Russell Wilson: Es ist unglaublich schwer, ohne spirituelle Erfüllung diese Arbeit zu verrichten.

Sri Chinmoy: Wenn man innere Ausgeglichenheit und innere Freude besitzt, kann man der Menschheit glück­lich und fröhlich dienen. Doch wenn man innerlich nur eine öde Wüste vorfindet, so ist es unmöglich, fröhlich zu geben. Wir können nur das geben, was wir besitzen. Wenn ich Freude habe, so kann ich Ihnen dienen. Doch wenn ich nichts in mir habe, das ich Ihnen geben könnte, was werden Sie dann von mir erhalten können? Ich kann Sie vielleicht ein oder zwei Tage an der Nase herumführen, doch letzten Endes werden Sie mich durchschauen und mich dann zurechtweisen. Ich kam in diese Welt, um die Welt zu lieben und um mit ihr eins zu werden. Wenn ich Ihnen diene, und Sie nehmen meinen Dienst liebevoll und herzlich an, dann erhalte ich durch Sie genauso viel Freude wie Sie durch mich. An diesem Punkt bieten sich der Gebende und der Empfangende gegenseitig dieselbe Freude an. Wenn ich Ihnen ein Lächeln schenke und Sie empfangen es mit Freude und mit Liebe, dann sind Ihre Freude und meine Freude gleich. Deswegen befinden sich der Gebende und der Em­pfangende auf derselben Stufe. Ich nehme etwas mit meiner rechten Hand und lege es in meine linke Hand; im nächsten Moment wird meine linke Hand etwas in meine rechte Hand legen. Und so gehören der Gebende und der Empfangende immer zusammen.

Wir haben heute gemeinsam meditiert. Doch Ihnen muss bewusst sein, dass ich nicht der Guru bin. Es gibt nur einen Guru, und das ist unser geliebter Höchster Herr, der Supreme. Er ist Ihr Guru, mein Guru, der Guru eines jeden Menschen. Aber es kann sein, dass ich mich auf dem besonderen Gebiet der Spiritualität ein wenig besser auskenne als Sie, genauso wie Sie sich auf dem Gebiet der Politik besser auskennen als ich. Wenn ich etwas über die Politik erfahren möchte, dann muss ich zu Ihnen gehen. Nur – ich will nichts über die Politik erfahren. Sie übersteigt mein Auffassungsvermögen.

Russell Wilson: Dann sind wir schon zwei, Guruji.

Sri Chinmoy: Ich sehe, dass in der Politik sehr viel Verwirrung herrscht, und ich versuche, der Verwirrung fern zu bleiben. Doch wir müssen auch versuchen, Erleuchtung in die Welt der Politik zu bringen. Von der Politik verstehe ich nichts, doch ich liebe die Menschen, die sich um dieses Gebiet bemühen. Aus diesem Grunde treffe ich mich mit politischen Führern und tausche mit ihnen Gedanken aus. Ich hoffe, dass meine Liebe, die ich jenen entgegenbringe, die Politik studieren, eines Tages auch in die Politik selbst eindringen wird.

Ich schrieb einen Artikel über Politik und Spiritualität, der in einer indischen Zeitschrift publiziert wurde. Darin behaupte ich, dass wir die Politik nicht ablegen können, da sie einen Zweig des Lebens darstellt. Doch wenn wir die Spiritualität in die Politik bringen können, so könnte sie eine höchst bedeutsame Rolle in der Erfüllung von Gottes Willen spielen. Wenn das Oberhaupt eines Landes spricht, so sind seine Worte enorm gewichtig, selbst wenn sein Volk das nicht gern hat. Wenn nun das Lan­des­oberhaupt die richtigen Entscheidungen trifft, so ist es imstande, seinen Landsleuten und der gesamten Welt Erleuchtung anzubieten. Wir beten zu Gott, Er möge in den politischen Führern Empfänglichkeit für Seinen Willen schaffen, damit unsere Welt ein vollkommener Garten für Gott, den Gärtner wird, den Er bewundern und schätzen kann. Wir beten und beten zu Gott, dass Er die Politiker spirituell werden lässt, damit sie der Welt stets Erleuchtung anbieten können.

From:Sri Chinmoy,Sri Chinmoy antwortet, Teil 4, The Golden Shore Verlagsges.mbH, Nürnberg, 2005
Quelle https://de.srichinmoylibrary.com/sca_4