Frage: Da es sehr viele Menschen gibt, die sich nach Licht sehnen, frage ich mich, welche spirituellen Eigenschaften brauchen wir Schüler, um das Licht des Höchsten besser manifestieren zu können und um das spirituelle Leben mehr Menschen zugänglich zu machen?

Sri Chinmoy: Das ist eine Frage der Bereitschaft und des Fleißes jener Schüler, die an der Verbreitung und Manifestation des Lichts des Höchsten arbeiten. Einige von ihnen sind bereit und fleißig. Andere sind bereit, aber nicht fleißig und manche sind innerlich eigentlich noch nicht bereit. Die Situation ist ähnlich mit der einer Schulklasse. Einige sind sehr schlechte, andere sind sehr gute und ein paar wenige sind ausgezeichnete Schüler. Und doch befinden sich alle gemeinsam in derselben Klasse und werden vom Lehrer im selben Fach unterrichtet. Der Lehrer kann sich des Erfolges nicht sicher sein, solange nicht jeder Schüler ein ausgezeichneter Schüler ist.

Manche Schüler beteiligen sich nur aus Spaß; es gefällt ihnen, Poster aufzuhängen oder ähnliche Jobs zu erledigen. Spirituell betrachtet jedoch erkenne ich, dass sie nur ihre kostbare Zeit verschwenden. Sie dienen dem Höchsten in ihrem Guru und für diesen Dienst bin ich dankbar. Doch wenn ich ehrlich bin, muss ich sagen, ihr Bewusstsein befindet sich nicht auf einer höheren Stufe. Spirituell erhalten sie nichts, weil sie in ihren Herzen weder eine intensive Aufrichtigkeit noch eine intensive Ergebenheit fühlen. Jedes Mal, wenn du ein Poster aufhängst, musst du zwanzig oder fünfzig Menschen dort visualisieren. Für jedes Poster stelle dir fünfzig Herzen vor, die sich nach Licht sehnen und die dieses Poster sehen werden. Viele von euch arbeiten leider nur mechanisch. In Indien erhält man einige Rupees für ein paar Stunden Arbeit. Ich in meinem Fall gebe euch kein Geld; ich gebe euch meine Liebe, meine Zuneigung, meinen Segen. Doch da euren Herzen eine intensive Aufrichtigkeit fehlt, ist dieser indische Meister tief in seinem Herzen nicht mit euch zufrieden. Ihr habt eure Arbeit weder andächtig oder hingebungsvoll, noch mit einem reinen Herzen ausgeführt.

Es gibt noch viele andere Dinge, die ich bemerke. Ich sehe, wie viel Reinheit ihr in eurem Verstand, in eurem Vitalen und in eurem Herzen habt. Wenn zum Beispiel deine Gedanken unrein sind, wenn du denkst, ein anderer hätte einen besseren Job als du oder kann dem Meister näherkommen als du, ist das der Anfang vom Ende! Auch eure Inspiration muss reiner werden. Oft, wenn ihr zu einer Aktivität motiviert seid, ist eure Motivation schwer – angefüllt mit Nachlässigkeit, Routine und Gleichgültigkeit. Inspiration ist zumeist vorhanden, doch diese Inspiration muss einen auf das Ziel gerichteten Fleiß in sich tragen. Ich bemerke auch, wie viel Unsicherheit ihr in euch tragt. Während ihr arbeitet, denkt ihr: „Guru schätzt diese oder jene Person vielleicht mehr als mich.“ Wen glaubt ihr, an der Nase herumführen zu können? Mich nicht! Ihr brecht nur mein Herz.

Die Botschaft kam herab, dass sieben-, zehn- oder dreizehntausend Seelen sich innerlich nach dem Licht sehnen, das wir bei einem Friedenskonzert anbieten können. Die Stunde Gottes hat geschlagen. Doch die mir zur Verfügung stehenden Instrumente sind spirituell und innerlich weder bereit noch fleißig. Leider bin ich ein Bettler und ein Bettler hat keine Wahl. Das Göttliche in mir ist hungrig und das Göttliche in dir ist ebenfalls hungrig. Doch dem Göttlichen in uns beiden wird eine derart kleine Portion Nahrung vorgesetzt, dass unser Hunger noch nicht gestillt ist. Wie lange noch wird die Welt in diesem unstrebsamen Bewusstsein verweilen?

Diese Situation kann man mit folgender indischen Geschichte veranschaulichen: Ein König befiehlt seinen Untertanen, einen Brunnen mit Milch zu füllen. Jeder denkt bei sich: „Wenn ich Wasser anstatt Milch in den Brunnen gieße, so macht das nichts! Die anderen werden Milch hineingießen und der König wird nichts bemerken.“ Letztlich hat niemand von ihnen Milch in den Brunnen gegossen.

Man fühlt sich selbst niemals betroffen. Man ist der Meinung, der Andere sollte das Richtige tun. Doch dieser Andere existiert nicht! Jeder Handelnde ist wie das Blütenblatt einer Blume. Jedes Blütenblatt ist nur für seine eigene Schönheit zuständig; es trägt keine Verantwortung für die anderen Blütenblätter. Doch wenn die Blume schön sein und einen Wohlgeruch verströmen soll, müssen alle Blütenblätter schön und wohlduftend sein. Wenn also jedes Blütenblatt aufrichtig versucht, die erforderliche Reinheit, Schönheit und den Duft zu besitzen, dann wird die Blume vollkommen werden.

Diese Dinge sind vonnöten, um Frieden auf jene Weise herabzubringen, wie wir ihn herabbringen wollen. Andere Menschen haben eine andere Vorgehensweise, um Zuhörer zu bekommen, aber Friede spielt bei ihren Bemühungen keine Rolle. Jazzmusiker vermögen Tausende und Abertausende Menschen anzuziehen, doch ihr Standard unterscheidet sich von unserem grundlegend. Ihnen gelingt dieser Erfolg, weil sie auf einem bestimmten Bewusstseinsniveau arbeiten. Wir hingegen wollen Frieden und Göttlichkeit auf einem anderen Niveau etablieren.

From:Sri Chinmoy,Sri Chinmoy antwortet, Teil 8, The Golden Shore Verlagsges.mbH, Nürnberg, 2007
Quelle https://de.srichinmoylibrary.com/sca_8