Primer

Teil I — Yoga

_Frage: Du sagst, du unterrichtest Yoga. Könntest du bitte erklären, was Yoga ist?_

Sri Chinmoy: Yoga bedeutet Vereinigung, die bewusste Vereinigung des Menschen mit Gott. Yoga ist die spirituelle Wissenschaft, die uns lehrt, wie die letzte Wirklichkeit im Leben selbst erkannt und verwirklicht werden kann.

Yoga ist die Sprache Gottes. Wenn wir mit Gott sprechen wollen, müssen wir Seine Sprache lernen.

Yoga sagt uns, dass wir und Gott je eine göttliche Eigenschaft besitzen: wir inneres Streben, und Gott Mitgefühl. Yoga ist das gemeinsame Bindeglied zwischen unserem inneren Streben und Gottes Mitgefühl.

Unser menschliches Leben ist voller Zweifel, Furcht und Frustration. Yoga hilft uns, Furcht durch unbezwingbaren Mut, Zweifel durch absolute Gewissheit und Frustration durch goldenes Gelingen zu ersetzen.

Yoga ist nichts Unnatürliches, Abnormales oder Überirdisches. Yoga ist etwas Praktisches, Natürliches und Spontanes. Im Moment wissen wir nicht, wo Gott ist und wie Er aussieht, aber durch das Üben von Yoga schauen wir Gott unmittelbar. Wie wir in der materiellen Welt Erfolg dadurch erlangen, dass wir uns in einer Tätigkeit ständig üben, so erreichen wir auch in der spirituellen Welt durch Üben von Yoga das Ziel der Ziele: Gott-Verwirklichung.

Yoga ist weder eine Philosophie noch eine Religion. Yoga umfasst sowohl Philosophie wie Religion und geht zugleich über sie hinaus. Religion und Philosophie können einen Menschen bis vor Gottes Palast bringen, aber Yoga führt den Strebenden zu Gottes Thron.

Yoga steht zu keiner Religion im Gegensatz. Der wahre Sucher, der sich der Spiritualität und dem Yoga verpflichtet hat, wird keine Schwierigkeiten haben, in seiner eigenen Religion zu bleiben. Ich habe Schüler, die Katholiken, Protestanten, Juden usw. sind. Ich rate ihnen, ihre eigene Religion nicht aufzugeben. Es ist am Anfang leichter und sicherer, bei seiner eigenen Religion zu bleiben, wenn man Yoga betreibt. Aber sobald man Gott erkennt, geht man über alle Religionen hinaus. Wenn man tief in sich geht und Gott erkennt, sieht man, dass einem das ganze Universum gehört. Und diese Erkenntnis geht über alle Religionen hinaus. Religion ist Inspiration. Yoga ist Streben. Göttlichkeit ist Vollkommenheit. Inspiration, Streben und Vollkommenheit können hier auf Erden leicht und fruchtvoll in transzendentaler Harmonie erblühen.

_Frage: Kürzlich habe ich von jemandem gelesen, der sich achtzehn Tage lang lebendig begraben ließ und danach unversehrt wieder aus dem Grab stieg. Befähigt einen die Art der Meditation, die du lehrst, mit der Zeit solche Kunststücke zu vollbringen?_

Sri Chinmoy: Meine Lehre ist keine Wunderkrämerei. Meine Aufgabe ist es, Suchenden zu helfen, zu Gott zu gelangen. Achtzehn Tage lang unter der Erde begraben zu liegen, wird uns in unserer spirituellen Suche nicht weiterhelfen. Was uns zu Gott führt, ist unsere Strebsamkeit, unser inneres, emporstrebendes Sehnen.

Wenn jemand Wunder oder übernatürliche Kunststücke vorführt, hilft er uns weder direkt noch indirekt dabei, Gott zu verwirklichen. Wir lernen von ihm höchstens, dass es für menschliche Fähigkeiten keine Grenzen gibt, sobald wir in die geheimen Bereiche kosmischer Wirklichkeiten eindringen. Meine Lehre hat mit dem Zur-Schau-Stellen solcher alberner Wunder nichts zu tun.

Wenn du wirklich Gott erkennen und verwirklichen willst, wenn du wirklich Gottes unendliches Licht, Frieden und Glückseligkeit willst, dann solltest du Tausende und Abertausende von Kilometern weit von Wunderkrämern und Wahrsagern bleiben. Wenn du glaubst, dass diese Personen dich inspirieren, dann täuschst du dich. Geh tief in dich, und du wirst entdecken, dass sie bloß deine eitle, einsichtslose und fruchtlose Neugierde geweckt haben. Neugierde ist nicht Spiritualität. Und diese Wahrsager und Wunderkrämer haben dir insgeheim und absichtlich noch etwas mehr angeboten: Versuchung. Versuchung ist der Vorbote der Zerstörung. Hier ist es, wo der göttliche Auftrag deines Lebens zu einem Ende kommt – erfolglos und unerfüllt.

Lasst uns auf der Hut sein. Ich bitte dich, die aufrichtige Meditation deines Herzens nicht mit Wahrsagerei und Wunderkrämerei zu verwechseln. Verschwende deine Zeit nicht. Deine Zeit ist wertvoll. Deine Meditation ist unbezahlbar. Der Schatz zeitloser Ewigkeit, grenzenloser Unendlichkeit und todloser Unsterblichkeit wird deine Errungenschaft sein. Warte nicht. Alles kommt zu dem, der wartet, außer der Erkenntnis, die das Heute verkörpert und der Befreiung, die sich jetzt enthüllt.

Körper-Stellungen (Hatha Yoga)

Frage: Die meisten von uns im Westen, die wir mit Yoga und Meditation nicht vertraut sind, neigen dazu, uns jemanden vorzustellen, der auf dem Kopf steht oder bestimmte Übungen macht. In was für einem Verhältnis stehen diese Übungen zur Spiritualität?

Sri Chinmoy: Viele von uns sind sehr rastlos, um nichts besser als ein Äffchen. Wir können nicht eine Sekunde still halten, ohne unruhig zu werden. Die Körperübungen und -stellungen, die man Hatha-Yoga nennt, entspannen unseren Körper und schenken unserem Verstand für kurze Zeit Frieden. Das sind jedoch nur einleitende Stadien. Sie helfen dem Suchenden, in das wahre spirituelle Leben einzutreten. Im wahren spirituellen System sind die Anfänger im Hatha Yoga wie Kindergartenschüler. Vom Kindergarten gehen wir in die Grundschule, dann in die Mittelschule und an die Universität. Den Kindergarten kann man leicht überspringen. Es gibt viele Suchende, die sich einfach hinsetzen, ihre Gedankenwelt ruhig und still machen und in die tieferen Regionen ihres Wesens eindringen, ohne je Hatha Yoga zu üben.

Diese Übungen werden uns nie Verwirklichung bringen. Nie! Sonst hätten alle Athleten der Welt Gott bereits verwirklicht – durch bloße Körperübungen. Der Körper ist notwendig. Wir brauchen einen gesunden, starken Körper, damit die Seele in und durch den Körper in der Welt handeln kann. Aber es ist töricht, vom Körper mehr zu erwarten.

Ich muss jedoch betonen, dass Hatha Yoga dem westlichen Übungssystem weit überlegen ist, wo die Übungen oft abrupt, energisch und bis zu einem gewissen Grade gewaltsam ausgeführt werden. Hatha Yoga Übungen werden ruhig und still, in meditativer Stimmung ausgeführt. Im Gegensatz zu den meisten westlichen Übungen stärken sie die Nerven und beruhigen den Verstand.

Richtiges Atmen

Frage: Könntest du ein wenig über richtiges Atmen in der Meditation sprechen?

Sri Chinmoy: Wenn man ein Anfänger ist und richtig atmen will, sollte man mit aufrechtem Rücken sitzen. Während man atmet, sollte man zuerst an Reinheit denken. Wenn man beim Einatmen bewusst oder unbewusst fühlt, dass der Atem unmittelbar von Gott kommt, von der Reinheit selbst, dann kann der Atem gereinigt werden. Wenn ihr einatmet, versucht, so langsam und so still wie nur möglich einzuatmen; ein Faden vor eurer Nase sollte sich überhaupt nicht bewegen. Wenn ihr ausatmet, versucht noch langsamer auszuatmen als ihr eingeatmet habt. Lasst, wenn möglich, eine kleine Pause zwischen dem ersten Ausatmen und dem zweiten Einatmen. Haltet, wenn möglich, euren Atem für ein paar Sekunden an. Wenn euch das schwer fällt, lasst es sein. Tut nie etwas, was euren Organen oder eurem Atemsystem schaden könnte.

Versucht jedes Mal beim Einatmen zu fühlen, dass ihr Frieden in euren Körper bringt, unendlichen Frieden. Was ist das Gegenteil von Frieden? Wir wissen es alle: Rastlosigkeit. Wenn ihr ausatmet, versucht bitte zu fühlen, dass ihr die Rastlosigkeit eures inneren und äußeren Körpers ausstoßt und auch die Rastlosigkeit, die ihr überall um euch herum seht. Wenn ihr auf diese Weise atmet, werdet ihr merken, dass die Rastlosigkeit euch verlässt. Nachdem ihr dies ein paar Mal gemacht habt, versucht bitte zu fühlen, dass ihr aus dem Universum, vom Kosmos, Stärke und Kraft einatmet. Versucht dann beim Ausatmen eure Furcht auszuatmen. Alle Furcht wird während des Ausatmens aus eurem Körper austreten. Nachdem ihr dies ein paar Mal getan habt, versucht zu fühlen, dass ihr Freude einatmet, unendliche Freude, und dass ihr Sorgen, Leiden und Melancholie ausatmet.

Was ihr beim Einatmen noch versuchen könnt, ist zu fühlen, dass ihr nicht Luft, sondern kosmische Energie einatmet. Fühlt bei jedem Atemzug, dass enorme kosmische Energie in euch eindringt und dass ihr sie dazu verwendet, euch selbst zu reinigen: euren Körper, euer Vitales, euren Verstand und euer Herz. Fühlt, dass es in eurem Körper keinen einzigen Ort gibt, der nicht vom Strom kosmischer Energie erfasst worden ist. Er fließt wie ein Fluss in euch. Wenn ihr spürt, dass euer ganzes Wesen von dieser kosmischen Energie gewaschen oder gereinigt ist, versucht ihr zu fühlen, dass ihr allen Unsinn in euch, alle ungöttlichen Gedanken, alle unreinen Taten, alle obskuren Ideen ausatmet. Fühlt, dass ihr alles aus eurem System ausatmet, das ihr ungöttlich nennt, alles, das ihr nicht als euer Eigen betrachten wollt.

Dies entspricht nicht dem traditionellen Pranayama des Yoga, das komplizierter und stärker systematisiert ist. Aber was ich euch eben erklärt habe, ist die wirksamste spirituelle Methode des Atmens. Wenn ihr diese Atemmethode übt, werdet ihr bald bemerken, dass das, was ihr tut, nicht Einbildung ist: es ist Wirklichkeit. Am Anfang müsst ihr eure Einbildungskraft benutzen, aber nach einer Weile werdet ihr sehen und fühlen, dass es nicht bloße Einbildung ist, sondern Wirklichkeit. Ihr atmet bewusst die Energie ein, die überall im Kosmos um euch herum fließt, reinigt euch dadurch und entleert euch von allem Ungöttlichem. Aber dieses Atmen muss sehr bewusst getan werden, nicht bloß mechanisch. Wenn ihr auf diese Weise jeden Tag fünf Minuten lang atmen könnt, werdet ihr sehr schnellen Fortschritt machen.

Wenn ihr ein fortgeschritteneres Stadium erreicht, solltet ihr fühlen, dass der Atem nicht nur durch eure Nase kommt und geht. Fühlt, dass ihr durch euer Herz einatmet, durch eure Augen, durch eure Nase, durch eure Poren. Gegenwärtig seid ihr noch auf das Atmen durch Nase und Mund beschränkt, aber es wird eine Zeit kommen, zu welcher ihr wissen werdet, dass jeder Teil des Körpers atmen kann. Spirituelle Meister können selbst mit geschlossenem Mund und geschlossener Nase atmen. Wenn ihr dieses spirituelle Atmen vervollkommnet habt, werdet ihr fühlen, dass alle eure Unwissenheit und Unreinheit verschwunden ist. An die Stelle der Unwissenheit und Unvollkommenheit ist etwas Neues getreten: Gottes Licht, Gottes Frieden und Gottes Kraft.

Vegetarische Ernährung

Frage: Befolgst du im Zusammenhang mit deiner Meditation bestimmte Ernährungsregeln? Ist es zum Bespiel notwendig, vegetarisch zu leben, wenn man ein spirituelles Leben führen möchte?

Sri Chinmoy: Die vegetarische Ernährung spielt im spirituellen Leben eine sehr wichtige Rolle. Reinheit ist für einen Sucher von größter Wichtigkeit. Diese Reinheit müssen wir im physischen, vitalen und mentalen Bereich etablieren. Wenn wir Fleisch und Fisch essen, dringt das aggressive, tierische Bewusstsein in uns ein. Unsere Nerven werden erregt; sie werden rastlos und aggressiv, und dies kann unsere Meditation behindern. Andererseits helfen uns die milden Eigenschaften von Früchten und Gemüse, sowohl in unser inneres wie in unser äußeres Leben Süße, Milde, Einfachheit und Reinheit zu bringen. Wenn wir vegetarisch leben, hilft das unserem inneren Wesen, seine eigene Existenz zu stärken. Innerlich beten und meditieren wir, äußerlich hilft uns die Nahrung, die wir von Mutter Erde zu uns nehmen, ebenfalls, indem sie uns nicht nur Energie, sondern auch Strebsamkeit schenkt.

Es gibt Länder auf der Erde, wo es außerordentlich kalt ist und wo die Leute es unmöglich finden, allein von Gemüse zu leben. Was können sie tun? Sie müssen Fleisch essen. Oder es gibt andere aufrichtig Suchende, deren körperliche Konstitution sehr schwach ist. Seit dem Beginn ihres Lebens haben sie Fleisch gegessen, und nun haben sie eine solche Gewohnheit entwickelt – man könnte sagen, solch eine schlechte Gewohnheit – dass sie es ohne Fleisch nicht einmal einen Tag lang aushalten würden. Einerseits haben sie ein aufrichtiges inneres Streben, aber andererseits sträubt sich ihr Körper. In solchen seltenen Fällen können auch Sucher Fleisch essen.

Viele spirituelle Sucher sind zum Schluss gelangt, dass ein Vegetarier in der Lage ist, im spirituellen Leben schnellen Fortschritt zu machen. Aber zusätzlich zu der vegetarischen Ernährung muss man beten und meditieren. Es gibt auf der Erde Millionen von Menschen die vegetarisch leben, aber es gibt keineswegs Millionen von gottverwirklichten Seelen auf der Erde. In Indien ist es Witwen verboten, Fleisch zu essen. Trotz tiefster Liebe und Hochachtung für die indischen Witwen muss ich leider gestehen, dass sie keineswegs gottverwirklichte Seelen sind. Für die Gott-Verwirklichung braucht man Strebsamkeit, ein inneres Sehnen. Wenn man Strebsamkeit besitzt, fördert die vegetarische Ernährung den Fortschritt, da die Reinheit des Körpers dem inneren Streben hilft, eindringlicher und seelenvoller zu werden. Das heißt wiederum nicht, dass man Gott nicht verwirklichen wird, wenn man kein Vegetarier ist. Jesus, Vivekananda und viele andere spirituelle Meister aßen Fleisch und sie verwirklichten Gott.

