrebenden Suchers. Und irgendwann kommt der Tag, wo er mit dem Frieden eins wird. Im Augenblick sehnt er sich nach Frieden, aber er besitzt ihn nicht. In dem Moment, wo die Flamme seines inneren Strebens die Gelegenheit erhält, das Höchste zu erreichen, beginnt der innere Friede höchst wirkungsvoll und kraftvoll in ihm zu wirken. Eines Tages bemerkt er dann, dass er sich beständig im Meer des Friedens befindet und nie mehr davon getrennt werden kann. Seine gesamte innere wie äußere Existenz ist dann von Frieden überflutet. Um diese Erfahrung zu machen, brauchen wir inneres Streben. Spirituelle Strebsamkeit ist der Schlüssel dazu.Empfindest du deine Beziehung zu Gott hingegen wie die eines Herrschers zu seinem Sklaven, wie sollst du dann an dich glauben können? Ein Sklave wird sagen: „Heute ist er mein Herr, aber schon morgen kann er mich hinauswerfen.“ Ein Sklave kann den Reichtum oder die Fähigkeiten seines Herrn niemals für sich beanspruchen, der Sohn hingegen schon. Ein kleines Kind mag erst sieben Jahre alt sein, aber es ist überzeugt davon, dass, wenn sein Vater reich, angesehen und gebildet ist, es seinen Besitz und diese Eigenschaften von ihm erben wird. Und der Vater wird sie ihm auch mit Freuden geben. Mit der Einstellung eines Sklaven hingegen würde es denken: „Ach, mein Herr will mich nur ausbeuten. Ich werde seinen Besitz und seine guten Eigenschaften nie für mich beanspruchen können.“
Wenn du also an dich glauben willst, musst du dir zuerst darüber klar werden, welche Art von innerer Verbindung oder Beziehung du zu deinem Inneren Führer hergestellt hast. Wenn es sich um eine Beziehung wie zwischen Vater bzw. Mutter und Sohn, oder Liebhaber und Geliebtem, oder um eine Beziehung zwischen zwei sehr engen Freuden handelt, kannst du alles von Gott erwarten. Gelingt es dir hingegen nicht, diese Art der süßen Einheit mit Gott herzustellen, wie willst du dann Vertrauen haben? Wenn du denkst: „Gott ist so fern; Er ist der über allem erhabene Gott und ich bin nur eine unbedeutende Kreatur“, dann fehlt das Gefühl des Einsseins. Wenn du dich als winzige Ameise siehst und Gott als riesigen Elefanten, wirst du natürlich sagen: „O weh, wie soll ich je so viel Kraft und solche Fähigkeiten erlangen können? Ich bin doch so schwach und unbedeutend!“
Stellst du dir Gott aber als jemanden vor, der mehr als bereit ist, dir alles zu geben, was Er hat, so wirst du fühlen: „Wenn die Zeit reif ist und ich sie brauche, wird mir die Kraft des Elefanten zuteil werden.“ Wenn du dieses Gefühl entwickelt hast und fühlst, dass dir der Vater alles, was du brauchst, geben wird, wirst du wie von selbst Glauben haben.
Wenn du Glauben an dich hast, wirst du sagen: „Wie kann ich etwas Ungöttliches tun? Ich bin Gottes Sohn. Wie kann ich mich mit der Unwissenheit abgeben? Das ist unter meiner Würde.“ Auf diese Weise wirst du rasch zu deiner wahren Göttlichkeit finden. Versuche daher in deinem spirituellen Leben dein Einssein mit Gott als etwas äußerst Süßes, Reines und Erfüllendes zu empfinden. Dann wirst du von allein Glauben entwickeln. Wenn du fühlst: „Er gehört mir; ich gehöre Ihm“, wirst du reichlich Glauben an dich haben.Jeder muss für sich herausfinden, ob ihn das äußere Leben befriedigen kann. Wenn das nicht der Fall ist und ihn das äußere Leben enttäuscht hat, wird er vielleicht aufwachen und sagen: „An diesem Ufer habe ich nur Enttäuschung erfahren; nun möchte ich sehen, was das andere Ufer zu bieten hat.“ So wird er natürlich versuchen, in die innere Welt einzutauchen. Dann wird er sein inneres Leben von innen her zum Vorschein bringen.
