Kalidasa lebte während der Regierung eines guten, netten, gütigen und kraftvollen Königs, namens Vikramaditya. Um inspirierende, erleuchtende und göttliche Tätigkeiten an seinem Hof zu unterstützen, ernannte er neun außergewöhn-liche Leute, die als Navaratna bekannt waren, was so viel bedeutete wie Glanzstücke. Sie waren Experten in verschiedenen Bereichen wie Medizin, Astronomie, Malerei und so weiter. Kalidasa war einer dieser neun Glanzstücke. Er war der Asthana Kavi, der Dichter des königlichen Hofes.
Das ist die Geschichte, wie Kalidasa zu einem bedeutenden Dichter Poet wurde. Als Kalidasa noch ein junger Mann war, lebte ein König, der eine wunderschöne Tochter hatte. Diese Tochter war extrem gut bewandert in den Heiligen Schriften. Unglücklicherweise schlich sich auch Stolz sehr erfolgreich in ihren Verstand ein. Und so erklärte sie, dass sie nur die Person heiraten würde, der es gelänge, sie in philosophischen oder spirituellen Streitgesprächen zu besiegen. Sehr viele gelehrte Brahmanen und große Sanskrit-Gelehrte, welche die indischen Schriften kannten, nahmen ihre Herausforderung an. Aber zu ihrem größten Leidwesen wurde einer nach dem anderen von ihr besiegt und böse gedemütigt. Die enttäuschten Freier suchten nach einem Weg, um sich für die Demütigungen der Prinzessin zu rächen. Doch wie sehr sie sich auch bemühten, sie hatten keinen Erfolg damit.
Eines Tages waren vier dieser Brahmanen zufällig in einem kleinen Dorf, als ihnen einen jungen Schäfer begegnete. Der Schäfer war schmutzig und unordentlich; er sah dumm aus, um es gelinde auszudrücken. Als sie ihn das erste Mal erblickten, saß er auf dem Ast eines Baumes und aß genüsslich einige Früchte. Und während er so da saß und es sich schmecken lies, schlug er gleichzeitig den Ast ab, auf dem er saß!
Eine brillante Idee machte sich in den Köpfen der Brahmanen breit. Sie sagten: „Wir werden der Prinzessin einen Streich spielen und ihr alles zurückzahlen, indem wir diesen Schäfer zu ihr bringen und vorgeben, er sei der größte Gelehrte. Wer weiß, vielleicht kann gerade dieser beispiellose Idiot die Prinzessin in der Debatte schlagen.“
So holten sie den Schäfer vom Baum herunter, halfen ihm ein Bad zu nehmen, brachten ihm köstliches Essen und zogen ihm schöne Kleider an und setzten ihm einen Turban auf. So gekleidet sah er nun wie ein wirklicher Brahmane aus. Danach geleiteten sie ihn zu der Stadt und gaben ihm folgenden Rat: „Wenn wir dich jetzt zur Prinzessin bringen musst du dich absolut still verhalten.“
Der junge Mann bekam es mit der Angst zu tun und fragte: „Zur Prinzessin? Wozu?“
Sie erzählten ihm: „Damit du die Prinzessin im Streitgespräch besiegen kannst und sie dann zur Frau bekommst.“
Einerseits war der arme Schäfer zu Tode erschrocken; andererseits war die Aussicht verlockend, Er war bereit dorthin zu gehen und die Prinzessin im Streitgespräch zu besiegen. Die Brahmanen sagten zu ihm: „Wann immer die Prinzessin dir eine Frage stellt, antworte nur mit Gesten – indem du deine Finger hebst.“
Als der Schäfer und die Brahmanen in den Palast eintraten, sagten sie zu der Prinzessin, dass der Schäfer ein großer Heiliger sei, der ein Schweige-Gelübde abgelegt habe. Als ihm die Prinzessin die erste Frage stellte, richtete sie einen Finger auf ihn. Der Schäfer wusste gar nichts, aber da sie ihm einen Finger gezeigt hatte, fiel ihm ein, ihr zwei Finger zurück zu zeigen. Dann gaben die Brahmanen eine wunderbare Erklärung ab, was seine Geste bedeutete. Auf die gleiche Weise stellte sie ihm viele Fragen und was immer in seinen Idioten-Verstand kam, antwortete er mit seinen Fingern. Im Anschluss gaben die gewieften Brahmanen ganz, ganz exzellente Erklärungen ab.
Die Prinzessin war aufs äußerste zufrieden mit dem Schäfer und den Antworten, die sie erhalten hatte. So verkündete sie: „Ich bin nun bereit, diesen großen Gelehrten zu heiraten.“ Die Brahmanen bekamen eine großzügige Belohnung von der Prinzessin, da sie einen so bedeutenden Gelehrten zu ihr gebracht hatten.
Daraufhin heirateten die Prinzessin den junge Mann. Doch o Gott, es waren kaum zwei Stunden vergangen, als die Prinzessin die Feststellung machte, dass dieser Bursche der schlimmst möglichste Narr in Gottes gewaltiger Schöpfung war. Als er zu sprechen begann, ergab nichts einen Sinn. Sie fühlte sich unglücklich, dass sie von den Brahmanen so hereingelegt worden war, aber was konnte sie dagegen tun? Sie sagte zu ihrem neuen Ehemann: „Ich werde dich als meinen Ehemann behalten, vorausgesetzt, dass du auf meine Bitte hörst. Ansonsten werde ich dich aus meinem Palast werfen.“
Sie gebot ihm, an diesem Abend zum Tempel der Mutter Kali zu gehen und das Tor von innen zu verschließen. Dann solle er zu Mutter Kali beten. Wenn Mutter Kali an das Tor klopfe, müsse er sagen, dass er Ihr nur erlaube hereinzukommen, wenn sie einwillige ihn zu segnen und ihn zu einem großen Gelehrten zu machen.
Der junge Mann gehorchte seiner Frau. Er ging zum Tempel von Mutter Kali und verschloss das Tor von innen. Dann begann er mit größter Hingabe zu beten. Nach einigen Stunden kam Mutter Kali und klopfte an das Tor. Als er Ihr das Tor öffnete, sagte er: „Mutter, Mutter, ich werde Dich nur hereinlassen, wenn Du mich segnest. Sonst werde ich Dir nicht erlauben herein zu kommen.“
Mutter Kali schaute ihn an, sah seine Aufrichtigkeit und goss all Ihr Mitgefühl in ihn. Sie sagte zu ihm: „Öffne deinen Mund und zeige mir deine Zunge.“ Als er das tat, schrieb Sie ein esoterisches Mantra auf seine Zunge – etwas sehr Heiliges und Geheimes. Sofort war er mit göttlichen Gaben ausgestattet; er wurde sehr kultiviert; er konnte fließend Sanskrit sprechen und begann Gedichte zu schreiben.
Als er spät in dieser Nacht zurück nach Hause kam, war seine Frau mit seiner Umwandlung sehr zufrieden. Zu ihrer größten Freude war er über Nacht zu einem großen Gelehrten und Dichter geworden. Sie lebten sehr glücklich zusammen. Der junge Mann wurde als Kalidasa bekannt. „Dasa“ bedeutet Sklave oder Diener. Er empfing Weisheits-Licht von Mutter Kali; deswegen war sein Name Kalidasa – der Diener Mutter Kalis.From:Sri Chinmoy,Was immer du willst, Gott gibt es, The Golden Shore Verlagsges.mbH, Nürnberg, 2005
Quelle https://de.srichinmoylibrary.com/wyw