Drogen

Frage: Kann man deiner Meinung nach durch den Gebrauch gewisser Drogen das Höchste erkennen oder näher zu Gott kommen?

Sri Chinmoy: Wenn jemand glaubt, dass er durch Drogen innere oder hohe Erfahrungen macht, dann ist das seine Sache. Vielleicht wird er sagen, ich sei nicht kompetent, da ich keine Drogen genommen habe. Aber ich habe meditiert und ich habe das Höchste erkannt. Da du mich nach meiner Meinung fragst, möchte ich auf Grund meiner eigenen höchsten Verwirklichung sagen, dass der Gebrauch von Drogen falsch ist. Jene, die Drogen nehmen, schaden ihren inneren spirituellen Fähigkeiten, die von größter Wichtigkeit sind, wenn man in das Reich Gottes eintreten will.

Wenn du mich ins Meer wirfst, mich gewaltsam unter Wasser hältst und mir nicht erlaubst, an die Oberfläche zu kommen, was geschieht dann? Kurz bevor ich das Bewusstsein verliere, werde ich alles leer, alles weiß sehen. Dies ist die Art von Erfahrung, die jene Leute machen, die Drogen genommen haben. Sie erfahren etwas, doch es ist gefährlich, unnatürlich und gewaltsam. Aber wenn man betet, wenn man meditiert, wenn man in Kontemplation versunken ist, dringt man in das lebendige Bewusstsein Gottes ein. Man erkennt die wirkliche Wahrheit, fühlt die wirkliche Ekstase, sieht das wirkliche Licht. Dies ist der richtige und natürliche Weg, in Gott einzudringen. Durch den Gebrauch von Drogen und künstlichen Mitteln verneinen die Leute unbewusst, wenn nicht absichtlich, die wirkliche Wahrheit.

Ich habe ein paar Schüler in den USA und an anderen Orten. Vielleicht dreißig oder vierzig unter denen, die jetzt meine engen Schüler sind, pflegten Drogen zu nehmen. So, wie sie es damals sahen und verstanden, machten sie sehr hohe Erfahrungen. Aber irgendwie waren sie von diesen Erfahrungen nicht ganz befriedigt. Sie kamen zu mir in der Absicht, den Unterscheid zwischen ihren Drogenerlebnissen und ihren Meditationserfahrungen herauszufinden. Nach einer Weile begannen sie, durch ihre Meditation wirkliche spirituelle Erfahrungen zu machen. Sie sagen, der Unterschied zwischen Drogen- und Meditationserlebnissen sei wie der Unterschied zwischen dem Sitzen in einer Badewanne und dem Schwimmen im weiten Ozean. Wenn man sie richtig unter die Lupe nimmt, sieht man, dass die eine Art von Erfahrung ausdehnt und befreit, währenddem die andere bindet und begrenzt. Ich stelle mit tiefer Freude und Genugtuung fest, dass all diese Schüler ohne Drogen weiter machten. Sie sind sicher in der Lage, ein Urteil abzugeben, da sie Erfahrungen beider Arten gemacht haben.

All jene, die meine Schüler sein möchten, müssen Drogen, Alkohol und das Rauchen aufgeben. Im spirituellen Leben Drogen zu nehmen ist sehr schlecht, im spirituellen Leben zu trinken ist sehr schlecht und im spirituellen Leben zu rauchen ist sehr schlecht. All dies schadet den subtilen spirituellen Nerven. Ich werde niemanden dulden, der noch immer Drogen und Alkohol konsumiert; ich werde mich nicht in sein spirituelles Leben einmischen. Er wirft Gift in das Nektar-Meer. Entweder sollte man die völlige Notwendigkeit eines spirituellen Lebens spüren oder nicht zu mir kommen. Ich bin nicht für das animalische Bewusstsein bestimmt. Ich bin für das strebsame Bewusstsein bestimmt.

An alle jene, die meine Schüler werden möchten: Bitte, nehmt es ernst, geht tief in euch und schaut, ob euch dieser Pfad zusagt. Ihr steht unter keiner Verpflichtung, hierher zu kommen, aber wenn ihr wollt, so gibt es einige obligatorische Spielregeln. Es gibt spirituelle Meister, die Drogenkonsumenten akzeptieren, aber dazu habe ich von Gott keine Vollmacht erhalten. Mein Pfad ist der Pfad, den Gott für mich gewählt hat, und es ist Sein Wille, dass ich mich nur mit denen befasse, die willens sind, sich an die Entscheidungen zu halten, die ich für meinen Pfad treffe.

Wenn ihr Gott in diesem Leben erkennen, in diesem Leben verwirklichen und erfüllen wollt, wenn ihr meine Schüler sein wollt, dann müsst ihr fest in meinem Boot sitzen – im Boot, das euch seelenvoll, ergeben und stolz dem euch bestimmten Ziel, dem Ziel des Jenseits, zusteuert. Duldet keine falschen Bewegungen mehr in eurem Leben. Jeden

Augenblick müsst ihr den göttlichen Drang hegen und pflegen. Aber ihr sollt eure wertvolle Zeit nicht damit verschwenden, eurem vergangenen Leben nachzugrübeln. Was ihr getan habt, sollte euch nicht bekümmern, denn Kummer wird eure Strebsamkeit schwächen. Ich verlange von niemandem Reue. Es ist zwar wahr, dass Reue die Seele reinigt. Aber wenn ihr ständig eure Vergangenheit bereut, werdet ihr keine Zeit finden, zu streben und vorwärts zum Licht der Zukunft zu schauen! Ich möchte, dass ihr alle den Blick dem Licht zuwendet und nicht der Finsternis, in der ihr in der Vergangenheit gelebt habt. Vergangenheit ist Staub. Es ist die Zukunft, die zählt, und die Zukunft ist jetzt, in der Unmittelbarkeit des Heute. Vergesst die Vergangenheit. Nur dann kann euch die goldene Zukunft in Besitz nehmen.

Konzentration, Meditation, Kontemplation

Frage: Kannst du uns bitte den Unterschied zwischen Konzentration, Meditation und Kontemplation erklären?

Sri Chinmoy: Wenn wir uns konzentrieren, lassen wir keinen Gedanken in uns eindringen, gleich ob es ein göttlicher oder ungöttlicher, irdischer oder himmlischer, guter oder schlechter Gedanke ist. Die gesamte Aufmerksamkeit des Verstandes muss auf einen bestimmten Gegenstand oder Inhalt gerichtet werden. Wenn du dich auf ein Blütenblatt konzentrierst, dann versuche zu fühlen, dass nur du und das Blütenblatt existieren, dass es in der ganzen Welt nichts als dich und das Blütenblatt gibt. Du schaust weder vorwärts noch rückwärts, weder aufwärts noch abwärts. Du versuchst lediglich, den Gegenstand, den du im Blick hast, mit deiner gesammelten Konzentration zu durchdringen. Aber diese Konzentration ist nicht eine aggressive Art und Weise, auf eine Sache zu schauen oder in einen Gegenstand einzudringen. Nein, diese Konzentration kommt direkt vom Herzen, oder genauer, von der Seele. Wir nennen sie den unbezwingbaren Willen der Seele oder Willenskraft.

Ich höre oft, dass Suchende sagen, sie könnten sich nicht länger als fünf Minuten konzentrieren. Nach fünf Minuten bekommen sie Kopfschmerzen oder sie haben ein Gefühl, wie wenn ihr Kopf brennen würde. Warum? Weil die Kraft ihrer Konzentration vom intellektuellen – oder man kann auch sagen vom disziplinierten - Verstand kommt. Der Verstand weiß, dass er nicht umherschweifen soll – so viel Wissen besitzt er. Doch wenn der Verstand richtig, auf erleuchtete Weise, gebraucht werden soll, dann muss das Licht der Seele in ihn eindringen. Wenn das Licht der Seele in den Verstand eingedrungen ist, ist es sehr leicht, sich zwei oder drei Stunden oder so lange du willst, auf etwas zu konzentrieren. Während dieser Zeit können keine Gedanken, Zweifel oder Ängste aufkommen. Wenn dein Verstand vom Licht der Seele durchflutet ist, können keine negativen Kräfte in ihn eindringen.

Wenn du dich konzentrierst, versuche zu fühlen, dass deine Konzentrationskraft von hier, vom Herzzentrum kommt und dann zum dritten Auge hinaufgeht. Das Herzzentrum ist der Sitz der Seele. Das physische Herz ist klein, aber das spirituelle Herz – dein wirkliches Heim – ist weiter als das Universum. Wenn du nun an deine Seele denkst, mache dir kein bestimmtes Bild von ihr; versuche nicht, dir vorzustellen, wie sie wohl aussieht. Denke an sie einfach als Vertreterin Gottes, als grenzenloses Licht und grenzenlose Wonne in deinem Herzen. Das Licht kommt von deinem Herzen und geht durch dein drittes Auge zum Gegenstand, in den du dann eindringst und dich damit identifizierst. Die letzte Stufe der Konzentration besteht darin, die verborgene letzte Wahrheit im Gegenstand deiner Konzentration zu entdecken.

Was Konzentration in unserem täglichen Leben tun kann, ist unvorstellbar. Konzentration ist der sicherste Weg, um unser Ziel zu erreichen. Sei es nun Gott-Verwirklichung oder nur die Erfüllung unserer menschlichen Wünsche. Konzentration wirkt wie ein Pfeil und dringt ins Ziel ein. Derjenige, dem die Macht der Konzentration fehlt, ist nicht besser als ein Äffchen. Ein wirklich Suchender erlangt früher oder später die Macht der Konzentration, entweder durch die Gnade Gottes, durch unablässiges Üben oder durch seine Strebsamkeit. Jeder Suchende kann von sich sagen, dass er einen göttlichen Helden, einen göttlichen Krieger in sich selbst besitzt. Und wer ist dieser göttliche Krieger? Seine Konzentration.

Wenn wir uns konzentrieren, müssen wir uns auf einen bestimmten Gegenstand konzentrieren. Wenn ich mich auf einen bestimmten Schüler konzentriere, dann ist er allein in meinem Denken und nichts anderes. Er wird zum alleinigen Gegenstand meiner Aufmerksamkeit. Aber wenn wir meditieren, fühlen wir, dass wir tief in uns die Fähigkeit haben, zur selben Zeit viele zu sehen, uns mit vielen abzugeben, viele willkommen zu heißen. Wenn wir meditieren, müssen wir versuchen, unser Bewusstsein auszudehnen, um das weite Meer oder den weiten blauen Himmel zu umfassen. Wir müssen uns selbst ausweiten, wie ein Vogel seine Flügel ausbreitet. Wir müssen unser begrenztes Bewusstsein erweitern und in das Universelle Bewusstsein eingehen, wo es keine Furcht, keine Eifersucht, keinen Zweifel, sondern nur Freude, Frieden und göttliche Kraft gibt.

Wenn wir meditieren, treten wir in einen leeren, ruhigen und stillen Verstand ein. Wir gehen tief in uns und nähern uns unserer wahren Existenz – unserer Seele. Wenn wir in der Seele leben, fühlen wir, dass wir spontan meditieren. Die Oberfläche des Meeres ist voller Wellen, aber darunter ist das Meer ruhig. In der tiefsten Tiefe, am Grunde des Meeres, ist alles Stille. Wenn du anfängst zu meditieren, dann versuche zuerst, deine eigene innere Existenz zu fühlen, das heißt, den Grund des Meeres: Ruhe und Stille. Fühle, dass dein gesamtes Wesen von Frieden und Ruhe erfüllt wird.

Dann lasse die Wellen der Außenwelt an dich herankommen. Furcht, Zweifel, Sorgen – das irdische Getümmel – werden alle weggewaschen werden, weil im Innern solider Friede herrscht. Wenn du in deiner höchsten Meditation bist, kannst du vor nichts Angst haben. Dein Verstand ist reiner Frieden, reine Stille, reines Einssein. Wenn Gedanken oder Ideen hereinkommen wollen, kontrollierst du sie mit deinem inneren Frieden; so sie werden dich nicht belästigen können. Sie sind wie Fische im Meer, sie springen und schwimmen, ohne im Wasser Eindrücke zurückzulassen. Wie Vögel im Himmel hinterlassen sie keine Spur. Wenn du meditierst, fühle, dass du das Meer bist, und dass kein Tier des Meeres dir etwas anhaben kann. Fühle deinen Verstand als Himmel und dein Herz als unendlichen Ozean. Das ist Meditation.

Im Zustand der Meditation wollen wir uns allein mit Gott unterhalten. Im Augenblick spreche ich deutsch und du kannst mich verstehen, weil du gut deutsch kannst. Auf dieselbe Weise wirst du dich mit Gott unterhalten können, wenn du gut zu meditieren verstehst, denn Meditation ist die Sprache, die wir mit Gott sprechen.

Durch Konzentration werden wir zielgerichtet und durch Meditation erweitern wir unser Bewusstsein. In der Kontemplation jedoch werden wir zur Weite selbst. Wir haben die Wahrheit gesehen. Wir haben die Wahrheit gefühlt. Aber das Wichtigste ist, in die Wahrheit zu wachsen und mit der Wahrheit völlig eins zu werden. Wenn wir uns auf Gott konzentrieren, fühlen wir Ihn vielleicht unmittelbar vor oder neben uns. Wenn wir meditieren, fühlen wir auf jeden Fall Unendlichkeit, Ewigkeit und Unsterblichkeit in uns. Aber in der Kontemplation sehen wir, dass wir selbst Unendlichkeit, Ewigkeit und Unsterblichkeit sind. Kontemplation bedeutet unser bewusstes Einssein mit dem Unendlichen, Ewigen, Absoluten. In der Kontemplation entdecken wir uns selber. In unserer Kontemplation werden Schöpfer und Schöpfung eins. Wir werden eins mit dem Schöpfer und sehen das gesamte Universum in uns. Wenn wir zu diesem Zeitpunkt auf unsere eigene Existenz schauen, sehen wir kein menschliches Wesen. Wir sehen etwas wie einen Dynamo aus Licht, Frieden und Glückseligkeit.

Man sollte sich jeden Tag ein paar Minuten konzentrieren, bevor man zu meditieren beginnt. Du bist wie ein Sprinter, der das Feld freimacht – er schaut nach Hindernissen und entfernt sie. Wenn du dann meditierst, stellst du dir vor, dass du sehr schnell läufst und keine Hindernisse mehr im Weg sind. Du bist wie ein Schnellzug, ein innerer Zug, der nur an der Endstation hält. Dann, wenn du das Ziel erreichst, musst du zum Ziel werden. Dies ist die letzte Stufe: Kontemplation. Suchende, die am Beginn eines spirituellen Weges stehen, sollten mindestens einige Monate lang mit Konzentration beginnen und dann zur Meditation übergehen. Dann müssen sie einige Jahre meditieren und schließlich mit der Kontemplation beginnen.

Mantra

Frage: Könntest du bitte etwas über Mantras sagen?

Sri Chinmoy: Ein Mantra ist eine Anrufung. Es kann eine Silbe, ein Wort, ein paar Wörter oder ein Satz sein. Wenn du ein Mantra viele Male wiederholst, nennt man dies Japa.