Wir ernten, was wir säen. Wenn ich mich zutiefst nach Licht sehne und tief nach innen tauche, dann sehe ich Licht und wachse in es hinein. Dieses Licht, das ich sehe und besitze, wird zu einem festen Bestandteil meines inneren Lebens. Anschließend versuche ich dieses Licht zum Vorschein zu bringen und der Menschheit weiterzugeben, und diese empfängt es dann entsprechend ihrer Aufnahmefähigkeit.Ungehorsam liegt ganz und gar im Verstand. Wenn du an deiner spirituellen Kraft und Fähigkeit zweifelst oder an meiner Fähigkeit, dir Segen, Liebe und Mitgefühl zu schenken, wenn du an Gottes bedingungsloser Liebe, bedingungsloser Vergebung und bedingungslosem Mitleid zweifelst, dann ist das alles innerer Ungehorsam. Ich habe dir versichert, dass ich immer bei dir bin. Gott ist unser ewiger höchster Geliebter und ich bin Sein Stellvertreter für all jene, die meinem Weg folgen. Ich bin der Vorgesetzte und ihr seid die Mitarbeiter. Wenn ihr an das glaubt, was ich sage, und ein spirituelles Leben führt, dann ist das innerer Gehorsam.
Aber das ist alles sehr allgemein. Jeder weiß selbst, ob er mir gehorcht und meiner Lehre folgt, oder ob er an sich und seinen spirituellen Fähigkeiten zweifelt. Wenn du nicht an meiner Verwirklichung oder an Gottes bedingungslosem Mitleid, Licht und Seiner Glückseligkeit zweifelst, dann bist du innerlich gehorsam.Allerdings musst du zwischen Freude und Vergnügen unterscheiden. Wenn du etwas Unrechtes tust und dabei eine Art Freude empfindest, dann ist das nicht wirkliche Freude, sondern Vergnügen. Tust du hingegen das Richtige und fühlst dann Freude, dann handelt es sich um wirkliche, göttliche Freude. Freude und Vergnügen sind zwei verschiedene Dinge. Auf Vergnügen folgt stets Frustration, auf Freude hingegen größere Freude, reichliche Freude, unendliche Freude. Das Wirkliche in uns ist Freude; alles andere ist unwirklich. Deshalb ist die so genannte Freude, die du empfindest, wenn du etwas Unrechtes tust, nichts anderes als ein ungöttliches Vergnügen. Tust du hingegen das Richtige, wirst du dauerhafte, ewige Freude fühlen.
Nehmen wir an, du hast Lügen verbreitet und niemand ist dir dahinter gekommen. Einzig und allein dein Gewissen weiß davon. Dein Gewissen hat dich schon erwischt, bevor du gelogen hast. Was machst du dann? Einerseits fühlst du dich elend, weil dich dein Gewissen auf frischer Tat ertappt hat. Andererseits jedoch freust du dich auch, weil du erwischt wurdest. Es ist wie bei einem Versteckspiel. Wenn Kinder verstecken spielen, dann freut sich auch das Kind, das erwischt wird. Sein Ziel ist es, sich zu verstecken, aber wenn es erwischt wird, dann ist das sehr aufregend.
Im spirituellen Leben ist es genauso. Wenn dich deine göttlichen Eigenschaften bei einer Dummheit ertappen, dann solltest du glücklich sein, dass du den Tiger in dir erkannt hast. Früher hast du geglaubt, dass in dir lediglich ein flinkes Reh herumläuft. Und dann erkennst du plötzlich den Tiger in dir mit all seinen tierischen Eigenschaften! Du solltest dich aber glücklich schätzen. Denn erst wenn du den Tiger in dir erkannt hast, wirst du in der Lage sein, ihn zu zähmen. Ansonsten wird der Tiger alle deine guten Eigenschaften verschlingen.
Ohne Aufrichtigkeit kann im spirituellen Leben nichts erreicht werden. Aufrichtigkeit wem gegenüber? Dir selbst. In dir gibt es eine höhere und eine niedrigere Wirklichkeit. Wenn du aufrichtig wirst, hebst du deine niedrigere Wirklichkeit unmittelbar zu deiner höheren Wirklichkeit empor. Wie ein Magnet wird deine höhere Wirklichkeit deine niedrigere Wirklichkeit hinaufziehen, um sie zu beschirmen.
