Frage: Hier auf den Inseln Hawaiis ist die Natur so wunderschön. Hält die Schönheit der Natur die Menschen davon ab, tiefer in die Spiritualität einzutauchen?

Sri Chinmoy: Die Natur ist Gott die Mutter. Die Natur ist dazu da, den Kindern Gottes zu helfen. Wie jede andere Mutter ist auch Gott die Mutter stets bereit zu geben. Gleich was das Kind will – sei es etwas zu kauen, Bonbons, Milch oder sonst etwas - die Mutter gibt es ihm. Wenn wir den Verstand oder das Vitale gebrauchen, ist die Natur nur bezaubernd und verführerisch. Der Begriff verführerisch ist passend. Wenn wir nur auf ihre äußere Schönheit schauen, werden wir ein Opfer dieser Verführung. Wollen wir hingegen die innere Schönheit der Natur sehen und bewundern, dann müssen wir augenblicklich beten und meditieren – sei es unter einem Baum, an einem Fluss, in einem Garten oder irgendwo sonst in der Natur.

Wenn wir eine Blume betrachten, sollten wir tief nach innen tauchen. Dann müssen wir uns sogleich die Frage stellen: „Woher kommt diese Schönheit?“ Die Quelle dieser Schönheit ist Gott, nicht der Gärtner. Wenn wir beten und meditieren, schätzen wir die innere Schönheit der Blume. Legst du hingegen keinen Wert auf diese innere Schönheit, dann besitzt diese Blume lediglich eine Art Zauber, und sie kann sogar eine Art vitale Erregung in uns hervorrufen. Und hier fangen unsere Probleme an.

Hier in Hawaii könnte die Natur den Menschen eine große Hilfe sein. Die Natur ist immer bereit zu helfen. Doch die Menschen kommen nicht hierher, um zu beten und zu meditieren oder um inneres Licht oder innere Schönheit zu erfahren, sondern um die äußere Schönheit zu genießen. Dieser Ort ist also wie eine Mutter oder wie der berühmte Baum, der alle Wünsche erfüllt. Wenn du diesen Baum um die Erfüllung deiner Begierden bittest, wird er sie dir gewähren. Bittest du ihn hingegen um die Erfüllung deiner spirituellen Wünsche, wird er diese ebenfalls gewähren. Was immer du dir wünschst, wirst du bekommen.

Das gleiche gilt für den kosmischen Gott Shiva. Er ist bereit, dir alles zu geben, was du dir wünschst. Wenn du danach verlangst, jemanden töten zu können, indem du deine Hand auf seinen Kopf legst, wird er sagen: „Gut, nimm diese Macht.“ Betest du hingegen zu Shiva: „Schenke mir bitte so schnell wie möglich die Gottverwirklichung“, wird er sagen: „Gut, nimm die Verwirklichung.“ Es ist dieselbe Gottheit, die zwei so unterschiedliche Wünsche gewährt! Wir müssen also weise sein. Wenn ich um negative Dinge bitte, muss ich auch die Konsequenzen dafür tragen. Shiva wird nur sagen: „Es ist ganz allein deine Schuld. Du hast mich darum gebeten und ich habe es dir gegeben.“ Mit der Schönheit der Natur ist auch so. Es kommt darauf an, was du von dieser Schönheit willst. Wenn wir in das Herz der Schönheit eintauchen wollen, dann werden wir beten und meditieren. Wollen wir hingegen nur den Körper der Schönheit sehen und bewundern, sind wir verloren.

From:Sri Chinmoy,Sri Chinmoy antwortet, Teil 9, The Golden Shore Verlagsges.mbH, Nürnberg, 2007
Quelle https://de.srichinmoylibrary.com/sca_9