Welchen Nutzen ziehen wir aus dem Wiederholen eines Mantras? Als ersten Gewinn erhalten wir Reinheit. Reinheit ist in unserem spirituellen Leben von größter Wichtigkeit. Ohne Reinheit gibt es keine Gewissheit im spirituellen Leben. Heute machen wir Fortschritt, und morgen fallen wir vielleicht bereits wieder dahin zurück, wo wir gestartet sind. Aber wenn wir ein Mantra wiederholen, das uns ein spiritueller Meister – und niemand sonst – gegeben hat, erhalten wir auf jeden Fall Reinheit. Und aus der Reinheit schöpfen wir Energie, reine Energie. Wenn wir reine Energie besitzen, erhalten wir noch etwas mehr: Das Gefühl universellen Einssein mit Gott selbst.

Die beste Art, ein Mantra zu wiederholen und rasch Reinheit zu erlangen, besteht in einem stufenweisen Vorgehen. Ihr kennt alle die Bedeutung von AUM, dem heiligen Namen Gottes. Wiederholt heute fünfhundert Mal ‘AUM', ‘Supreme', oder was immer für ein Mantra euch euer Meister gegeben hat. Morgen wiederholt ihr es sechshundert Mal; übermorgen siebenhundert Mal usw. bis ihr innerhalb einer Woche auf zwölfhundert kommt. Dann geht ihr jeden Tag um hundert zurück, bis ihr wieder bei fünfhundert angelangt seid. Auf diese Weise könnt ihr den Baum hinauf- und hinabklettern. Bitte fühlt beim Hinabklettern, dass ihr die Frucht durch euer Herz an die strebsamen Menschen um euch herum zu verteilen sucht.

Man kann auf zwei Arten Japa machen. Die eine Art ist hörbar, die andere lautlos. Wenn ihr ein Mantra laut wiederholt, werdet ihr physische Reinheit erhalten. Wenn ihr das Mantra lautlos wiederholt, werdet ihr Reinheit in eurer inneren Existenz erhalten. Physische Reinheit ist notwendig im spirituellen Leben, aber wenn innere Reinheit fehlt, wird der Suchende keinen Fortschritt machen. Es mag jemand äußerlich sauber und rein sein, aber innerlich denkt er vielleicht an ungöttliche, unreine Dinge. Dann fehlt ihm die innere Reinheit. Es ist deshalb besser, Japa lautlos aufzusagen und zu fühlen, dass jemand in euch, euer inneres Wesen, das Wort an eurer Stelle wiederholt.

Bitte fahrt mit dieser Übung fort, Woche um Woche, einen Monat lang. Ob ihr euren Namen ändern wollt oder nicht, die Welt wird euch einen neuen Namen geben. Sie wird euch den Namen Reinheit geben. Euer inneres Ohr wird euch die Reinheit hören lassen, und sie wird eure schönsten Vorstellungen übersteigen. In New York haben einige meiner Schüler diese Übung gemacht und machen sie immer noch. Ich muss sagen, sie haben eine beträchtliche Reinigung ihres Wesens und ihrer emotionalen Probleme erreicht.

Ohne Reinheit können unsere inneren Errungenschaften nicht permanent in unserer Natur bleiben. Wenn es euch an Reinheit fehlt, kann keine göttliche Wahrheit dauerhaft in euch bleiben. Doch wenn Reinheit da ist, werden Frieden, Licht, Seligkeit und Kraft höchst erfolgreich und fruchtbar wirken können. Je reiner ihr seid, desto näher kommt ihr zu Gott. So könnt ihr einfach durch das andächtige und seelenvolle Wiederholen eures Mantras alles erreichen – das Höchste, Gott selbst.

Teil II — Die Bedeutung eines Gurus

_Frage: Glaubst du, dass ein Suchender einen lebenden Guru braucht, um Gott zu verwirklichen?_

Sri Chinmoy: Ein lebender Guru ist nicht absolut unerlässlich, um Gott zu verwirklichen. Der erste Mensch auf Erden, der Gott verwirklichte, die allererste verwirklichte Seele, hatte keinen menschlichen Guru. Er hatte Gott allein als seinen Guru.

Wenn du jedoch einen Guru hast, erleichtert das deinen inneren spirituellen Fortschritt. Ein Guru ist dein Privatlehrer im spirituellen Leben. Zwischen einem Privatlehrer und einem gewöhnlichen Lehrer besteht ein großer Unterschied. Ein gewöhnlicher Lehrer schaut auf das Heft des Schülers und gibt ihm eine Note. Er prüft den Schüler und lässt ihn bestehen oder durchfallen. Aber der Privatlehrer ist nicht so. Er ermutigt den Schüler zu Hause und gibt ihm Anregungen, so dass er seine Prüfung bestehen kann. Auf deiner Lebensreise versucht die Unwissenheit jeden Augenblick, dich zu testen, zu prüfen und zu quälen, aber dein Privatlehrer wird dich lehren, wie du die Prüfung auf die leichteste Weise bestehen kannst. Es ist die Aufgabe des spirituellen Lehrers, den Suchenden zu inspirieren und seine Strebsamkeit zu fördern, damit er das Höchste zu Gottes auserwählter Stunde verwirklichen kann.

Für alles, was wir in dieser Welt lernen wollen, brauchen wir am Anfang einen Lehrer. Um das ABC zu lernen, brauchen wir einen Lehrer. Um höhere Mathematik zu erlernen, brauchen wir einen Lehrer. Der Lehrer mag für eine Sekunde benötigt werden, für ein Jahr, oder für viele Jahre. Es ist absurd zu glauben, man brauche für alles im Leben einen Lehrer, außer um Gott zu verwirklichen. So wie wir Lehrer für unser äußeres Wissen brauchen, um unser äußeres Wesen zu erleuchten, so brauchen wir auch einen spirituellen Meister, der uns in unserem inneren Leben hilft und führt, vor allem am Anfang. Ansonsten wird unser Fortschritt sehr langsam und ungewiss sein. Wir werden leicht schrecklich verwirrt. Wir werden hohe, erhebende Erfahrungen machen, aber wir werden ihnen nicht die ihnen gebührende Bedeutung zumessen. Zweifel kann unseren Verstand verfinstern und wir werden sagen: „Ich bin ein ganz gewöhnlicher Mensch; wie kann ich solche Erfahrungen haben? Vielleicht täusche ich mich.” Oder wir erzählen es unseren Freunden, und die sagen: „Das ist alles nur ein Hirngespinst. Lass doch das spirituelle Leben.” Aber wenn es jemanden gibt, der die Wirklichkeit kennt, wird er sagen: „Handle nicht wie ein Narr. Die Erfahrungen, die du gehabt hast, sind absolut wirklich.“ Er ermutigt den Suchenden, inspiriert ihn und gibt ihm die richtigen Erklärungen für seine Erfahrungen. Außerdem wird er in der Lage sein, den Sucher zu korrigieren, wenn er in seiner Meditation irgend etwas falsch macht.

Eine Seele tritt in einen menschlichen Körper ein und dieser Mensch vollendet sein erstes, sein zweites Lebensjahr usw. Während dieser Zeit lehren ihn seine Eltern sprechen, essen, sich zu kleiden und zu benehmen. Das Kind lernt alles von seinen Eltern; sie spielen in diesen formenden Jahren eine wichtige Rolle. Im spirituellen Leben ist es ebenso, der spirituelle Meister lehrt den Schüler auf dieselbe Weise beten, meditieren und kontemplieren. Dann, wenn der Schüler lernt, tief in sich zu gehen, kann er all das selbst tun.

Warum geht jemand an die Universität, wenn man zu Hause studieren könnte? Man tut es, weil man annimmt, von Leuten, die dieses Fach gut kennen, unterwiesen zu werden. Nun du weißt, dass es ein paar wenige – sehr, sehr wenige – wirklich weise Männer gegeben hat, die nicht an eine Universität gegangen sind. Ja, es gibt Ausnahmen. Jede Regel lässt Ausnahmen zu. Gott ist in allen, und wenn ein Sucher glaubt, keine menschliche Hilfe zu benötigen, dann ist er herzlich eingeladen, seine Fähigkeiten alleine zu testen. Aber wenn jemand weise genug ist und zu seinem Ziel laufen will, statt zu stolpern oder nur langsam zu gehen, dann kann ein Guru von beträchtlicher Hilfe sein.

Im Augenblick bin ich in London. Ich weiß, dass es New York gibt und dass ich dorthin zurück muss. Was brauche ich, um dorthin zu gelangen? Ein Flugzeug und einen Piloten. Trotz der Tatsache, dass ich weiß, dass New York existiert, kann ich nicht alleine dorthin gehen. Ebenso weißt du, dass Gott existiert. Du willst zu Gott gelangen, aber jemand muss dich dahin bringen. So, wie mich das Flugzeug nach New York bringt, muss dich jemand zum Bewusstsein Gottes bringen, das tief in dir liegt. Jemand muss dir zeigen, wie du in deine eigene Göttlichkeit hineinwachsen kannst, die Gott selbst ist.

Ein spiritueller Meister kommt mit einem Boot zu dir. Er sagt: „Komm. Wenn du ans goldene Ufer gelangen willst, werde ich dich dahin bringen. Mehr noch, wenn du einmal in meinem Boot bist, kannst du singen, tanzen, sogar schlafen, dennoch werde ich dich sicher ans Ziel bringen.“ Wenn du sagst, du brauchst keine Hilfe, wenn du allein über das Meer der Unwissenheit schwimmen willst, dann steht es dir frei. Aber wie viele Jahre, wie viele Inkarnationen wird es dauern? Nachdem du eine Zeit lang geschwommen bist, wirst du zudem möglicherweise völlig erschöpft sein, und vielleicht gar ertrinken.

Wenn jemand ein wahrer Schüler eines Meisters wird, hat er nicht das Gefühl, er und sein Meister seien zwei völlig verschiedene Wesen. Er sieht seinen Guru nicht auf der Baumkrone und sich selbst am Fuße des Baumes, ununterbrochen die Füße seines Meisters waschend. Nein! Er empfindet seinen Guru als seinen eigenen höchsten Teil. Er fühlt, dass er und sein Guru eins sind, dass der Guru der höchste und am weitesten entwickelte Teil seiner selbst ist. Daher findet es ein wahrer Schüler nicht schwierig, seinen niedrigen Teil seinem höchsten Teil unterzuordnen. Es liegt nicht unter seiner Würde, ein ergebener Schüler zu sein, weil er weiß, dass sowohl das Höchste wie das Niedrigste ganz ihm selbst gehören.

_Frage: Wie lehrt ein wahrer spiritueller Meister Meditation?_

Sri Chinmoy: Ein wahrer spiritueller Meister ist derjenige, der mit dem Höchsten untrennbar eins ist. Aufgrund dieses Einsseins kann er leicht in den Sucher eintreten, um sein Wachstum, seine Entwicklung und seine Strebsamkeit zu beobachten und alles über sein inneres und äußeres Leben zu erfahren. Dann, wenn du unter der Führung eines solchen Meisters sein willst, wird dich sein stummer Blick lehren, wie man meditiert. Der Meister braucht nicht äußerlich zu erklären, wie man meditieren soll, er braucht dir keine besondere Meditationsform und kein Mantra zu geben. Er wird einfach auf dich meditieren. Deine Seele wird in die Seele des Meisters eindringen und dir die Botschaft, das Wissen, wie du meditieren sollst, von seiner Seele mitbringen.

Äußerlich habe ich sehr wenigen Schülern eine spezifische Meditationsart gegeben. Ich habe jedoch mehrere hundert Schüler, und die meisten wissen, wie sie meditieren sollen. Wie lernen sie es? Wenn ich in den Centres oder bei öffentlichen Veranstaltungen meditiere, sehen und fühlen sie etwas in mir. Und was sieht in ihnen? Es ist ihre Seele. Ihre Seelen kommen in meine Seele und lernen von meiner Seele. Mit diesem Wissen lehren die Seelen dann Schüler, wie sie meditieren sollen.

Alle wahren spirituellen Meister lehren ihre Schüler und Be-wunderer im Stillen, wie man meditiert. Wenn ein echter spiritueller Meister meditiert, kommen Frieden, Licht und Glückseligkeit von oben herab und strömen in den aufrichtig Suchenden ein. Dann lernt er von selbst von innen her zu meditieren.

Teil III — Die Wahl eines Gurus

_Frage: Woran kann man einen spirituellen Meister erkennen?_

Sri Chinmoy: Wenn du mit einem spirituellen Meister meditierst und er dir in seiner unendlichen Güte durch seine Augen oder durch seine spirituelle Anwesenheit Licht und Frieden zeigen will, kann er das tun. Wenn ein wirklicher spiritueller Meister einen ehrlichen Sucher anblickt, fühlt der Sucher mit Sicherheit etwas in ihm. Ein gottverwirklichter Mensch oder spiritueller Meister ist nicht jemand mit Flügeln und einem Heiligenschein, an dem man ihn erkennen kann. Er ist ganz normal, nur besitzt er in seinem inneren Leben grenzenlosen Frieden, Licht und Glückseligkeit. Wenn du zu einem spirituellen Menschen kommst und etwa anderes erwartest als grenzenlosen Frieden, Licht, Glückseligkeit und Kraft, dann wirst du enttäuscht werden. Doch du musst dir auch im Klaren sein, ob du überhaupt urteilsfähig bist. Wie soll ich einen großen Arzt beurteilen? Nur ein anderer Arzt wird ihn richtig zu beurteilen wissen. Doch auch eine Krankenschwester, die ein bisschen etwas von Medizin versteht, kann einen großen Arzt viel besser beurteilen als ich. Im spirituellen Leben hat ein wirklicher Sucher mit aufrichtigem Streben und Widmung bereits ein wenig inneres Licht erlangt. Auf Gund seines inneren Strebens hat ihn Gott mit einem Quentchen Licht betraut, und mit diesem Licht kann er ohne weiteres etwas in einem wirklichen spirituellen Meister sehen und fühlen. Wenn jemand im spirituellen Leben wirklich fortgeschritten ist und auf seiner inneren Reise schnell vorwärts kommt, dann wird seine Strebsamkeit der beste Richter sein, um zu beurteilen, ob der andere, der sogenannte spirituelle Meister, echt ist oder nicht. Der beste Richter ist daher die eigene aufrichtige Strebsamkeit.

_Frage: Kannst du mir sagen, wie ich einen Meister wählen soll?_

Sri Chinmoy: Wenn du dich nach einem Meister umsiehst, dann hast du die Gelegenheit und die Fähigkeit, deinen eigenen Meister zu wählen, indem du etwas ganz einfaches tust: Schreibe die Namen aller Meister auf, die du getroffen hast, von denen du gehört oder in Büchern gelesen hast. Du findest vielleicht fünf oder sechs Namen. Nehme dann den Namen des ersten spirituellen Meisters auf der Liste und lege beim Wiederholen seines Namens deine rechte Hand auf das Herz. Wiederhole den Namen siebenmal und versuche dabei den Klang in deinem Herzen zu fühlen. Gehe die Liste durch, und versuche beim Wiederholen des Namens jedes Meisters deinen Herzschlag zu fühlen. Wenn du Freude, Wonne oder Ekstase spürst, gib dem Meister sogleich eine Note. Du musst fühlen, was für ein Art Freude du beim Wiederholen eines Namens spürst, und dann trage die Note in eine Skala ein. Wenn du beim Wiederholen des Namens eines bestimmten Meisters keine Antwort erhältst, keine Freude, keine Inspiration, dann kannst du ihm ruhig null von hundert Punkten geben. Wenn du vom Namen eines Meisters auf der Liste eine ungeheuer starke Schwingung spürst, wenn sein bloßer Name einen Schauer durch deinen Körper laufen lässt, enormes Herzklopfen von deinen Fußsohlen bis zum Scheitel auslöst, dann gib ihm fünfundneunzig oder sogar hundert Punkte. Dann weißt du zweifelsfrei, dass dies dein Meister ist. Er ist für dich bestimmt und du für ihn. Wenn er nicht in deiner Nähe ist, sondern in Indien oder sonstwo, dann musst du dorthin gehen, oder, wenn es so sein soll, werden die Umstände deinen Meister zu dir bringen. Wenn du dazu bestimmt bist, ein Schüler eines bestimmten Meisters zu werden, dann wird dich Gott zweifellos zu ihm oder ihn zu dir bringen.