Es gibt Zeiten in deinem Leben, in denen du wirklich glücklich bist. Und warum bist du glücklich? Weil du dich wirklich aufrichtig auf das spirituelle Leben einlässt. Wenn du aber zögerst, bist du unglücklich. Manchmal sagst du: „Ach, wenn ich in das Meer der Spiritualität springe, könnten mich Haie oder andere gefährliche Meerestiere fressen.“ Aber anstatt dich zu ängstigen, solltest du sagen: „Wenn ich einfach hineinspringe und in das Meer der Spiritualität eintauche, werde ich die kostbarsten Schätze des Meeres erhalten.“Wir müssen die Aufrichtigkeit gebührend schätzen. Nur wenn wir die Aufrichtigkeit wirklich schätzen und ihr genügend Bedeutung beimessen, werden wir unsere Aufrichtigkeit auch vergrößern können.
Wenn wir einen aufrichtigen Menschen sehen, mögen wir sagen: „Ich kann auch aufrichtig werden.“ Aber es ist ein großer Unterschied zu sagen „Ich kann“ oder „Ich bin es geworden“. Andere tun viele Dinge, von denen wir glauben, dass wir sie genauso tun können. Wir meinen, dass wir es einfach nur tun müssten. Aber wir müssen erst einmal beweisen, dass wir wirklich dazu imstande sind. Obwohl sie an einem spirituellen Leben gar nicht interessiert sind, gibt es im gewöhnlichen, nicht auf ein höheres Ziel ausgerichteten Leben sehr viele aufrichtige Menschen. Darum glauben wir, da wir ein spirituelles Leben führen, wäre es für uns eine einfache Sache, aufrichtig zu sein. Nur sind wir es nicht.
Aber das ist ein Fehler. Aufrichtig zu werden, ist äußerst schwierig. Es kann Jahre dauern, bis die Aufrichtigkeit in unserem Leben zu einer Wirklichkeit wird. Unser Ziel ist die Gottverwirklichung, welche noch in weiter Ferne liegt. Wir müssen fühlen, dass die völlige Aufrichtigkeit, genauso wie die Gottverwirklichung, ebenfalls sehr schwer zu erlangen ist. Wenn wir gegenüber Gottes Willen völlig aufrichtig sind, dann stehen wir kurz vor der Gottverwirklichung.Ein aufrichtiger Sucher ist sicherlich schon viele Male in seinem Leben aufrichtig gewesen. Nehmen wir an, ein Sucher war einen Tag lang aufrichtig und zehn Tage unaufrichtig. Was geschah an dem Tag, an dem er aufrichtig war? Er war glücklich, was immer an diesem Tag passiert ist – selbst wenn er zum Beispiel eine Prüfung nicht bestanden hat. In dem Moment jedoch, wo er unaufrichtig wurde, war er unglücklich, auch wenn er in seinem Leben äußerlich erfolgreich war. Irgendetwas fehlte ihm. Unaufrichtigkeit bedeutet immer Unzufriedenheit. Ein aufrichtiger Sucher versucht auf dem Schlachtfeld des Lebens siegreich zu sein. Manchmal gelingt es ihm, manchmal nicht. Wenn er Misserfolg hat, sagt er: „Gott, ich habe mein Bestes gegeben, aber Du bist mir nicht in Form von Erfolg begegnet, sondern in Form von Misserfolg.“ Ein aufrichtiger Sucher weiß, dass ihm alles, was geschieht, eine gewisse Befriedigung schenken wird. Ist er hingegen nicht aufrichtig, wird ihm selbst der Erfolg keine wahre Erfüllung schenken.
Wie können wir aufrichtig werden? Wir können aufrichtig werden, indem wir erkennen, dass es etwas gibt, das an allererster Stelle in unserem Leben steht. Wenn ein Sucher glaubt, sein physischer Körper und seine eigene Existenz kämen an erster Stelle, dann irrt er sich. Gott muss in seinem Leben an erster Stelle stehen.
Wenn ein Sucher früh am Morgen, bevor er seinen Tag beginnt, das Wichtigste zuerst tut, dann wird er zu Gott beten, dass Er ihn nach Seinem Willen formen und ihm geben möge, was er nach Gottes Willen empfangen und erreichen soll. Wenn er das tut, wird ihm Gott alles geben. Wenn es ihm an Aufrichtigkeit fehlt, wird ihm Gott Aufrichtigkeit schenken. Wenn ihm Frieden fehlt, wird Gott ihm Frieden geben. Alles was ihm fehlt, wird Gott ihm geben. Aber er muss das Wichtigste zuerst tun. Wenn der Tag dämmert, muss er zu Gott beten, ihm zu geben, was er nach Gottes Willen haben soll, und nicht was er sich wünscht.
