Frage: Verfluchen sich die kosmischen Götter noch immer gegenseitig und kämpfen sie gegeneinander, so wie es in den Puranas beschrieben ist?

Sri Chinmoy: Zu dieser Zeit, vor dreitausend bis vor fünftausend Jahren, befand sich die Entwicklung auf diesem Niveau. Manchmal hörten die kosmischen Götter nicht auf den Absoluten Supreme, obwohl sie den Willen Gottes sehr gut kannten und schufen Disharmonie unter sich. Sie waren nicht bereit, sich irgendjemandem hinzugeben, nicht einmal dem Supreme. Doch die spirituellen Meister lehren uns, sich dem Willen Gottes hinzugeben. Jesus Christus lehrte uns: „Dein Wille geschehe.“ Das ist der Beweis, dass wir uns verbessert haben.

Wir müssen uns ebenfalls bewusst sein, dass sich die Welt in jenen Tagen auf einem bestimmten Bewusstseinsniveau befand und sich die kosmischen Götter ständig mit der unvollkommenen Natur der Wirklichkeit auseinander- setzen mussten. Manchmal zeigten sie Mitgefühl oder Vergebung, doch meistens zeigten sie Macht. Willkürlich benutzten sie den Machtaspekt Gottes, um ihre Überlegenheit zu demonstrieren – um andere zu besiegen und um über das menschliche Leben zu regieren. Sie kümmerten sich nicht um Gott die Schöpfung; sie waren bereit, sie innerhalb eines Augenzwinkerns zu zerstören. Doch mit Macht können wir niemanden auf Dauer besiegen; wir können jemand anderen nur für fünf Sekunden oder fünf Tage besiegen. Nur wenn wir jemanden durch die Liebe besiegen, wird unser Sieg immerwährend sein. Und Freude, die durch Überlegenheit eintritt, ist ebenso keine wahre Freude, während jene Freude, die sich durch auf Liebe gegründetes Einssein einstellt, die wahre Freude ist.

Als Amerika die Atombomben auf Nagasaki und Hiroshima warfen, ergab sich Japan. Aber gewann Amerika das Herz Japans? Liebten oder respektierten die Japaner die Amerikaner für die Zerstörung ihres Landes? Nein! Indem ich eine Bombe auf deinen Kopf werfe, kann ich dich einige Jahre lang ruhigstellen. In dieser Zeit halte ich mich für die glücklichste Person der Welt. Doch letzten Endes werde ich erkennen, dass viele Menschen schlecht von mir sprechen und ich plötzlich keine Freude mehr habe. Jeder will von anderen bewundert werden. Wirst du mich lieben und bewundern, wenn ich dich umbringe? Nein! Doch wenn ich mit geöffneten Armen auf dich zugehe und dich umarme, dann wirst du mein Freund sein wollen.

In den Puranas wurde vieles geschrieben, einfach um die Geschichten interessanter zu gestalten. Wenn wir dann das Ganze lesen, sagen wir: „Ach, diese kosmischen Götter sind genauso wie wir.“ Aber wer würde wirklich tausende von Jahren um Milch oder um Schönheit beten? Doch die kosmischen Götter waren bereit, tausende von Jahren für alles zu beten, nach dem ihnen der Sinn stand, auch für den Tod eines Anderen. Andererseits waren die tausend Jahre, von denen gesprochen wird, nicht wirklich tausend Jahre; manchmal war es gar nur ein Jahr. Doch würden wir wirklich ein Jahr lang für irgendetwas beten – sogar wenn es sich dabei um unseren allergrößten Wunsch handeln würde? Wenn wir etwas nicht über Nacht bekommen, dann sagen wir: „Ach, das ist nicht für mich bestimmt.“ Nach zwei Wochen oder zwei Monaten sagen wir: „Da keine Hoffnung mehr besteht, gebe ich auf.“ Doch die Götter machten weiter. Nicht einmal die Dämonen oder Asuras gaben sich so leicht geschlagen. Sie wollten die Götter aus dem Himmel vertreiben, so beteten und meditierten sie jahrelang mit aller Strenge. Sie sagten: „Solange wir unser Ziel nicht erreicht haben, hören wir nicht auf.“ Diese Geschichten lehren uns, dass nichts leicht errungen wird; sie lehren uns die Notwendigkeit von Geduld und Ausdauer. Ganz gleich, welchen Wunsch oder welche Strebsamkeit wir haben, sie lehren uns, nicht aufzugeben, bevor wir unser Ziel erreicht haben.

From:Sri Chinmoy,Sri Chinmoy antwortet, Teil 7, The Golden Shore Verlagsges.mbH, Nürnberg, 2006
Quelle https://de.srichinmoylibrary.com/sca_7