Initiation

Frage: Was ist Initiation?

Sri Chinmoy: Das Sanskritwort für Initiation ist Diksha. Was bedeutet Diksha? Es bedeutet ‘geben', oder ‘das Sich-Selbst-Anerbieten.' Wenn der Meister jemanden einweiht, gibt er diesem Menschen einen Teil seines Lebensatems, und der Schüler gibt sein seelenvolles Versprechen, dass er bis zum Ende seines Lebens dem Meister völlig treu sein und ihm bedingungslos dienen werde.

Zur Zeit der Initiation legt der Guru dem individuellen Sucher und Gott ein feierliches Versprechen ab, dass er sein Bestes tun werde, um dem Suchenden in seinem spirituellen Leben zu helfen, dass er sein Herz und seine Seele darbringen werde, um den Schüler in den höchsten Bereich des Jenseits zu bringen. Der Meister sagt zu Gott: „Bis ich dieses Kind zu Dir gebracht habe, werde ich es nicht verlassen; solange soll mein Ziel nicht vorüber sein.“ Und zum Schüler sag er: „Von nun an kannst du auf mich zählen, du kannst an mich als ganz dein Eigen denken.“

Zur Zeit der Initiation nimmt der Meister all die unzähligen Unvollkommenheiten vom gegenwärtigen wie von vergangenen Leben des Schülers auf sich. Natürlich gibt es sowohl wahre und aufrichtige wie auch falsche spirituelle Meister. Hier spreche ich über die wahren Meister, die nur einen Schüler im Monat initiieren. Nachdem sie den Schüler angenommen haben, werden sie krank und leiden schrecklich, weil sie wirklich die Unvollkommenheiten des Schülers auf sich genommen haben. Dies ist wahre Einweihung. Dann gibt es wiederum spirituelle Meister, die viele Schüler einweihen können ohne zu leiden, weil sie die Fähigkeit haben, die Unvollkommenheiten ins universelle Bewusstsein zu werfen. Es gibt aber auch falsche Meister, die fünfzig, sechzig oder hundert Schüler auf einmal einweihen oder die durch einen Stellvertreter initiieren. Initiationen sind nicht wie Pillen, die zu Tausenden und Millionen auf einmal aus der Fabrik kommen. Diese Art der Masseninitiation ist eine absurde Täuschung.

Der Guru kann den Schüler auf verschiedene Weisen initiieren. Er kann die Initiation nach der indischen Tradition vollziehen, während der Schüler meditiert. Er kann ihn auch initiieren, während der Schüler schläft oder in seinem normalen Bewusstsein, jedoch ruhig und still ist. Der Guru kann den Schüler durch die Augen allein initiieren. Er blickt den Schüler an, und dieser ist augenblicklich eingeweiht, doch niemand weiß es. Ein Meister kann auch eine körperliche Initiation vollziehen, indem er auf den Kopf, das Herz oder ein anderes Körperteil des Schülers drückt. Er versucht dabei, das physische Bewusstsein spüren zu lassen, dass die Initiation stattgefunden hat. Doch gleichzeitig mit dieser äußerlichen Handlung initiiert der Guru den Schüler auf eine psychische Weise. Der Guru sieht und fühlt dabei die Seele des Schülers und wirkt auf sie ein. Die Initiation kann auch durch okkulte Prozesse vollzogen werden.

Initiation kann auch in einem Traum stattfinden. Wenn zu der Zeit kein spiritueller Meister verfügbar ist, kann Gott selbst in deinem Traum oder während deiner Meditation eine lichterfüllte, menschliche Gestalt annehmen und dich initiieren. Aber das ist sehr selten. Meistens wird die Initiation durch einen Meister vollzogen.

Meine Schüler brauchen mich nicht darum zu bitten, sie äußerlich zu initiieren, denn ich weiß, was für sie am besten ist, d.h. ich weiß, ob eine äußerliche Initiation ihren inneren Fortschritt beschleunigen wird oder nicht. Sehr häufig initiiere ich meine Schüler durch mein drittes Auge, welches nach meinem Gefühl der überzeugendste und wirksamste Weg ist. Viele Male hast du meine Augen beobachtet, wenn ich in meinem höchsten Bewusstsein bin. Zu dieser Zeit werden meine gewöhnlichen, menschlichen Augen mit meinem dritten Auge völlig eins und erhalten Licht von meinem dritten Auge. Sie empfangen vom dritten Auge unendliches Licht und nehmen es in sich auf. Dieses Licht dringt dann von meinen göttlich strahlenden Augen in die Augen des Suchers ein. Das Licht durchfließt sofort den ganzen Körper des Suchers und funkelt dort von Kopf bis Fuß. Dann sehe ich das Licht, mein eigenes Licht, das Licht Gottes, im Körper des Schülers leuchten. Mein Licht dringt in die Unwissenheit des Schülers ein, und diese Unwissenheit anerbietet ihre Dankbarkeit. Sie sagt: „Nun, da ich dein geworden bin, da du mich zu deinem Eigen gemacht hast, werde ich für immer dir gehören.“ Ich werde dafür verantwortlich, eure Unwissenheit zu erleuchten, und ihr werdet für meine Manifestation verantwortlich.

Nun, dass ich dich initiiert habe, heißt noch nicht, dass du deinerseits jemand anderen initiieren könntest. Es ist nicht dasselbe, wie wenn ich dir eine Wahrheit mitgeteilt habe, du sie jemand anderem weitersagen kannst. Oft höre ich, dass ein Meister jemanden initiiert hat, und dann hat der Schüler das Gefühl, er wisse jetzt die Wahrheit und geht hin und initiiert jemand anderen, und dieser andere geht seinerseits noch einmal zu jemand anderem – wie bei Nachkommen einer Familie. Doch diese Art der Initiation ist wertlos. Wahre Initiation muss immer von einem gottverwirklichten Meister vollzogen werden; sie kann nicht von einem Vertreter ausgeführt werden. Wenn ein Meister die spirituelle Macht hat, einen Schüler direkt auf der okkulten Ebene zu initiieren, dann ist dies in Ordnung. Aber wenn er sagt, er könne jemanden durch einen Schüler initiieren, der noch ein Anfänger ist, so ist diese Art von Initiation absurd. Wenn wir hier in den Vereinigten Staaten Leute sehen, die sagen, sie seien von ihrem spirituellen Meister in Indien beauftragt worden, andere Leute zu initiieren, dann könnt ihr sicher sein, dass dies alles andere als Initiation ist; es ist bloße Täuschung. Eine Initiation muss direkt vom Meister vollzogen werden, entweder auf der körperlichen oder auf der inneren Ebene.

Wenn der Guru einen Schüler initiiert, akzeptiert er den Schüler uneingeschränkt und bedingungslos. Selbst wenn der Schüler ihn nach der Initiation verlässt, weil er im Guru Fehler sieht, wird der Guru auf immer in und durch diesen Schüler handeln. Der Schüler kann sogar zu anderen Gurus gehen, aber der Guru, der ihn eingeweiht hat, wird diesem Sucher in der inneren Welt immer helfen. Und wenn der neue Guru vornehm genug ist, wird er dem ursprünglichen Guru erlauben, in und durch den Schüler zu wirken. Obwohl die äußere Beziehung mit dem ursprünglichen Guru abgebrochen ist und der Guru den Schüler nicht körperlich sieht, ist er spirituell dazu gezwungen, ihm zu helfen, weil er Gott, dem Höchsten, ein Versprechen gegeben hat. Selbst wenn der Schüler nicht zu einem anderen Guru geht, sondern schlicht vom Pfad der Wahrheit abfällt, muss sein ursprünglicher Guru sein Versprechen halten. Der Schüler mag für eine, zwei oder sogar für viele Inkarnationen vom spirituellen Weg abkommen, aber sein Guru wird, ganz gleich, ob er im Körper oder in den höheren Regionen lebt, den Schüler ständig beobachten und auf die Gelegenheit warten, ihm aktiv zu helfen, sobald der Schüler wieder auf den spirituellen Weg einschwenkt. Der Guru ist in Wirklichkeit ungebunden, aber bloß weil er dem Schüler und Gott im Schüler ein Versprechen gegeben hat, wartet der Guru unbeschränkt lange auf eine Gelegenheit, den Schüler ans Ziel zu bringen.

Einige meiner Schüler, die meinem Pfad einmal mit großer Aufrichtigkeit gefolgt sind, haben mich mit ebenso großer Aufrichtigkeit verlassen. Aber wenn sie in der inneren Welt meine Schüler sind, wenn ich sie bereits angenommen hatte und sie meine wirklichen Schüler waren, dann möchte ich ihnen sagen, dass ich sie nicht vergessen habe. Sie mögen eine, zwei, fünf oder sechs Inkarnationen brauchen, um zu einem strebsamen Leben zurückzukehren, aber ich werde unabhängig davon, wie lange es geht, ihnen auf ihrem Marsch zur Gott-Verwirklichung helfen.

Der hauptsächliche Zweck der Initiation ist es, die Seele zum Vorschein zu bringen. Ohne Initiation kann die Reinigung des Körpers, des Verstandes, des Herzens und des Vitalen nie vollständig sein. Ohne die Initiation kann das Höchste Ziel nie verwirklicht werden. Jene, die mir nahe stehen, haben das Aufblühen ihrer Initiation in dem Augenblick gespürt, in dem sie von ganzem Herzen ihr gesamtes Leben – Körper, Vitales, Verstand, Herz und Seele – dem Höchsten in mir gewidmet haben. Dieses Aufblühen der Initiation ist in Wirklichkeit mehr als Initiation. Es ist die Enthüllung der eigenen inneren Göttlichkeit des Schülers. In diesem Augenblick fühlen sie, dass sie und ihr Guru völlig eins geworden sind. Der Guru und der Schüler erfüllen einander gegenseitig und spüren, dass diese Erfüllung direkt von Gott kommt. Das größte Geheimnis, das der Schüler vom Guru gelernt hat, ist dies, dass er nur dann den Rest der Welt erfüllen kann, wenn er zuerst Gott erfüllt.

Wie kann der Guru Gott erfüllen? Der Guru spielt seine Rolle, indem er Unwissenheit, Unvollkommenheit, Dunkelheit, Unreinheit und Unwilligkeit vom Schüler wegnimmt und ihn treu und ergeben zum Höchsten führt. Der Schüler erfüllt Gott, indem er ständig im Boot des Gurus und in den innersten Gefilden seines Herzens bleibt, und indem er fühlt, dass er allein für die Erfüllung seines Meisters existiert. Ihn zu erfüllen, ihn zu manifestieren ist der einzige Sinn, der einzige Zweck, die einzige Bedeutung des Lebens des Schülers.

Leben in der Gesellschaft

Frage: Wie viel soll ein spiritueller Sucher, der nur an Gott interessiert ist, aber dennoch die Menschheit nicht von sich weisen will, zur Gesellschaft beitragen, und was für eine Art Beitrag sollte es sein?

Sri Chinmoy: Als erstes müssen wir das Niveau des Suchers kennen. Wenn er fühlt, dass das innere Leben, das spirituelle Leben, von größter Wichtigkeit ist, dass er ohne es nicht leben kann – wenn er von einem solchen Kaliber ist – dann muss er die meiste Zeit der Gott-Verwirklichung widmen. Sein inneres Wesen wird ihm sagen, in welchem Ausmaß er etwas zur Gesellschaft beitragen kann. Aber wenn der Suchende eben erst das ABC des spirituellen Lebens lernt, dann sollte er die Gesellschaft als etwas Wichtiges und Bedeutungsvolles in seinem Leben annehmen, als etwas, das mit seinem inneren Leben Hand in Hand geht.

Wir müssen wissen, wo der einzelne Sucher steht. Um Gott zu verwirklichen, braucht man die Gesellschaft nicht völlig zu verlassen. Wie kann man, wenn man die Gesellschaft – oder im weiteren Sinne die Menschheit – verlässt, das Göttliche hier auf Erden begründen und manifestieren? Wenn man ein wahrer Sucher ist, muss man tief in sich gehen, um zu erfahren, wie man der Gesellschaft helfen kann. Es ist sehr schön, ein Menschenfreund zu sein. Aber nur wenn der betreffende Menschenfreund tief in sich geht und die Botschaft direkt von seinem inneren Wesen erhält, wird seine Hilfe an der Menschheit von Bedeutung sein. Andernfalls, wenn er der Gesellschaft auf seine eigene Art zu helfen versucht, wird die sogenannte Hilfe, der sogenannte Beitrag, nur ein Akt der Selbsterhöhung sein, wodurch er sein eigenes Ego nährt. Jemand sagt: „Ich habe dies getan, ich habe jenes getan.“ Aber das Entscheidende ist: war ich von Gott inspiriert? War ich von Gott beauftragt? Wenn ihm seine Taten nicht von Gott, sondern von seinem eigenen Ego eingegeben worden sind, dann wird der Dienst, den er der Welt anbietet, voller Dunkelheit und Unvollkommenheit sein.

Auf der spirituellen Suche muss man weise sein. Man muss wissen, dass Gott zuerst kommt und nach Ihm die Menschheit. Wenn man zuerst zur Menschheit geht und ihr mit seiner begrenzten Fähigkeit dient, dann erfüllt man Gott in der Menschheit keineswegs. Um der Menschheit richtig zu dienen, muss man zuerst zu Gott gehen und von dort zur Menschheit. Wenn man nicht meditiert und keinen inneren Reichtum erwirbt, wenn man nichts besitzt, wie soll man dann etwas geben? Zuerst muss man erwerben und dann kann man anbieten. Auf diese Weise kann man Gott gefallen und die Menschheit erfüllen.

Die Aufgabe alter Freunde

Frage: Ist es notwendig, seine alten Freunde aufzugeben, wenn man ins spirituelle Leben eintritt, Freunde, die möglicherweise einen schlechten Einfluss haben, die man aber immer noch gern hat?

Sri Chinmoy: Wenn diese Freunde nicht strebsam sind, wenn sie dich lächerlich machen und dir ständig im Weg stehen, dann sind sie wie wirkliche Feinde. Sie zu lieben, bedeutet eine giftige Schlange zu lieben. Wenn ein Freund nicht strebsam ist, dann solltest du dir bewusst sein, dass er nicht länger dein Freund ist, und wenn du ihn dazu zwingen willst, strebsam zu sein, handelst auch du wie sein Feind. Der Freund, der nicht strebt, schläft. Du bist wach, du bist bereit zu beten und zu meditieren. Du glaubst, deinem Freund einen großen Gefallen zu tun, wenn du ihn drängst und ihm sagst: „Steh auf, steh auf, es ist Zeit zum Meditieren.“ Von deinem Standpunkt aus tust du ihm einen Gefallen, aber von seinem Standpunkt aus ist es alles andere als ein Gefallen. Du hast das Gefühl, das Richtige zu tun, aber er ist nicht bereit, dein Licht zu empfangen. Er will schlafen, und er wird dich als seinen wirklichen Feind betrachten. Du störst den erhabenen Frieden seines Schlafes, der für dich Trägheit und Tod ist. Dein Frieden ist Meditation und Gebet; sein Frieden ist lebloser Schlaf. Dein Frieden kommt von bewusster Meditation, und sein Frieden kommt von Unbewusstheit und Trägheit. Deshalb passt dein Frieden und sein Frieden nicht zusammen. Wenn du nun deine alten Freunde auf der Straße siehst, so brauchst du dein Gesicht nicht abwenden. Du kannst sie grüßen und für zwei, drei Minuten mit ihnen plaudern. Aber wenn du den Abend mit ihnen verbringst, in der Meinung, sie emporheben zu können, wenn du auf ihr Niveau hinab steigst, dann wirst du selbst davon in Mitleidenschaft gezogen. Du solltest dir bewusst sein, dass für dich die Stunde geschlagen hat. Du bist jetzt an der Reihe, und du hast auf den Willen Gottes gehört. Wenn für deine Freunde die Stunde kommt, werden auch sie hören. Aber wenn du dich für die anderen verantwortlich fühlst, überschätzt du ganz einfach deine Fähigkeit. Derjenige, der dich erweckt hat, hat auch die Fähigkeit, deine Freunde zu erwecken, wenn die Zeit für sie kommt.