Wenn er sich zwei oder drei Autos wünscht, wird er nur frustriert sein, weil er in der Welt der Wünsche gefangen ist. Was immer er in der materiellen Welt erreichen mag – es wird ihm keine Befriedigung schenken. Betet er jedoch zu Gott, Er möge ihm geben, was Er ihm geben will, dann wird ihm Gott inneren Frieden und grenzenlose Liebe schenken. Und diese Liebe wird ihn wirklich erfüllen.
Wenn wir Aufrichtigkeit wollen, dann lasst uns zu dem Einen gehen, der Aufrichtigkeit in unendlichem Maße besitzt. Lasst uns zu Ihm gehen und nicht zu irgendjemand anderem. Wenn wir früh am Morgen beten und meditieren, wird Gott uns geben, was wir wirklich brauchen. Er möchte uns immer das geben, was unser Leben seelenvoll und fruchtbar macht. Wenn Gott fühlt, dass wir Aufrichtigkeit benötigen, wird er unser äußeres Leben mit Aufrichtigkeit erfüllen. Ein spiritueller Sucher muss in seinem aufstrebenden Leben für Gottes Erfüllung beten und nicht für die Erfüllung seines Wunschlebens. Dann wird er das höchste Ziel erreichen: die innere Aufrichtigkeit, nach der er sich sehnt.Wenn der Brennpunkt deiner Konzentration auf das Herz und nicht auf den Verstand gerichtet ist, dann wird nur Aufrichtigkeit zum Vorschein kommen. Im Herzen ist die Seele, und alles, was von der Seele kommt, kann nichts anderes als eine Flut von Aufrichtigkeit sein. Mehr noch, es ist auch eine Flut von Spiritualität. Durch das Herz drückt sich die Seele höchst kraftvoll und überzeugend aus.
Wenn wir mehr Zeit in unserem Herzen als in unserem Kopf verbringen, werden wir unweigerlich erfahren, was Aufrichtigkeit ist. In unserem Herzen haben wir ein inneres Gefäß, das jeden Tag von Gottes Reinheit gefüllt wird. Dort können wir wachsen. Wenn unsere Existenz im Herzen wächst, werden wir sehen, dass wir jeden Tag eine reiche Ernte an Aufrichtigkeit einbringen.Nennen wir diese höhere Kraft unseren Inneren Führer. Während der Innere Führer in und durch uns handelt, müssen wir Ihm äußerst dankbar sein, weil Er uns auf diese Weise gebraucht. Er hätte leicht auch jemand anderen als Instrument verwenden können. Heute gebraucht Er vielleicht uns, aber schon morgen kann Er uns wieder verwerfen, wenn wir Ihn nicht auf Seine Weise zufrieden stellen. Darum müssen wir sehr dankbar sein, dass Er uns gewählt hat und nicht jemand anderen. Wir müssen unserem Inneren Führer unentwegt dankbar sein und gleichzeitig fühlen, dass das Ergebnis unserer Handlungen nicht uns gehört. Es wird sich als Misserfolg oder Erfolg äußern, aber da wir nicht die Handelnden sind, kann uns das Resultat nicht binden.
Wir übergeben also das Ergebnis unserer Handlung sogleich unserem Inneren Führer. Während Er uns gebraucht, müssen wir fühlen, dass wir unseren Körper, unsere Lebenskraft, unseren Verstand, unser Herz und unsere Seele für jene Sache einsetzen, für die Er uns auserwählt hat, und versuchen, uns Seiner göttlichen Gnade würdig zu erweisen. Nur wenn wir alle diese ergebenen Haltungen in unserem Wesen vereinen können, während unser Innerer Führer in und durch uns handelt, kann absolute Vollkommenheit in uns wachsen. Wenn wir etwas Einzigartiges in unserem aufstrebenden Leben vollbringen, wächst die Vollkommenheit von selbst.Reinheit ist wie ein Muskel, der durch Übung und Training aufgebaut werden kann. Dafür brauchst du viele Jahre der Übung und Gottes Gnade. Wenn du dich um Reinheit bemühst, wirst du sie sicherlich erhalten – wenn nicht heute, dann in zehn Jahren oder in deiner nächsten Inkarnation. Die völlige Läuterung des Physischen, Vitalen und des Verstandes braucht Zeit. Du sehnst dich nach Reinheit im Herzen. Nehmen wir an, du erlangst sie innerhalb weniger Tage oder Monate. Doch den Verstand zu läutern, dauert wesentlich länger. Mit dem Vitalen ist es noch viel schwieriger, und Gott allein weiß, wie viele Jahre es beim physischen Körper dauert!
