Sri Chinmoy: Wenn man ein Anfänger ist und richtig atmen will, sollte man mit aufrechtem Rücken sitzen. Während man atmet, sollte man zuerst an Reinheit denken. Wenn man beim Einatmen bewusst oder unbewusst fühlt, dass der Atem unmittelbar von Gott kommt, von der Reinheit selbst, dann kann der Atem gereinigt werden. Wenn ihr einatmet, versucht, so langsam und so still wie nur möglich einzuatmen; ein Faden vor eurer Nase sollte sich überhaupt nicht bewegen. Wenn ihr ausatmet, versucht noch langsamer auszuatmen als ihr eingeatmet habt. Lasst, wenn möglich, eine kleine Pause zwischen dem ersten Ausatmen und dem zweiten Einatmen. Haltet, wenn möglich, euren Atem für ein paar Sekunden an. Wenn euch das schwer fällt, lasst es sein. Tut nie etwas, was euren Organen oder eurem Atemsystem schaden könnte.
Versucht jedes Mal beim Einatmen zu fühlen, dass ihr Frieden in euren Körper bringt, unendlichen Frieden. Was ist das Gegenteil von Frieden? Wir wissen es alle: Rastlosigkeit. Wenn ihr ausatmet, versucht bitte zu fühlen, dass ihr die Rastlosigkeit eures inneren und äußeren Körpers ausstoßt und auch die Rastlosigkeit, die ihr überall um euch herum seht. Wenn ihr auf diese Weise atmet, werdet ihr merken, dass die Rastlosigkeit euch verlässt. Nachdem ihr dies ein paar Mal gemacht habt, versucht bitte zu fühlen, dass ihr aus dem Universum, vom Kosmos, Stärke und Kraft einatmet. Versucht dann beim Ausatmen eure Furcht auszuatmen. Alle Furcht wird während des Ausatmens aus eurem Körper austreten. Nachdem ihr dies ein paar Mal getan habt, versucht zu fühlen, dass ihr Freude einatmet, unendliche Freude, und dass ihr Sorgen, Leiden und Melancholie ausatmet.
Was ihr beim Einatmen noch versuchen könnt, ist zu fühlen, dass ihr nicht Luft, sondern kosmische Energie einatmet. Fühlt bei jedem Atemzug, dass enorme kosmische Energie in euch eindringt und dass ihr sie dazu verwendet, euch selbst zu reinigen: euren Körper, euer Vitales, euren Verstand und euer Herz. Fühlt, dass es in eurem Körper keinen einzigen Ort gibt, der nicht vom Strom kosmischer Energie erfasst worden ist. Er fließt wie ein Fluss in euch. Wenn ihr spürt, dass euer ganzes Wesen von dieser kosmischen Energie gewaschen oder gereinigt ist, versucht ihr zu fühlen, dass ihr allen Unsinn in euch, alle ungöttlichen Gedanken, alle unreinen Taten, alle obskuren Ideen ausatmet. Fühlt, dass ihr alles aus eurem System ausatmet, das ihr ungöttlich nennt, alles, das ihr nicht als euer Eigen betrachten wollt.
Dies entspricht nicht dem traditionellen Pranayama des Yoga, das komplizierter und stärker systematisiert ist. Aber was ich euch eben erklärt habe, ist die wirksamste spirituelle Methode des Atmens. Wenn ihr diese Atemmethode übt, werdet ihr bald bemerken, dass das, was ihr tut, nicht Einbildung ist: es ist Wirklichkeit. Am Anfang müsst ihr eure Einbildungskraft benutzen, aber nach einer Weile werdet ihr sehen und fühlen, dass es nicht bloße Einbildung ist, sondern Wirklichkeit. Ihr atmet bewusst die Energie ein, die überall im Kosmos um euch herum fließt, reinigt euch dadurch und entleert euch von allem Ungöttlichem. Aber dieses Atmen muss sehr bewusst getan werden, nicht bloß mechanisch. Wenn ihr auf diese Weise jeden Tag fünf Minuten lang atmen könnt, werdet ihr sehr schnellen Fortschritt machen.
Wenn ihr ein fortgeschritteneres Stadium erreicht, solltet ihr fühlen, dass der Atem nicht nur durch eure Nase kommt und geht. Fühlt, dass ihr durch euer Herz einatmet, durch eure Augen, durch eure Nase, durch eure Poren. Gegenwärtig seid ihr noch auf das Atmen durch Nase und Mund beschränkt, aber es wird eine Zeit kommen, zu welcher ihr wissen werdet, dass jeder Teil des Körpers atmen kann. Spirituelle Meister können selbst mit geschlossenem Mund und geschlossener Nase atmen. Wenn ihr dieses spirituelle Atmen vervollkommnet habt, werdet ihr fühlen, dass alle eure Unwissenheit und Unreinheit verschwunden ist. An die Stelle der Unwissenheit und Unvollkommenheit ist etwas Neues getreten: Gottes Licht, Gottes Frieden und Gottes Kraft.From:Sri Chinmoy,Primer, The Golden Shore Verlagsges.mbH, Nürnberg, 2020
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