Du läufst deinem Ziel entgegen. Wenn du ständig zurückschaust, um zu sehen, ob deine Freunde dir folgen, wirst du das Ziel nie erreichen. Zuerst musst du selbst das Ziel erreichen; erst dann kannst du jemand anderen ans Ziel bringen. Sonst gehst du leicht selbst verloren.

Vielleicht hast du auch Freunde, die sehr aufrichtig und gutherzig sind, jedoch keine Strebsamkeit haben. Was tun sie dann? Angenommen, du gehst in einen Laden, und der Ladenbesitzer ist sehr nett und höflich zu dir. Wirst du nun all dein Geld dort ausgeben, nur weil er nett und höflich ist, auch wenn er nichts hat, was du brauchst? Nein. Er ist nett, und du schätzt dies, und wenn du je etwas brauchst, das er in seinem Laden führt, wirst du es bei ihm kaufen. Im Moment brauchst du jedoch nichts von ihm. Auch hier kannst du mit jemandem, der nicht strebsam, auf moralischer oder physischer Ebene jedoch sehr nett zu dir ist, einige Minuten verbringen. Aber es wäre eine Torheit, stundenlang mit ihm über spirituelle Dinge zu sprechen, die ihn nicht interessieren, bloß weil du siehst, dass er aufrichtig ist. Du musst wissen, wie entwickelt der andere ist, und wie viel ihm seine Strebsamkeit von deinem spirituellen Licht zu empfangen erlaubt. Viele Leute sind sehr nett und aufrichtig, aber wenn es darum geht, eine Minute lang zu beten, sind sie überhaupt nicht interessiert. Wenn es auf ihre Strebsamkeit ankommt, sind sie nirgends.

Wenn jemand kein wirkliches, auf ein Ziel gerichtetes inneres Streben nach Licht besitzt, sollte der Suchende nicht viel Zeit mit ihm verbringen. Sonst verbringst du drei Stunden auf einer Party in einem Haus von irgendeinem Bekannten und sprichst über seine Neffen, seine Nichte, seinen Schwiegervater usw. Nun, an dieser Art von Gespräch ist nichts auszusetzen. Du kritisierst niemanden. Aber wenn du von der Party nach Hause kommst, wirst du dich verwünschen, weil du deine Zeit verschwendet hast und dein Bewusstsein gesunken ist. Was hast du den anderen gegeben? Vitale Anregung. Und was hast du im Gegenzug erhalten? Absoluten spirituellen Plunder. Diese Dinge haben keinen Wert für dein spirituelles Leben. Unnötiger gesellschaftlicher Umgang mit Leuten, die nicht nach einem spirituellen Ziel streben, ist reine Zeitverschwendung.

Aber Schüler, die zum selben Boot gehören, sollen miteinander verkehren. Sie sollen sich als Familie fühlen. Heute ist dein Streben vielleicht sehr stark, während das deines Freundes sehr schwach ist. So wirst du ihn durch deine Strebsamkeit emporheben. Morgen hast du vielleicht ein Tief und dein Freund wird dich emporheben. Selbst wenn ihr über völlig unwichtige Dinge sprecht, wirst du in dem Augenblick innerlich gestärkt werden, wo du mit denen verkehrst, die in deinem eigenen spirituellen Boot sind. Vielleicht bist du dir nicht bewusst, dass du heute Freude oder Stärke brauchst, und derjenige, mit dem du sprichst, mag sich dessen ebenso wenig bewusst sein. Aber im Geheimen spielen eure Seelen ein Spiel. Seine Seele gibt dir etwas, auch wenn du nicht weißt, dass du es brauchst, und er nicht weiß, dass er dir etwas gibt. Ich versichere dir: weil ihr beide auf demselben Pfad, auf meinem Pfad seid, sind eure Seelen mehr als willig zu geben. Darum sage ich immer: “Wenn ihr eure Brüder und Schwestern seht, solltet ihr miteinander reden und zusammen sein.” Denn ihr wisst nicht, wer etwas braucht und wer etwas geben kann.

Dies alles gilt natürlich nur für jene, die das spirituelle Leben von ganzem Herzen annehmen und für die Gott und Gott-Verwirklichung in ihrem Leben an erster Stelle kommt. Jene, die meinem Pfad nur deshalb folgen, um ein bisschen Frieden zu bekommen, ein bisschen Freude und Befriedigung, können mit ihren alten Freundschaften und Bindungen fortfahren. Aber sie müssen sich bewusst sein, dass ihr Fortschritt im spirituellen Leben zwangsläufig langsamer sein wird, weil sie jedes Mal, wenn sie ein Quentchen Frieden, Licht oder Freude erhalten, es gleich wieder verschwenden, sobald sie mit unstrebsamen Leuten verkehren. Jeder einzelne Sucher muss selbst wissen, welche Art von

Fortschritt er machen will.

Teil IV — Ehe und Familienleben

_Frage: Glaubst du, dass eine Ehe auf dem spirituellen Pfad notwendigerweise in Hindernis ist?_

Sri Chinmoy: Das hängt von der Ehe ab. Wenn jemand die Fähigkeit besitzt, an Gott zu denken, während er ein Eheleben führt, wenn seine Inspiration sehr stark und sein inneres Sehnen konstant ist, dann ist sie kein Hindernis. Aber wenn man heiratet, wird man sehr oft belastet, weil man eine ungeheure Verantwortung zu übernehmen beginnt. Man will schnell laufen, aber bewusst oder unbewusst lädt man sich verschiedene Lasten auf die Schultern. Und wenn sich ein Sprinter schwere Lasten auf seine Schultern lädt, kann er natürlich nicht sehr schnell laufen.

Wenn jedoch jemand die Herausforderung annehmen will, wenn er fühlt, „Hier auf der Erde muss ich Vollkommenheit begründen,“ was wird er tun? Der Mann wird Gott in der Frau sehen, und die Frau wird Gott im Mann sehen. Wenn ein Mensch glaubt, er müsse seine andere Hälfte mit sich nehmen, so dass seine Verwirklichung ganzheitlich und vollständig sein werde, dann ist er sicher in der Lage, sehr schnell zum Ziel zu laufen. Es gab viele spirituelle Meister, selbst Meister höchsten Ranges, die verheiratet waren. Ihre Verwirklichung war derjenigen der unverheirateten in keiner Weise unterlegen.

Es hängt alles davon ab, was Gott vom Einzelnen will. Wenn Gott will, dass du unverheiratet bleibst, dann ist das Seine Sache. Gott fühlt, dass du Ihn auf diese Weise schneller erreichst. Wenn Gott fühlt, dass dein Freund die Erfahrung des Ehelebens benötigt, dann wird auch dein Freund, wenn er der Weisung Gottes folgt, das Ziel schneller erreichen als sonst. Es gibt keine feste Regel über die Ehe. Man kann nicht sagen, dass das eheliche Leben zweifellos ein Hindernis auf dem Weg zur spirituellen Verwirklichung sei. Auch kann man nicht sagen, das das Leben eines Unverheirateten nie erfüllt werden könne. Als unverheirateter Mann führt man nicht notwendigerweise ein besseres oder reineres Leben. Nein! Er mag zwar unverheiratet sein, aber seine Gedanken bleiben vielleicht im gewöhnlichen vitalen Bereich, in den niederen Welten und er wird überhaupt keinen Fortschritt machen.

Wenn wir meditieren, wenn wir streben, werden wir Gottes Willen erfahren. Wenn es Gottes Wille ist, dann wird uns der Eintritt ins Eheleben nicht daran hindern, die Wahrheit zu verwirklichen. Aber wenn es nicht Gottes Wille ist, dann müssen wir sehr vorsichtig sein, denn wir laden uns bewusst oder unbewusst eine schwere Last auf die Schultern,

_Frage: Welchen Rat würdest du einem Mann geben, der nach seiner Familie schauen muss, wenn Meditation der einzige Weg ist, um Gott von Angesicht zu Angesicht zu sehen?_

Sri Chinmoy: An was denkt der Familienvater, wenn er früh morgens aufsteht? Er denkt an seine Familie, an die Erziehung seiner Kinder usw. Aber wenn er meditieren kann, wenn er für fünf oder zehn Minuten an Gott denken kann, bevor er diesen Gedanken erlaubt, in ihn einzudringen, bevor er sich in den Trubel des Alltags stürzt, dann werden diese wenigen Minuten für ihn eine große Wohltat sein. Ja, er trägt Verantwortung; er muss an seine ganze irdische Familie denken. Aber wer trägt die Verantwortung für das ganze Universum? Nicht er, nicht seine Familie, sondern Gott, Gott selbst.

Wenn der Familienvater auf Gott meditiert, auf Licht – denn Gott bedeutet Licht – dann kommt Licht herab. Es beginnt seine Sorgen und Ängste zu vermindern. Wenn man sich konzentriert, wird alles was man tun will, leichter. Wenn jemand große Probleme in der Familie hat, wird es ihm unmittelbar helfen, fünf oder zehn Minuten lang zu meditieren, bevor er an seine Familie denkt. Durch die Meditation werden die Schwierigkeiten, denen er sich gegenüber sieht, vermindert und ebenso wird das Licht, das er erhält, in ihm wirken. Er braucht nicht zehn oder zwölf Stunden lang zu meditieren. Er weiß, dass sein Fortschritt nicht unbedingt sehr schnell sein mag, aber langsam und stetig gewinnt er das Rennen.

Wenn du versuchst, jeden Tag Gott, den lebendigen Gott in deinen Kindern und in deinen Familienangehörigen zu fühlen, dann wirst du allmählich sehen und fühlen, wie das Licht in ihnen wirkt. Aber das machen die Leute nicht. Sie betrachten ihre Kinder als ihren Besitz, und sie glauben, sie hätten jedes Recht, sie nach ihrem eigenen süßen Willen zu formen und zu führen. Aber wenn sie fühlen können, dass sie ihre Kinder und alle Familienangehörige nur deshalb lieben, weil Gott in ihnen wohnt, wenn sie daran denken und darauf meditieren, dann tun sie das Beste für ihren eigenen Fortschritt und für den spirituellen Fortschritt ihrer Familie.

Versuche in all deinen Tätigkeiten, die Anwesenheit Gottes zu fühlen. Fühle, dass du nicht das Kind, sondern Gott in ihm nährst, während du deinem Kind zu essen gibst. Fühle, dass du, wenn du mit jemandem sprichst, zum Göttlichen in ihm sprichst. Du brauchst nicht zu deinem Altar zu gehen und mit Tränen der Hingabe auf Gott zu meditieren, wenn du in diesem Augenblick in der äußeren Welt etwas sehr Wichtiges zu tun hast. Was immer du tust, versuche bitte stets daran zu denken, dass dir die Gelegenheit dazu von Gott gegeben worden ist; vergegenwärtige dich, dass du etwas tust, das dich letztlich zu deiner Verwirklichung führt.

Sexualität

Frage: Ich habe irgendwo gelesen, dass man beim Gebrauch von sexueller Energie gleichzeitig ein gewisses Maß an spiritueller Energie aufbraucht. Ist das wahr? Wenn ja, was kann man tun, wenn man ein spirituelles Leben führen will?

Sri Chinmoy: Was du gelesen hast, ist absolut wahr. Tierisch-menschliches Leben und göttliches Leben gehen nicht und können nicht Hand in Hand gehen. Um die höchste Wahrheit zu erreichen, bedarf der Suchende der völligen Reinigung und Transformation seines niederen vitalen Bereiches. Wenn man wirkliche Freude, immerwährende Freude haben will, dann muss man über das geschlechtliche Bedürfnis hinausgehen. Wenn der Sucher mit grenzenlosem Frieden, Licht und Seligkeit überschwemmt werden will, dann muss er früher oder später das Bedürfnis nach Sexualität überwinden. Sonst werden transzendentaler Frieden, Licht und Seligkeit für ihn in weiter Ferne bleiben.

Aber man kann Gott nicht über Nacht verwirklichen. Das ist unmöglich. Du erhältst einen Universitätsabschluss nicht an einem Tag, nicht einmal in einem Jahr. Vielleicht dauert es zwanzig Jahre, bis du ans Ziel gelangst. Gott-Verwirklichung ist ein weit schwierigeres Fach. Es können zwanzig oder dreißig Jahre, ein ganzes Leben oder viele weitere Inkarnationen erforderlich sein, damit du Gott verwirklichen kannst – das hängt ganz von deiner gegenwärtigen Strebsamkeit und deinen vorangegangenen spirituellen Leben ab.

Wenn du einem Anfänger sagst, dass er sein niederes Vital-Leben, sein Sexualleben, auf einen Schlag aufgeben müsse, wird er sagen: „Unmöglich! Wie kann ich das tun?“ Wenn er das tun muss, wird er nie ins spirituelle Leben eintreten. Langsam und stetig muss er den Weg zu seinem Ziel bahnen. Wenn er zu schnell laufen will und nicht die Fähigkeit dazu hat, wird er ganz einfach auf der Strecke bleiben. Er wird auch seine begrenzte Strebsamkeit noch verlieren.

Sein Sexualleben umzuwandeln ist wie eine schlechte Gewohnheit aufzugeben, aber es ist gewöhnlich schwieriger und dauert länger. Angenommen, jemand trinkt viel. Wenn er sechs- oder siebenmal am Tag trinkt, lass ihn zuerst die Tatsache erkennen, dass dies für seine Gott-Verwirklichung schädlich ist. Dann lass ihn versuchen, weniger zu trinken. Wenn er sechsmal am Tag trinkt, lass ihn zu fünfmal übergehen. Nach ein paar Tagen soll er viermal im Tag trinken, und dann, nach einer weiteren Weile, dreimal täglich. Lass ihn allmählich seinen Wunsch nach Alkohol Schritt um Schritt verringern. In unserem gewöhnlichen Leben haben wir viele Schwächen. Wenn wir sie alle auf einmal besiegen wollen, wird der Körper sich widersetzen und zusammenbrechen. Der Körper wird sich auflehnen und wir werden in Stücke zerrissen. Um unsere Begierden langsam und stetig zu besiegen, brauchen wir einen wirklichen inneren Willen, den Willen der Seele. Wir müssen unser Sexualbedürfnis mit unserer Strebsamkeit Schritt um Schritt verringern. Es wird ein Tauziehen zwischen der Strebsamkeit und der grob-physischen Begierde, und langsam wird sich unsere Natur reinigen. Wir müssen unserem inneren Drang folgen und zum Licht laufen. Dann werden wir feststellen, dass zwischen Vergnügen und Freude ein großer Unterschied besteht. Auf Vergnügen folgt immer Frustration, und auf Frustration folgt unvermeidlich Zerstörung. Auf Freude jedoch folgt mehr Freude und immense Freude, und in der Freude werden wir wirklich erfüllt.