Reinheit im Herzen zu erlangen, ist also vergleichsweise einfacher. Die Seele ist durch und durch rein. Wenn du dich mit ihr identifizierst, bist du ganz rein. Dann wirst du zur Reinheit selbst. Von dort bringst du dann ein wenig Reinheit ins Herz, welches dafür sehr empfänglich ist. Das Herz ist wie der erste Raum, der Verstand der zweite Raum, die Lebenskraft der dritte und der physische Körper der vierte Raum. So wird das Herz natürlich vor den anderen Mitgliedern der inneren Familie gereinigt, wenn der Reinheitsfluss zu fließen beginnt.Alles, was wir erreichen wollen, müssen wir mit der Kraft unserer Aufrichtigkeit erreichen. Wenn wir Studenten sind, müssen wir studieren. Wenn wir spirituelle Sucher sind, müssen wir beten und meditieren. Aufrichtigkeit ist von größter Wichtigkeit. Wenn ein Kind von Anfang an weiß, dass es einen Doktortitel erlangen möchte, wird es aufrichtig sein. Und es muss sein ganzes Leben lang aufrichtig bleiben. Selbst wenn es sein Ziel erreicht hat, muss es immer noch aufrichtig bleiben, um das Licht, das es dort erhalten hat, zu verbreiten.
Wenn wir in jedem Augenblick aufrichtig und geduldig sind, werden uns unsere Errungenschaften wirkliche Erfüllung schenken. Ein Kind kommt von der Volksschule in die Mittelschule, und sein kontinuierlicher Fortschritt wird ihm große Freude bereiten. Unsere gegenwärtige Zufriedenheit mag vielleicht nicht die höchste Form der Erfüllung sein, aber da wir dank unserer aufrichtigen Sehnsucht etwas Zufriedenheit erlangt haben, können wir sicher sein, dass die höchste Erfüllung unweigerlich in uns wachsen und gedeihen wird.
Aufrichtigkeit und Geduld müssen Hand in Hand gehen. Wir beginnen unsere Reise mit Aufrichtigkeit und setzen sie mit Aufrichtigkeit und Geduld fort. Wenn diese beiden Eigenschaften getrennt sind, kann ein Sucher niemals wirklich erfüllt sein. Durch beständigen Fortschritt erreicht er sein Ziel. Wenn er einen Schritt macht, muss er fühlen, dass das im Augenblick sein Ziel ist. Am nächsten Tag muss er dann den nächsten Schritt machen. Will er das höchste Ziel aber auf einmal erreichen, so ist das unmöglich. Wann immer wir aufrichtig sind, werden wir unweigerlich auch eine gewisse Befriedigung empfinden. Diese Befriedigung mag begrenzt sein, aber dennoch ist sie äußerst kostbar; denn von dieser begrenzten Zufriedenheit werden wir in die grenzenlose Erfüllung wachsen.Vor vielen Jahren hat mein Chef etwas geschrieben, was ich damals nicht glauben konnte. Doch jetzt, nach vielen Jahren, habe ich es verstanden. Er schrieb: „Halbherzigkeit ist etwas ganz Schlechtes. Wenn du unparteiisch bist, dann bist du mein Feind.“ „Wie ist das möglich?“ fragte ich ihn damals. Er antwortete: „Wenn du im Falle einer Meinungsverschiedenheit nicht mit voller Überzeugung entweder auf meiner Seite oder der Gegenseite stehen kannst, sondern zu fünfzig Prozent auf jeder Seite stehst, dann bist du mein Halbfeind.“ Deswegen sollten wir Halbherzigkeit als unseren wirklichen Feind betrachten. Wenn ein neuer Monat beginnt, sollten wir alles Gute aus dem alten Monat bewahren und alles Schlechte beiseite schieben. Wir sollten nicht neutral, sondern zu hundert Prozent für eine Sache, ein Ziel sein.
Andererseits musst du aber wissen, dass Neutralität nicht Gleichgültigkeit ist. Viele meiner Schüler legen ein gleich-gültiges Verhalten an den Tag. Das ist sehr, sehr schlecht. Wirkliches, spirituelles Freisein von Anhaftung bedeutet Transzendenz. Wenn wir dies erlangt haben, sind wir unabhängig – erhaben über allen Aufruhr in dieser Welt. Dann kann uns das Spiel der Natur nicht mehr beeinträchtigen; wir stehen über den Geschehnissen in der Welt.Geistige Vorstellung steht am Beginn jedes schöpferischen Aktes. Ohne sie können wir nichts tun. Sie mag nicht alles sein, aber wir beginnen immer mit ihr. Zu Beginn stellen wir uns vor, wie unser spiritueller Meister sein oder wie sich unser Frieden anfühlen wird. Dann gehen wir tief nach innen und erkennen, dass uns diese Vorstellung Inspiration geschenkt hat. Diese Inspiration wiederum schenkt uns innere Strebsamkeit und diese schließlich die Gottverwirklichung.
Wenn du jeden Tag zu Hause meditierst, wird es für dich leicht sein, den Frieden, den du im Meditationszentrum erhältst, zu bewahren. Hast du jedoch zu Hause Probleme oder arbeitest beziehungsweise studierst an einem Ort, an dem du den Frieden einfach nicht bewahren kannst, dann versuche dir bitte zu vergegenwärtigen, was du hier gefühlt hast. Überflute deinen Verstand mit der Vorstellung des Friedens, den er hier bekommen hat. Geistige Vorstellung allein ist nicht die Lösung für alles, aber am Anfang ist sie sehr hilfreich.
Außerdem solltest du wirklich täglich meditieren. Früh am Morgen, bevor es dämmert, ist die beste Zeit dafür. Jeder Tag beginnt mit neuem Licht und neuer Hoffnung. Jeden Morgen erfüllt uns neues Leben. Darum ist die Morgenmeditation für jeden, der einem spirituellen Pfad folgen will, unverzichtbar.
Wenn du mit spirituellen Menschen zusammen sein kannst, dann können sie dir auch helfen. Natürlich wirst du andere Menschen nicht ignorieren oder gar hassen. Spirituelle Menschen dürfen die Menschheit nicht hassen, aber du musst sehr vorsichtig sein. Du musst wissen, dass deine Kraft beziehungsweise deine Fähigkeiten sehr begrenzt sind. Solange das so ist, solltest du dich nicht mit jedermann abgeben. Darum triff dich mit spirituellen Menschen und meditiere regelmäßig, sobald du nach Hause kommst. Besitzt du einmal ausreichende innere Kraft, wird dir nichts mehr verloren gehen, ganz gleich was du tust. Dann wirst du bewahren können, was immer du hier und in deiner Meditation empfängst. Im Augenblick aber triff dich in erster Linie mit spirituellen Menschen und komm regelmäßig ins Meditationszentrum. Bitte tue alles, um den Frieden in dir zu assimilieren. Bevor du den Frieden assimiliert hast, kann er leicht wieder verloren gehen. Ist er aber einmal im spirituellen System verankert, kannst du ihn nie mehr verlieren.Wen bitten wir um einen Gefallen? Nur jemanden, den wir lieben, dem wir vertrauen und auf den wir unsere Hoffnung setzen. Wenn dich also Gott um etwas bittet, so fühle, dass es sich um etwas handelt, das Er braucht und möchte. In diesem Fall ist Gehorsam die größte Freude.
Hast du hingegen das Gefühl, Gott sei in deiner Arbeit nicht mit einbezogen und das spirituelle Leben habe mit dem, was du tust, nichts zu tun, dann kann darin auch keine Freude liegen. Es ist so, als kämst du bei einer Arbeit mit Schmutz in Berührung. Doch wer hat dich darum gebeten? Wenn dich dein Innerer Lenker, dein Meister, darum gebeten hat, dann ist es das Richtige und du wirst Freude dabei haben. Dann bist du nicht der Handelnde, sondern lediglich der Diener einer höheren Wirklichkeit. Ein aufrichtiger Sucher ist jener, der der inneren Göttlichkeit, der Quelle, dient. Es kann keine größere Freude geben als das Gefühl, zu dienen. Die Schwierigkeiten beginnen dann, wenn du nicht von innen oder von einer höheren Autorität dazu aufgefordert wurdest. Dann bist du der Handelnde und die Freude bleibt aus.