Wenn jemand ins spirituelle Leben eintritt und sagt: „Heute werde ich alle meine niederen Eigenschaften besiegen“, dann hält er sich selbst zum Narren. Morgen wird ihn seine körperbezogene Gedankenwelt mit Zweifeln quälen. Sein unreiner und grausamer Vital-Bereich wird versuchen, ihn auf jede Art und Weise zu bestrafen. Er wird sich miserabel fühlen. Er wird frustriert sein, und in seiner Frustration wird drohend seine eigene Zerstörung aufscheinen. Das niedere Vital-Leben muss vollständig umgewandelt sein, bevor die Gott-Verwirklichung stattfinden kann, aber ich rate meinen Schülern, es Schritt für Schritt und mit aufrichtiger Entschlossenheit zu tun.

Die Unvollkommenheiten der Welt

Frage: Warum hat Gott all dieses Elend und all diese Unglückseligkeit in der Welt geschaffen? Warum machte er den Menschen nicht schon von Anfang an vollkommen?

Sri Chinmoy: Gott hätte Seine Schöpfung mit Vollkommenheit beginnen können. Aber das war glücklicherweise oder unglücklicherweise nicht Seine Absicht. Gott wollte durch Unwissenheit zum Wissen gelangen, durch Begrenztheit zur Fülle, durch den Tod zur Unsterblichkeit. Das Elend, die Wirren, die Frustration und die Verzweiflung, durch die wir in der physischen Welt gehen, sind nichts als Erfahrungen auf unserem Weg zum letzten Ziel. Und wer macht letzten Endes diese Erfahrungen? Gott und Gott allein. Gott ist ein Göttlicher Spieler. Er spielt Sein göttliches Spiel und Er kennt das letzte Ende. Je mehr wir spielen, desto bewusster werden wir uns der Tatsache, dass wir nichts tun und nichts tun können. Wir alle sind Instrumente. Jeden Augenblick enthüllt sich Gott in und durch uns, trotz der Tatsache, dass wir zwischen uns selbst und Gott eine weite Kluft sehen und erschaffen.

Als Gott die Welt erschuf, gab Er jedem Individuum ein sehr begrenztes Maß an Freiheit. Leider haben wir diese Freiheit missbraucht. Er gab jedem Menschen begrenzte Fähigkeit. Aber wir haben diese Fähigkeit für den falschen Zweck gebraucht. Früh am Morgen wissen wir, dass wir die Zeit haben, zu tun, was immer wir wollen. Wir wissen, dass wir morgens um halb sechs Uhr zu Gott beten und seine Freude und Liebe empfangen können. Aber statt früh aufzustehen, stehen wir sehr spät auf. Was noch schlimmer ist, wir meditieren überhaupt nicht. So seht ihr, wie wir unsere begrenzte Freiheit und Fähigkeit missbrauchen. Wie wir Gottes wertvolle Anteilnahme und Sein Mitgefühl für uns missbrauchen.

Alle großen spirituellen Meister – Krishna, Buddha, Jesus usw. – verwirklichten die höchste Wahrheit. Aber als sie der Welt ihre eigenen Erkenntnisse anbieten wollten, lachte die Welt über sie. Die Wahrheit zu verwirklichen ist etwas, die Wahrheit zu manifestieren etwas anderes. Was ihre Verwirklichung anbelangte, waren sie vollkommen, aber wenn es um die Manifestation ging, wurden die meisten spirituellen Meister nicht akzeptiert. Das Erd-Bewusstsein verneinte ihren inneren Reichtum. Sogar die eigenen Schüler der Meister verrieten sie oder hörten nicht auf sie. Aber warum sträubt sich das Erd-Bewusstsein, wenn es im Begriff ist, etwas Göttliches und Erfüllendes zu erhalten? Weil es in Gebundenheit und Unwissenheit verbleiben will. Ein Kamel frisst einen Kaktus und sein Maul blutet. Aber ein paar Stunden später frisst dasselbe Kamel erneut vom Kaktus und blutet wieder.

Gott will, dass wir vollkommen und erfüllt sind, aber wenn wir tief in uns gehen, sehen wir, dass wir mit unserem Vergnügen, unseren Begierden, unserem begrenztem Bewusstsein, mit Eifersucht, Zweifel, Furcht und negativen Gedanken zufrieden sind. Menschen als solche wollen keine wirkliche Freude. Was sie wollen, ist Vergnügen und das ist etwas völlig anderes. Wie können wir Gott tadeln, wenn wir mit etwas Ungöttlichem zufrieden sind? Wie können wir sagen, dass Er uns nicht das Richtige gibt? Wir müssen wissen und fühlen, dass Gott alles für uns tut. Zu Seiner auserwählten Stunde wird Er uns die höchste Verwirklichung gewähren. Wenn wir strebsam sind und in das Höchste eingehen, ist Er es, der uns zu dem uns bestimmten Ziel bringt. Und wenn wir es nicht tun wollen, sagt Gott: „Schlaf, Mein Kind, schlaf. Deine Zeit ist noch nicht gekommen.“

Schaut umher und seht, wie viele Leute wirklich Gott wollen. Die meisten Leute finden keine fünf Minuten am Tag, um auf Gott zu meditieren. Aus Tagen werden Wochen und aus Wochen werden Monate, und sie haben nicht einmal fünf Minuten lang meditiert. Gott kommt in ihrem Leben zuletzt. Wenn jemand im Sterben liegt, rufen sie vielleicht: „Oh Gott, oh Gott, oh Gott!“ Aber wie viele Male sprechen diese Leute die Namen ihrer eigenen Kinder aus, und wie viele Male den Namen Gottes? Gott ist unser göttliches Kind! Er bringt die Botschaft der Vollkommenheit, und nicht jene, über die wir den ganzen Tag nachdenken.

In der äußeren Welt sehen wir Begrenzungen, Unvollkommenheiten, Zweifel, Furcht und Tod. Aber in der inneren Welt sehen wir Licht, Frieden, Glückseligkeit und Vollkommenheit. Wenn wir uns bewusst mit Gottes Bewusstsein identifizieren und in ihm leben, gibt es keine Unvollkommenheit. Es ist alles Vollkommenheit. Aber wenn wir nicht im Göttlichen Bewusstsein leben, sind wir natürlich der Unvollkommenheit der äußeren Welt ausgesetzt. Ein Sucher nach dem Höchsten, der im Höchsten lebt und eins mit Seinem Bewusstsein ist, sieht und fühlt, dass sein Bewusstsein und sein inneres und äußeres Leben Projektionen von Gottes ewig-transzendierender Vollkommenheit sind, die in die

vollkommene Vollkommenheit wachsen. Die Welt der Verwirklichung und der Manifestation kann nur durch unsere Strebsamkeit aufgebaut werden. Wenn es in unserem Herzen Strebsamkeit gibt, wird schlussendlich die Vollkommenheit dämmern. Nur wenn jeder Einzelne das Lied der Unendlichkeit, Ewigkeit und Unsterblichkeit singen will, kann Gott hier auf der Erde die Botschaft der Vollkommenheit verkünden. Nur wenn wir Gott als ganz unser Eigen annehmen, kann Er uns geben, was Er hat und was Er ist.

Teil V — Schüler und Center

_Frage: Warum nimmst du nicht jeden an, der dein Schüler werden will?_

Sri Chinmoy: Es gibt Meister, die sich eine große Zahl von Schülern wünschen und jeden annehmen, der ihrem Pfad folgen will. Aber ich bin sehr strikt. Ich habe kein Interesse daran, eine große Zahl von Schülern zu haben; mich interessiert allein die Aufrichtigkeit und die Strebsamkeit meiner Schüler. Ich akzeptiere auch keine Drogenabhängige, Alkoholiker oder Hippies. Nicht dass ich diese Leute nicht mag, aber sie suchen eine andere Art von Glück, als ich ihnen bieten kann. Ich habe mich selbst mit dem Hippie-Bewusstsein, mit dem Bewusstsein des Alkoholikers und des Drogenabhängigen identifiziert und weiß daher, was in ihnen steckt. Ich bezweifle ihr Streben nicht, nur hungern sie nach etwas, das ich nicht habe. Wie kann ich sie betrügen und sagen: „Kommt zu mir, und ich werde euch geben, was ihr wollt?“

Wir haben in unserem New York Centre vier oder fünf Schüler, die einst drogenabhängig waren. Sie haben mir ein Bild geschickt, und ich sagte ihnen: „Wenn ihr zwei Monate lang ohne Drogen leben könnt, werde ich euch annehmen.“ Sie taten es und haben sich nun für immer geändert. In ihrem Fall sah ich, dass ihr inneres Streben stärker war als ihr Drogenproblem, und sie haben mir bewiesen, dass ich recht hatte. Aber die meisten dieser Leute – neunundneunzig von hundert – leben in der Welt der Selbsttäuschung und der Flucht. Wir kümmern uns um die Wirklichkeit, die Gott geschaffen hat, aber sie schaffen sich unglücklicherweise ihre eigene Wirklichkeit, die völlig falsch ist.

All die Leute, die ich nicht als meine Schüler annehme, sind auch Gottes Kinder, und Gott kümmert sich um sie viel besser, als wir es uns vorstellen können. Aber ich bin nicht dazu qualifiziert, sie zu lehren. Um ganz offen zu sein: Ich bin dazu nicht fähig. Ich bin nicht kompetent, ich bin nicht bereit und ich habe keine Zeit dazu. Es gibt viele Leute, denen ich helfen kann, und ich fühle, dass meine Zeit wie die aller anderen wertvoll ist. Gott hat mich gesandt, um jenen zu helfen, die für mein Boot bestimmt sind und denen zu helfen ich in der Lage bin.

Wenn ich dich nicht annehme, dann glaube bitte nicht, dass du nicht für das spirituelle Leben bestimmt bist. Nein. Du magst enorme Strebsamkeit haben, und ich mag mit dir sehr zufrieden sein, aber als aufrichtiger Mensch muss ich dir sagen, dass du meiner Meinung nach am schnellsten vorwärts kommst, wenn du einem anderen Pfad folgst. Und Gott, der mein Vater und dein Vater ist, wird nicht mit mir zufrieden sein, wenn ich zehn Millionen Schüler annehme, die nicht in mein Boot passen, den Fortschritt von anderen im Boot verlangsamen und das Boot zum Kentern bringen. Nein! Er wird nur dann mit mir zufrieden sein, wenn ich jene mitnehme, die für mich bestimmt sind und den anderen sage, dass sie zu jemand anderem gehören. Ich gebe keine Namen von anderen Meistern, weil ich vom Schüler und vom Meister leicht missverstanden werden könnte. Aber soviel kann ich sagen: Wenn du das Gefühl habt, du bist nicht für meinen Pfad bestimmt, dann bist du sicher für einen anderen Pfad bestimmt. Viele Wege führen zum Ziel, und jeder Strebende muss einen Weg einschlagen. Jene, die nicht für meinen Pfad bestimmt sind, tun das Richtige, wenn sie einen anderen Weg gehen, und wir tun das Richtige auf unserem eigenen Weg, und zwar auf die Weise, die Gott will.

_Frage: Aber glaubst du nicht, dass es in deiner Verantwortung liegt, allen Menschen zu helfen?_

Sri Chinmoy: Ich glaube, dass es in meiner Verantwortung liegt, allen Menschen zu helfen. Aber helfen ist ein sehr großes Wort. Nur Gott kann wirklich helfen. Ich möchte dienen. Bei einigen Leuten fühle ich, dass ich ihnen auf der physischen Ebene zu Diensten sein kann. Ich bin ihr spiritueller Führer, und ich weiß, dass ich fähig sein werde, mit ihren materiellen und spirituellen Problemen fertig zu werden. Bei anderen jedoch werde ich bloß Verwirrung stiften, wenn ich mit ihnen spreche und versuche, ihnen auf der physischen Ebene zu helfen. Bei diesen Menschen habe ich das Gefühl, dass bei ihnen mein Gebet, meine Konzentration und meine Meditation wirkungsvoller sind. Du musst dir bewusst sein, dass es verschiedene Arten gibt, der Welt zu dienen. Im Himalaya-Gebirge gibt es spirituelle Meister, die in Höhlen leben und niemanden sehen. Aber durch ihre Meditation senden sie der ganzen Welt eine göttliche Schwingung zu. Hier in der physischen Welt bin ich unfähig, alle samt und sonders als meine Schüler anzunehmen. Aber jene, die ich auf der physischen Ebene nicht als meine Schüler angenommen habe, weise ich nicht zurück. Ich helfe ihnen in der inneren Welt. Ich beginne jeden Morgen um zwei Uhr früh und konzentriere mich auf die Menschheit, auf das Universum. In der inneren Welt sende ich allen meine Liebe und meinen Segen. Gott erwartet von mir, dass ich der Welt auf diese Weise helfe oder diene.

Die Pflichten eines Schülers

Frage: Was erwartet man von jemanden, der als Schüler angenommen worden ist?

Sri Chinmoy: Wenn ein Sucher mein Schüler wird, habe ich eine oder zwei Bitten an ihn. Meine innere Bitte ist, dass er strebsam sein möge. Und dann soll er treu und ergeben zu unseren Treffen kommen. Wir sind stolz auf ihn, und wir möchten, dass er unseren Stolz jeden Augenblick fühlt. Zudem erwarten wir von ihm, dass er sich unseres Stolzes würdig zeigt. Wenn ein Schüler aus unvermeidlichen Umständen nicht zu einem Treffen kommen kann, können wir ihn deswegen nicht tadeln. Aber es sollte keine beiläufigen Gründe geben – was es auch immer sei – die ihn daran hindern, ins Centre zu kommen. Er wird den Treffen nicht fernbleiben, weil er müde ist von der Arbeit oder weil er einkaufen gehen, seine Wäsche erledigen oder sein Haus putzen muss. Für die ein oder zwei Abende, an denen sich sein Centre trifft, wird ein Schüler nicht ein Abendessen mit seinen Verwandten vereinbaren oder mit seinen alten Freunden ausgehen. Nur in sehr seltenen Fällen, wenn es völlig unvermeidlich ist, wird er einem Treffen aus einem anderen Grund als Krankheit fernbleiben.

Jeder Schüler sollte fühlen, das dies sein spirituelles Heim ist, und dass es seine göttliche Pflicht und Gelegenheit ist, in diesem Heim, in diesem spirituellen Tempel zu leben. Mit all unserer Freude, all unserer Liebe, all unserem Segen, all unserer Anteilnahme möchten wir sagen, dass diese Art von Schüler unser ist und dass diese Schüler auch jedes Recht haben, uns als ihr eigen zu beanspruchen.

Sri Chinmoy Centre Treffen

Frage: Welche Art von Treffen hast du in deinen Centers?

Sri Chinmoy: Wir haben mehrere Zentren, aber meistens bin ich im New York Centre. Deshalb möchte ich über unser New York Centre sprechen, das unser Haupt-Centre ist.