Darum fühle, dass du nicht der Handelnde bist; du führst nur einen höheren Befehl aus. Dann wirst du bei allem, was du tust, Freude empfinden, weil du einem höheren Zweck dienst – selbst wenn du während der Arbeit an einer Maschine selbst schon fast zu einer Maschine wirst. Etwas in dir verrichtet dann die Arbeit und du bist lediglich das Instrument dazu. Du erlaubst nur einer höheren Quelle, eine Erfahrung in dir und durch dich zu machen.Antwort: Nein. Ich bin gut gelaunt und sehr glücklich.
Sri Chinmoy: Das ist sehr gut. Warum versuchst du dann nicht noch einmal zu meditieren? Wenn du nicht einschlafen kannst und dich keine schlechten Gedanken quälen, kannst du auch lernen oder meine oder andere spirituelle Bücher lesen. Das Beste jedoch ist, dich auf die Meditation einzustimmen. Gott gibt dir die Gelegenheit, mehr zu meditieren. Bist du am nächsten Tag müde?
Antwort: Nun, für gewöhnlich fühle ich mich wunderbar, wenn ich am Morgen hierher komme. Aber dann fürchte ich ständig, aufgrund meiner Müdigkeit nicht so gut meditieren zu können, wie ich sollte.
Sri Chinmoy: Warum? Wenn nichts Störendes, keine störenden Gedanken vorhanden sind, solltest du sehr glücklich sein, dass du die Zeit zum Meditieren nützen kannst. Aber quäle dich nicht, indem du dir den notwendigen Schlaf verweigerst. Wenn die Müdigkeit kommt, dann lass den Schlaf zu. Kommt sie jedoch nicht, solltest du glücklich sein, dass du diese Stunden für dich nützen kannst.Ob wir nun lesen, essen, kochen oder uns unterhalten – in jedem Augenblick sollten wir fühlen, dass wir uns im Schoße Gottes, des Supreme, befinden. Ein Kind hat im Schoß der Mutter das Gefühl, vollkommen zu sein. Solange es im Schoß der Mutter ist, liegt es in der Verantwortung der Mutter, für das Kind zu sorgen. Genauso solltest du im spirituellen Leben fühlen, dass du dich im Schoß des Supreme befindest.
Niemand kann vierundzwanzig Stunden am Tag jede Sekunde meditieren. Niemand kann vierundzwanzig Stunden am Tag sagen: „Ich gebe mich hin.“ Aber wir können ständig in unserem Geist oder in unserer Vorstellung den Gedanken hegen, uns im Schoß des Supreme zu befinden. Wir brauchen es uns nur vorzustellen, und diese Vorstellung allein wird das Wunder bewirken, unsere Hingabe dauerhaft zu machen. Nur tun wir das leider nicht. Wir meditieren vielleicht eine halbe oder ganze Stunde und anschließend zehn Stunden nicht mehr. Am Abend meditieren wir dann wieder. Aber inzwischen sind sehr viele Probleme in unser Leben getreten. Wer gestattet all diesen Problemen, in unser Leben zu kommen? Wir selbst, weil wir zwischen unserer ersten und unserer zweiten Meditation einen so großen Abstand lassen. Das können wir leicht vermeiden, wenn wir fühlen können, dass wir ständig im Schoß des Supreme sitzen.In dieser Welt sollten wir immer wissen, ob unsere Wahrheit dabei hilft, Gottes Vision und Wirklichkeit zu erfüllen. Es ist sehr gut, die Wahrheit zu sagen, aber wir sollten immer auch die Auswirkungen der Wahrheit kennen. Wenn wir die Wahrheit sagen und jemand wird dadurch umgebracht, sind wir in Gottes Augen ebenso schuldig wie der Mörder.
Ich sage immer: „Sage die Wahrheit, aber bleibe in einem seelenvollen Bewusstsein. Dann wirst du wissen, was Gott von dir möchte.“ In unserem normalen Bewusstsein versuchen wir stets, auf unsere eigene Weise Freude oder Vergnügen aus der Wahrheit zu beziehen. Gebrauchen wir die Wahrheit jedoch für unsere eigenen Interessen, können wir uns große Schwierigkeiten einhandeln. Gebrauchen wir sie hingegen für Gott, wird uns Gott sofort die Weisheit geben zu wissen, wann wir den Mund aufmachen sollen und wann nicht. Wahrheit ist gut, aber in dieser begrenzten Welt sollten wir die höchste Wahrheit so sehen, wie das Göttliche, der Supreme, möchte, dass wir die Wahrheit sehen, verwirklichen und verkörpern.Wahrheit ist so schmerzhaft. Wenn wir die Wahrheit sagen, müssen wir wissen, ob wir damit das göttliche Bewusstsein in anderen erwecken oder nur größere Feindseligkeit hervorrufen. Manchmal sagen wir die Wahrheit nur um sagen zu können: „Ich weiß die Wahrheit und du solltest sie auch wissen.“ Indem wir anderen aber die Wahrheit mit dieser Einstellung an den Kopf werfen, tun wir ihnen nichts Gutes, weil sie dann wahrscheinlich nichts damit anfangen beziehungsweise nicht damit umgehen können. Sie werden die Wahrheit nicht erkennen können, sondern lediglich verletzt sein. Dann werden sie uns und sich selbst gegenüber noch feindlicher gesinnt sein. Aus Überheblichkeit und Angst werden sie sogar noch ihre kleine Chance auf Wahrheit zunichte machen. Darum lasst uns immer sehr vorsichtig sein und daran denken, dass die Welt gekränkt ist, wenn wir die Wahrheit sagen. Die Welt ist noch nicht bereit, die Wahrheit zu hören und anzunehmen. Das Einzige, was die Welt hören will, ist Anerkennung und Schmeichelei. Wahrheit ist sehr schmerzhaft.
Lügen wir hingegen, so verletzen wir natürlich Gott. Darum muss ich in Stille leben und zum lächelnden Atem der Stille werden. Und siehe da, die Welt liebt mich und Gott segnet mich! Wenn wir wirklich in der Stille leben, in reinster Stille, dann werden Liebe, Reinheit und innere Freude von allein in uns wachsen. Stille bleibt nicht allein; in der Stille liegt Freude – eine Art inneres Entzücken und innere Zuversicht. Wenn wir also in der höchsten Stille verweilen, werden die göttlichen Qualitäten, welche in der Stille liegen, von allein auch zu den Menschen in unserer Umgebung fließen. Dann wird uns die Welt zutiefst schätzen.
Wir meinen vielleicht, indem wir still bleiben, würden wir uns bloß niemanden zum Feind machen. Handelt es sich aber um wirkliche göttliche Stille, so strahlt sie innere Göttlichkeit aus. Und diese innere Göttlichkeit fließt auch zu den Menschen in unserer Umgebung. Dann werden sie uns wirklich lieben, weil sie unbewusst fühlen, dass etwas Wohltuendes von uns ausgeht. Sie werden nicht genau wissen, was es ist, aber sie werden fühlen, dass wir ihnen etwas Handfestes, Tiefgehendes und Bedeutungsvolles schenken, das sie wirklich benötigen, und unsere Gaben zutiefst schätzen.
Gott wird uns augenblicklich segnen, wenn es Ihm gelingt, unser Dasein in ein Meer der Stille zu verwandeln. Und wenn wir uns von dem Tumult, den Sorgen und dem Zaudern in der Welt befreien können, wird uns Gott abermals segnen. Im Meer der Stille wächst unser wahres göttliches Leben. Das göttliche Leben kann in jedem Menschen nur dann gedeihen, wenn er innerlich und äußerlich Stille bewahren kann. Diese Stille ist keine Totenstille. Sie wirkt äußerst dynamisch und kraftvoll, aber niemals aggressiv. Sie wirkt mit der Kraft der Seele.
Während wir etwas tun, bleiben wir innerlich ruhig und gelassen. Verbleiben wir hingegen in der Stille, so laufen wir innerlich sehr schnell, auch wenn keine äußere Bewegung stattfindet. Alles geschieht in der inneren Welt, in der Seelenwelt, in der die Stille äußerst dynamisch und erfüllend ist. Wenn wir diese Art der Stille erlangt haben, wird uns Gott natürlich segnen, weil wir die Wahrheit erkannt haben und die Wahrheit leben.From:Sri Chinmoy,Vollkommenheit und Transzendenz, The Golden Shore Verlagsges.mbH, Nürnberg, 2008
Quelle https://de.srichinmoylibrary.com/pt