An Donnerstagen kommen die Schüler in unser Centre und ich halte eine sehr hohe Meditation. Zwei Stunden lang, manchmal länger, sitzen die Schüler mir gegenüber und meditieren. Ich gehe jeweils in mein höchstes Bewusstsein und trete in sie ein. Ich trete in jede individuelle Seele ein und schaue, was die Seele von mir haben will: Frieden, Licht, Glückseligkeit. Was immer die Seele will, gebe ich ihr in tiefster Stille. Niemand spricht. Die Schüler empfangen entsprechend ihrer inneren Aufnahmefähigkeit. Einige sind sehr aufnahmefähig, andere weniger.

Auch an Sonntagen halten wir eine hohe Meditation, aber zusätzlich spreche ich noch über das spirituelle Leben, beantworte Fragen, erzähle Geschichten, lese Gedichte vor und tue noch vieles andere mehr.

Teil VI — Sauberkeit

_Frage: Ist es wichtig, dass man sich duscht, bevor man ins Centre zur Meditation kommt?_

Sri Chinmoy: Dieses Centre ist ein Ort der Reinheit. Es ist ein Tempel. Versucht bitte, so sauber und rein wie möglich hierher zu kommen. Macht es zu einer Gewohnheit, zu baden oder zu duschen und saubere Kleider anzuziehen, bevor ihr ins Centre kommt. Wenn ihr direkt von eurem Büro hierher kommen müsst und nicht heimgehen und duschen könnt, dann wascht euch bitte wenigstens gründlich. Sonst stört ihr die Meditation derjenigen, die neben euch sitzen und zieht ihr Bewusstsein herab. Wenn in Indien die Schüler ihren spirituellen Meister besuchen, nehmen sie zuerst ein Bad, unabhängig davon, wie viele Male am Tag sie zu ihm gehen. Auch wenn sie erst vor einer Stunde mit dem Baden fertig geworden sind, baden sie noch einmal. Sie fühlen, dass körperliche Sauberkeit wichtig ist, und im Grunde haben sie recht, denn es trägt zur Reinheit des Verstandes bei.

Vor ein paar Jahren wurde ich eingeladen, in der Nähe von San Francisco eine Hippie-Gemeinschaft zu besuchen. Glaubt mir, das Leben, das sie führten, war primitiver als das eines Tieres. Ihre Hütten – Gott allein weiß, wie man das bezeichnen soll – waren von allen möglichen Insekten und Würmern befallen. Es war eine unerträgliche Schwingung. Es war eine reine Qual für mich, dort hinein zu gehen. Auch in Indien leben viele Sucher in Hütten ohne moderne sanitäre Einrichtungen. Aber sie erhalten sich einen Sinn für Sauberkeit. Dreimal am Tag gehen sie in den Dorfteich baden. Aber hier gibt es viele sogenannte Sucher, die nicht einmal im Monat ein Bad nehmen. Unvorstellbar!

Wir wissen alle, dass es auf dem spirituellen Pfad einige gibt, die ein asketisches Leben führen wollen. Dies ist überhaupt nicht notwendig, aber sie haben das Gefühl, es helfe ihnen, Fortschritt zu machen. Askese bedeutet jedoch nicht, den Körper zu quälen und die Gesellschaft zu ignorieren. Gegen den menschlichen Fortschritt und die Zivilisation zu kämpfen ist nicht Askese, sondern widernatürliche Selbstgefälligkeit. Diese Art Leben ist ganz und gar nicht spirituell. Die Leute, die in Kommunen leben wie jene, die ich besucht habe, reden über die Freiheit, auf ihre eigene Art zu leben. Aber die Freiheit, die mich zum Tierreich zurückbringt, ist keine wirkliche Freiheit, sondern Bindung und Unwissenheit. Die Freiheit, die mich zu unendlichem Frieden, Licht und Glückseligkeit führt, ist die wirkliche Freiheit.

Sauberkeit und Göttlichkeit liegen eng beisammen. Daran glaube ich. Jeden Tag solltet ihr euch duschen oder baden, auch wenn ihr nicht ins Centre kommt. Das heißt nicht, das ihr rein sein werdet, wenn ihr die ganze Zeit im Wasser bleibt. Nein, ein Fisch ist nicht reiner als wir. Ein Schwimmer ist nicht notwendigerweise reiner als wir, auch wenn er viel im Wasser ist. Das Entscheidende ist das Bewusstsein. Aber für die Reinigung des Bewusstseins ist die Reinigung des Körpers absolut notwendig. Wenn die Reinheit in unserer Natur nicht gefestigt ist, kann die göttliche Kraft nicht permanent in uns bleiben. Wenn die Reinheit von der Spiritualität weggenommen wird, bleibt nichts mehr übrig. In der physischen Reinheit kann die göttliche Kraft am machtvollsten und erfolgreichsten handeln und auf ewig währen.

Es gibt spirituelle Gestalten, die den Körper vernachlässigen. Sie kümmern sich nicht um körperliche Sauberkeit. Aber auf meinem Pfad glauben wir, dass das äußere und das innere Leben zusammen gehen müssen. Wir kümmern uns um das Physische, weil wir wissen, dass die Erfüllung der göttlichen Mission nur in dieser physischen Welt stattfinden kann. Wenn wir das äußere Leben ignorieren, bleiben wir unvollkommen. Wenn wir das innere Leben ignorieren, haben wir nichts anzubieten. Das innere und das äußere Leben müssen zusammengehen.

Wenn ihr euch duscht und dann Kleidung tragt, die nicht frisch und gewaschen ist, werdet ihr euch nicht sauber fühlen. Ihr werdet ein ungutes Gefühl haben, und euer inneres Streben wird abflauen. Wenn jemand anderer Meinung ist, dann, würde ich behaupten, täuscht er sich selbst. Das gleiche ist, wenn ihr nagelneue Kleidung anzieht und nicht duscht. Auch hier werdet ihr euch nicht sauber und wohl fühlen.

Wir können sagen, dass das Duschen die äußere Reinheit darstellt. Wir sehen, dass das Äußere dem Inneren helfen kann, dass es unserem inneren Wesen, unserem Bewusstsein, helfen kann, wenn wir frische Kleidung tragen. In unserem Leben, das wir ganz dem inneren Streben widmen, müssen das Äußere und das Innere zusammengehen. Wenn ich vom Äußeren ein bisschen Hilfe bekommen kann, werde ich sie annehmen, wenn ich weise bin. Wenn mir das Innere tausend Euro und das Äußere einen Euro geben kann, dann habe ich tausendundeinen Euro – falls ich die Hilfe von beiden annehme – währenddem ein anderer nur tausend Euro haben wird.

_Frage: Für Frauen ist es manchmal sehr umständlich, die Haare jeden Tag zu waschen. Ist es notwendig, die Haare zu waschen, bevor man zur Meditation ins Centre kommt?_

Sri Chinmoy: Es ist meine wärmste Bitte an alle meine Schülerinnen ohne Ausnahme, ihren Haaren mehr Aufmerksamkeit zu schenken, sowohl in Bezug auf Sauberkeit wie auf nettes Aussehen. Auch wenn die Haare lang sind, sollten sie oft gewaschen werden. Das Haar braucht Wasser, Wasser bedeutet in der spirituellen Welt Bewusstsein und ist auch, wie ihr wisst, ein äußeres Reinigungsmittel. Wenn ihr wollt, dass euer ganzer Körper mit göttlichem Bewusstsein durchflutet wird, dann müsst ihr dem Haar Wasser geben. Wasser ist ein lebensspendendes Element und selbst das Haar braucht Leben. Es gibt Kosmetiker und Chemiker, die sagen, es sei nicht gut, die Haare jeden Tag mit Wasser und Seife zu waschen, da es dem Haar schade. Aber Wasser wird eurem Haar nie, nie schaden. Ich möchte deshalb, dass ihr alle eure Haare jeden Tag wascht. Wenn ihr euere Haare nicht durch und durch waschen wollt, dann nehmt zumindest jeden Tag ein wenig Wasser und besprüht damit eure Haare. Das Haar braucht etwas Leben vom Wasser. Auch Öl ist gut für das Haar. Wenn ihr euere Haare einölt, wird es eurem ganzen Körper sofort eine subtile, wellenartigen Schwingung geben. Ihr reibt das Öl nur ins Haar, aber die Schwingung – ein lebendiger Rhythmus – wird vom ganzen Körper gefühlt werden. Wenn ihr eure Haare jeden Tag einölt, werdet ihr auch eher geneigt sein, es jeden Tag zu waschen. Haare ohne jegliches Öl verleihen eine Schwingung, die ich nur als wild beschreiben kann, selbst wenn es sauber ist und nett aussieht.

Teil VII — Kurze Haare und Bärte

_Frage: Warum verlangst du von deinen männlichen Schülern, ihre Haare kurz zu schneiden und keine Bärte zu tragen?_

Sri Chinmoy: Mein inneres Gefühl sagt mir, dass Männer frischer, schöner und attraktiver aussehen, wenn sie kurze Haare haben. Die Schwingungen, die ich von ihnen erhalte, sind sehr viel besser, wenn sie kurze Haare haben als wenn sie lange Haare haben. Auch kommen ihre männlichen, ihre dynamischen Eigenschaften unmittelbar zum Vorschein, wenn ihr Haar kurz ist.

Wenn ich in die Seele schaue, sehe ich, dass es für einen Mann völlig unnötig ist, sich lange Haare wachsen zu lassen. Bei Frauen ist es in Ordnung. Männer und Frauen haben verschiedene Seeleneigenschaften, die sie manifestieren müssen. Wenn ihr jemanden anschaut, dann sollte euch sein Aussehen sofort das Gefühl geben, dass es ein Mann oder eine Frau ist. Mann und Frau sind wie die linke und die rechte Hand. Die rechte Hand sollte die Rolle der rechten Hand und die linke Hand sollte die Rolle der linken Hand spielen. Als ich einige meiner Schüler zum ersten Mal sah, konnte ich mit meinen menschlichen Augen nicht sofort erkennen, ob sie Männer oder Frauen waren.

Wenn Männer langes Haar haben, waschen sie es oft nicht oder halten es nicht in Ordnung. In dieser Beziehung sind Frauen im allgemeinen besser. Dann, wenn andere neben jemandem mit schmutzigem oder ungekämmtem Haar sitzen, fühlen diese sich unwohl; es stört ihre Meditation. Auch wenn jemand einen so großen Bart hat, dass er sein ganzes Gesicht verdunkelt, erhalten die Leute, die neben ihm zu meditieren versuchen, eine Art unnatürliche Schwingung von ihm – auch wenn er sich dessen nicht bewusst ist. Sie haben das Gefühl, dass er sie absichtlich störe. Er mag der Meinung sein, dass es sein Gesicht sei und dass er sich einen Bart oder lange Haare wachsen lassen könne, wenn er wolle; aber was für ein Recht hat er, Probleme für andere zu schaffen? Er sagt vielleicht: „Es geht dich nichts an, ob ich lange Haare habe. Schließlich ist es mein Leben. Ich bin für mich selbst verantwortlich.“ Wenn er sagt, er folge keinem Meister und meditiere für sich selbst, dann kann er natürlich tun, was er will. Aber wenn er einem Meister folgt und dieser Meister noch andere spirituelle Kinder hat, dann braucht es etwas Disziplin, damit die Schüler einander inspirieren können. Der Meister kann dann nicht jedem Schüler erlauben, all seinen Neigungen zu folgen.

Ein Sucher sehnt sich nach seiner eigenen Rettung und stört dabei doch bewusst oder unbewusst die sehr geringen Möglichkeiten oder Fähigkeiten seiner Mitmenschen. Wir sind in die Welt gekommen, um Gott zu lieben. Wenn wir wirklich Gott lieben, dann lieben wir auch die Menschheit. Wenn wir unsere Brüder und Schwestern lieben, dann wollen wir ihnen wenigstens insofern helfen, als wir ihre Strebsamkeit nicht beeinträchtigen. Wenn wir mit einem kleinen Opfer anderen helfen können, sollten wir das tun. Meine Philosophie ist Liebe, meine Philosophie ist Ergebenheit, meine Philosophie ist Selbsthingabe. Natürlich ist meine Philosophie nicht für jedermann geeignet.

Ich bestehe absolut auf kurzen Haaren für meine männlichen Schüler. In seltenen Fällen mache ich bei Bärten eine Ausnahme. Aber ich muss meinen Prinzipien treu sein, denn sie basieren auf meiner eigenen inneren Verwirklichung. Wenn ich weiß, dass auf einem bestimmten Pfad ein Tiger lauert, dann werde ich diesen Pfad nicht nehmen und auch denen, die ich liebe, raten, diesen Pfad zu meiden. Aber wenn jemand anders den Tiger nicht sieht und nicht daran glaubt, dass dort ein Tiger lauert, dann geht er auf diesem Pfad weiter. Es gibt viele Meister, die langes Haar billigen, und es steht euch vollkommen frei, ihnen zu folgen. Aber wenn ihr meinem Pfad folgen wollt, dann wisst ihr nun, was ich will. Ich brauchte überhaupt keine Rechtfertigungen abzugeben, aber ich erkläre euch meine Gründe, damit euer Verstand versteht und befriedigt ist.

Wenn jemand mit der Bitte zu mir kommt: „Bitte hilf mir, Gott zu verwirklichen“, dann nehme ich an, dass dieser Mensch weiß, dass er selbst nicht in der Lage gewesen ist, dies alleine zu erreichen. Während Tausenden von Jahren hat er versucht, Gott zu verwirklichen. Ich sage ihm im Inneren: „Du bittest mich um etwas sehr Hohes, sehr Tiefes und sehr Bedeutsames. Es ist sehr schwierig, aber ich werde dir helfen. Ich nehme die Herausforderung an.“ Nun, da ich ihm einen Gefallen tue, bitte ich auch ihn, mir einen Gefallen zu tun. Was er sich von mir erbittet, ist eine lebenslange, äußerst schwierige Aufgabe. Den kleinen Gefallen, den ich mir von ihm erbitte, ist sehr leicht zu erfüllen. Er braucht nur ein paar Minuten, seine Haare zu schneiden und seinen Bart zu rasieren. Wenn er mir nicht einmal einen so kleinen Gefallen tun kann, warum sollte ich dann mein Leben damit verbringen, ihn zufriedenzustellen? Und was wird geschehen, wenn ich ihn bitte, eine wirklich strenge spirituelle Disziplin zu befolgen?

Ein aufrichtiger spiritueller Sucher wird sich aus seinem Bart und seinen langen Haaren nicht mehr machen als aus Gott. Wenn der Meister ihm Freude gibt, wenn er fühlt, dass dieser Meister für ihn bestimmt ist und fähig sein wird, ihn zu Gott zu bringen, dann wird er seine Haare und seinen Bart gerne aufgeben.

Fortschritt im spirituellen Leben ist eine Sache des Annehmens. Der Meister muss den Schüler annehmen und der Schüler muss den Meister annehmen. Der Meister ist jemand, in den ihr all euren Glauben setzen könnt. Es sollte für euch fraglos sein, dass er es besser weiß als ihr. Sonst sagt der Meister heute etwas und es gefällt euch nicht. Morgen sagt er etwas anderes, und auch dann werdet ihr etwas auszusetzen finden. Auf diese Weise werdet ihr überhaupt keinen Fortschritt machen. Ihr müsst mit Glauben beginnen und dürft euren fragenden und zweifelnden Verstand nicht mit eurem Leben der Strebsamkeit in Konflikt kommen lassen.

Es gibt keinen Unterschied zwischen dem Willen des Meisters und dem Ziel. In seinem Willen selbst ist das Ziel, und das Ziel ist sein göttlicher Wille. Der Meister hat das Höchste verwirklicht. Wenn jemand zu einem Teil des Höchsten werden will, dann wird ihm der Meister sagen, was er am besten tun soll. Der Meister ist nicht nur ein Mensch, sonder der Stellvertreter Gottes, des Supreme. Gott ist dein Meister; Gott ist sein Meister; Gott ist der Meister von uns allen.

_Frage: Aber Jesus Christus hatte lange Haare._

Sri Chinmoy: Wenn ich Jesus sehe, werde ich zu ihm laufen und seine Füße berühren. Aber wenn ich das Bewusstsein sehe, das mir einige Hippies von heute darbieten, werde ich kurzum weglaufen. Jesus strahlte förmlich vor göttlichem, spirituellem Licht, was man von euch leider nicht sagen kann. Auch waren zu Zeiten Christi lange Haare die Norm für Männer. Heute sind sehr lange Haare bei Männern sehr oft ein Zeichen der sozialen Unzufriedenheit und der Rebellion. Sogar der sauberste, netteste und freundlichste junge Mann wird unbewusst Arroganz und Rebellion in seinem Bewusstsein beherbergen, wenn er sehr lange Haare hat. Es ist erübrigt sich zu sagen, dass diese Eigenschaften seinen spirituellen Fortschritt ernsthaft behindern werden. In Indien werdet ihr vielen spirituellen Meistern mit langen Haaren begegnen. Aber schaut in ihre Augen und seht, was für eine Schwingung von ihnen ausgeht. Ihre Augen glühen von innerem Frieden, von Reinheit und innerem Licht. Dann schaut euch die Hippies mit langen Haaren an! In den meisten Fällen verbreiten sie überall um sich herum nur Furcht und Abscheu. In den spirituellen Meistern werdet ihr überwältigende Reinheit sehen, aber in diesen Hippies werdet ihr die perfekte Verkörperung von innerer Unreinheit und äußerer Unsauberkeit sehen. Ihr müsst erkennen, dass die Länge eurer Haare euch nicht mit Christus vergleichbar macht. Das Bewusstsein ist das Entscheidende.

_Frage: Warum tragen deine Schülerinnen Saris und deine Schüler weiße Kleidung?_

Sri Chinmoy: Ihr habt bemerkt, dass einige meiner Schülerinnen, die mich von ganzem Herzen angenommen haben, Saris tragen. Nun fragt ihr mich: “Warum tun sie das? Warum hast du sie in indische Frauen verwandelt?” Glaubt mir, ich habe sie nicht in Inderinnen verwandelt. Ich wurde zwar in Indien geboren, aber ich bin ein Kosmopolit. Ich bin Gottes Kind. Im spirituellen Leben müssen wir sehr, sehr weise sein. Damit meine ich, dass ihr etwas mit Freude annehmen solltet, wenn es eurem inneren Streben hilft. Auch wenn es eurer Strebsamkeit nur einen Tropfen hinzufügt, solltet ihr es tun, wenn es in eurer Macht liegt.

Gott-Verwirklichung hängt nicht davon ab, ob ihr einen Sari tragt. Nein. Wenn sie davon abhinge, wären alle indischen Frauen gottverwirklichte Seelen. Aber wenn ihr einen Sari tragt anstatt Hosen oder enge, unbescheidene Kleidung, wie sie die meisten westlichen Frauen tragen, dann werden die göttlichen weiblichen Eigenschaften in Form vom Bescheidenheit, Demut, Reinheit und Göttlichkeit automatisch in euch zum Vorschein kommen. Ihr mögt sagen, dass ihr in eurem Bewusstsein nichts Falsches feststellen könnt, wenn ihr westliche Kleider tragt, aber da habt ihr Unrecht. Ihr schenkt dem riesigen Unterschied einfach keine Beachtung.

Neunundneunzig Prozent eurer Verwirklichung wird von eurer Strebsamkeit abhängen. Aber wenn ihr das eine Prozent durch das Tragen eines Saris gewinnen könnt, dann solltet ihr es tun. Wenn ihr hingegen sagt: „Nein, ich will keinen Sari tragen. Das würde meine Eltern verwirren und meine Freunde würden sich über mich lustig machen,“ dann braucht ihr keinen Sari zu tragen. Ihr steht unter keiner Verpflichtung. Ich brauche eure Strebsamkeit, nicht eure Saris.

Wenn ihr westliche Kleider tragen wollt, dann kleidet euch bitte bescheiden. Die Röcke sollten nicht über dem Knie enden und wenn ihr Hosen tragen müsst, sollten sie weit sein, nicht eng. Wenn ihr mich noch weiter zufriedenstellen wollt, werdet ihr langärmlige oder kurzärmlige Blusen und Pullover tragen und keine ärmellosen. Wenn ihr dies alles tut, werdet ihr nicht nur euer eigenes Bewusstsein reinigen und vergöttlichen, sondern auch denen ein göttliches Bewusstsein vermitteln, die euch anschauen.

Nun zu den Männern. Ich habe meine männlichen Schüler gebeten, wann immer sie können, weiße Hosen und weiße Hemden zu tragen. Wir wissen, dass Weiß in der spirituellen Welt Reinheit verkörpert. Reinheit ist das Bewusstsein der göttlichen Mutter. Gott ist eins; aber in der weiblichen Form ist Er die Mutter, und in der männlichen Form ist Er der Vater. Wenn Männer weiße Kleidung tragen, dann kommt ihre Reinheit unmittelbar zum Vorschein.

Männer und Frauen haben beide ihre eigenen besonders guten Eigenschaften und ihre besonderen Schwächen. Was jeder Mann braucht, ist Reinheit in vollstem Maße. Es gibt keinen einzigen Mann, der sagen kann, er brauche keine Reinheit. Wenn ihr heute einen dunklen oder farbigen Anzug tragt und morgen einen weißen, werdet ihr den Unterschied bemerken. Wenn ihr Weiß tragt, fühlt ihr die innere Botschaft der Reinheit. Wenn ihr Reinheit besitzt, könnt ihr die Strebsamkeit und die Erfahrungen, die ihr von eurem spirituellen Leben erhaltet, bewahren. Sonst habt ihr diesen Morgen eine wunderbare Meditation, und innerhalb von zwei Stunden verliert ihr alles wieder. Warum? Weil ihr unreinen Gedanken nachgegeben habt, unreinen Ideen, einem unreinen Bewusstsein. Unreinheit braucht überhaupt nicht auf der physischen Ebene zu sein. Auf der mentalen Ebene ist sie ebenso schlimm.

Doch auch die Männer sollten wissen, dass es nicht ihre weiße Kleidung ist, die ihnen Verwirklichung schenken wird. Niemals! Doch sie wird ihnen ein wenig helfen. Wenn euer Verstand für eine Sekunde rein wird, weil ihr weiße Kleidung tragt, dann trägt das zu eurer Strebsamkeit bei. Wenn es euer Ziel ist, hundert Dollar zu erhalten, und ihr habt bereits neunundneunzig, dann werdet ihr, wenn ihr weise seid, den letzten Dollar nehmen, von wo immer ihr könnt, und dann sagen: „Ich habe mein Ziel erreicht.“ Aber wenn ihr nur diesen einen Dollar besitzt, könnt ihr das Ziel nicht erreichen.

Wenn jemand sagt: „Ich will keinen Sari tragen, ich brauche keine weiße Kleidung zu tragen. Ich bin bereit, fünf Minuten oder einen Tag länger zu warten, um den zusätzlichen Dollar von meiner eigenen Strebsamkeit zu erhalten,“ dann werde ich sagen, dass der Betreffende warten kann. Aber ihr müsst euch bewusst sein, dass Zeit ein wichtiger Faktor ist. Heute kam ich von Los Angeles nach San Francisco. Ich brauchte eine Stunde, um mit dem Flugzeug hierher zu kommen, und dann begann ich mit meiner Arbeit. Aber einige meiner Schüler kamen mit dem Auto hierher, und brauchten sechs oder sieben Stunden. Dies ist der Unterschied. Unsere Verwirklichung ist ohne Ende. Heute verwirklichen wir Gott, morgen enthüllen wir Gott und übermorgen manifestieren wir Gott. Aber wenn wir unsere heutige Aufgabe nicht so bald als möglich erledigen, dann wird auch alles andere

verschoben werden.

Blumen, Kerzen und Räucherstäbchen

Frage: Warum benutzt du Blumen zum Meditieren und warum zündest du Räucherstäbchen an?

Sri Chinmoy: Es gibt Leute, die es nicht für notwendig betrachten, beim Meditieren Blumen um sich zu haben. Sie sagen: „Die Blume ist in uns, der tausendblättrige Lotus ist in uns.“ Aber die physische Blume erinnert uns an Reinheit, an das Göttliche. Wenn wir die Blume anschauen, erhalten wir ein bisschen Inspiration. Wenn wir keinerlei Inspiration haben, stehen wir nicht auf, um zu beten und zu meditieren. Wir schließen bloß Freundschaft mit dem Schlaf. Aber die Farbe der Blume, ihr Duft, ihr reines Bewusstsein schenkt uns sofort ein bisschen Inspiration. Von der Inspiration erhalten wir Strebsamkeit und von der Strebsamkeit erhalten wir Verwirklichung.

Mit der Kerzenflamme ist es dasselbe. Nicht die Kerzenflamme selbst, sondern die innere Flamme wird uns Strebsamkeit geben. Aber wenn wir die äußere Flamme sehen, spüren wir sofort, dass die Flamme in unserem inneren Wesen entfacht wird und aufsteigt, hoch, höher und immer höher. Und wenn wir den Duft von Räucherstäbchen riechen, erhalten wir vielleicht nur ein bisschen Inspiration, ein bisschen Reinigung, aber diese Inspiration und Reinigung können wir unserem inneren Schatz hinzufügen.

Das Ausziehen der Schuhe

Frage: Warum bittest du die Leute, ihre Schuhe draußen zu lassen und nicht in den Meditationsraum zu bringen?

Sri Chinmoy: Im spirituellen Leben sind zwei Dinge von größter Wichtigkeit. Das eine ist Reinheit und das andere ist Strebsamkeit, das innere Sehnen. Reinheit und Strebsamkeit müssen sich ergänzen. Reinheit macht das Streben intensiver, und Strebsamkeit erhöht die Reinheit. Derjenige, der innerlich und äußerlich rein ist, wird spontane Strebsamkeit empfinden, und wer strebt, wird unweigerlich sehen, wie in seinem ergebenen Leben die Reinheit dämmert.

Wir bitten die Leute, ihre Schuhe draußen zu lassen, bevor sie in den Meditationsraum kommen, weil wir hierher kommen, um nach Höherem zu streben. Wenn wir also aus diesem Grund hierher kommen, müssen wir auch unserem physischen Bewusstsein, unserem physischen Körper bewusst machen, das wir strebsam sind. Mit unseren Schuhen gehen wir den ganzen Tag auf schmutzigen Straßen umher. Wenn wir dann damit den Meditationsraum betreten und zu meditieren versuchen, wird all die Unreinheit der Straßen in das Bewusstsein des Raumes, in unser Bewusstsein und in das Bewusstsein aller Leute, die dort meditieren, eindringen. Das stört uns natürlich. Auch sollten wir unseren Meditationsraum als einen Altar, als einen heiligen Ort betrachten. Wir kommen hierher, um mit Gott in Verbindung zu treten. Wenn wir in eine Kirche treten, nehmen wir aus Respekt den Hut ab. Ebenso ziehen wir aus Respekt unsere Schuhe aus, bevor wir in den Meditationsraum eintreten.

Beim Meditieren versuchen wir, unser tierisches Bewusstsein weg zu werfen. Schuhe kommen von einem Tier. Wenn wir die Schuhe draußen lassen, sollten wir fühlen, das wir das tierische Bewusstsein draußen lassen und in das menschliche Bewusstsein eintreten. Wir lassen nicht nur die Tierhaut, sondern das ganze tierische Bewusstsein draußen. Dann versuchen wir während unserer Meditation einen Schritt weiter zu gehen: vom menschlichen Bewusstsein zum göttlichen Bewusstsein. Wir versuchen über das Menschliche in uns mit seinen Zweifeln, Furcht, Eifersucht und Sorgen hinauszugehen und in das Bewusstsein der Vollkommenheit einzutreten.

Vielleicht sagt euch euer praktischer Verstand: „Diese Schuhe helfen mir. Wenn ich keine Schuhe hätte, würde ich unter Hitze und Kälte leiden, wenn ich auf der Straße gehe. Warum sollte ich sie nicht auch brauchen, wenn ich meditiere?“ Wir können den Dingen, die uns helfen, unsere Dankbarkeit bezeugen, aber das heißt nicht, dass wir sie ständig bei uns haben müssen. Ein Besen hilft uns, das Haus zu reinigen, aber nachdem er seine Rolle gespielt hat, stellen wir ihn in eine Ecke, bis wir ihn wieder brauchen. Wir nehmen ihn nicht mit, wenn wir uns zum Essen hinsetzen. Auch im spirituellen Leben schätzen wir die Dinge, die uns helfen. Aber sie müssen ihren ganz bestimmten Platz haben.

Einst war das tierische Bewusstsein notwendig, um uns in Bewegung zu bringen. Ohne tierische Eigenschaften wären wir träge wie die Bäume geblieben, oder wir wären im Steinbewusstsein verharrt, wo keine Aktivität, keine Bewegung ist. Nun kann Bewegung entweder destruktiv oder dynamisch sein. Mit unserer dynamischen Bewegung versuchen wir, unserem Ziel entgegen zu laufen; mit unserer destruktiven Bewegung versuchen wir, andere und uns selbst zu zerstören. Leider sehen wir, dass die zerstörerische Eigenschaft im Tierreich weit verbreitet ist. Aber es ist besser, dieses tierische Bewusstsein zu haben, zu ringen und zu kämpfen, als im Steinbewusstsein zu verharren, wo es keine Bewegung, keinen Fortschritt gibt. Nun hat das tierische Bewusstsein seine Rolle gespielt und wir sind zum menschlichen Bewusstsein gelangt. Wir wissen, dass Bewegung notwendig ist, aber auch, dass sie dynamisch sein muss. Im menschlichen Bewusstsein versuchen wir durch dynamische Bewegung ein bisschen weiter zu gehen, aber unglücklicherweise liegt das tierische Bewusstsein immer noch schlafend in uns. Wir versuchen, unsere zerstörerische Eigenschaft durch unsere menschliche Dynamik zu reinigen. Dann versuchen wir, von der dynamischen Bewegung im Menschlichen zum Göttlichen zu gehen. Und wenn die dynamische Bewegung des Menschlichen in das Göttliche eintritt, erlangen wir vollkommene Vollkommenheit.

Schritt um Schritt befreien wir uns von früheren Helfern, die uns zum Erreichen unseres letzten Zieles nichts mehr nützen können. Häufig sind unsere menschlichen Helfer Freunde, aber wenn wir weiter und tiefer ins innere Leben gehen wollen, sehen wir, dass uns unsere menschlichen Freunde im Wege stehen. Das tierische Bewusstsein half uns, als wir versuchten, über das Pflanzenbewusstsein hinauszugehen, aber es zerrt uns nur rückwärts, wenn wir ins menschliche Bewusstsein eintreten. Je höher und je weiter wir deshalb gehen, desto mehr müssen wir darauf achten, ob uns unsere früheren Freunde noch von Nutzen sind oder nicht. Wenn sie uns überhaupt nicht mehr helfen können, werden wir sie hinter uns lassen und alleine vorwärts gehen.

From:Sri Chinmoy,Primer, The Golden Shore Verlagsges.mbH, Nürnberg, 2020
Quelle https://de.srichinmoylibrary.com/scp