Kundalini - die Kraft der göttlichen Mutter

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Einführung des Autors: Der Mutter-Aspekt des Göttlichen 1

Gott ist für uns sowohl Mutter als auch Vater, er ist männlich und weiblich zugleich. Die Kundalini-Kraft ist die Kraft der höchsten Göttin, die Kraft des Mutter-Aspektes des Göttlichen. Manchmal will die Mutter mit ihren Kindern spielen, weil es ihnen Freude macht, die Kraft ihrer Mutter zu sehen. Und manchmal spielt sie allerlei Spiele mit ihnen, um die Kraft ihrer Kinder zu sehen. Sie kommt auf die Ebene der Kinder herab, um ihnen zu zeigen, wie viel Kraft und Stärke sie erhalten können, wenn sie sich richtig verhalten und wenn sie sich anstrengen Die Kinder sind entzückt und fasziniert. „Unsere Mutter ist so stark, so machtvoll“, sagen sie.

Die Mutter muss weit herabkommen, um ihre Kundalini-Kraft zu zeigen. Sie vollbringt einige Wunder und die Kinder wollen lernen, wie man das macht. Darauf sagt sie: „Gut, aber lernt zuerst dieses Spiel hier.“ Und sie zeigt ihre höchste Kraft, ihr höchstes Bewusstsein. In diesem Augenblick sind die Kinder sprachlos. „Oh, das ist also unsere Mutter!“ sagen sie dann. Und sie beginnen, Liebe, Ergebenheit und Selbsthingabe zu üben. Wenn sie ihre Mutter in ihrer höchsten Form, ihrer wirklichen Form sehen, dann begreifen sie, dass diese Kundalini-Kräfte bedeutungslos sind. Sie sind wie ein Spiel mit kleinen Flammen und Feuern.

Kundalini-Kraft ist zwar wirkliche Kraft, doch in ihr liegt große Rastlosigkeit. Kundalini Kraft ist meist wie ein Äffchen; ihre Haupteigenschaft ist Rastlosigkeit. Wirkliche spirituelle Kraft hingegen, die Kraft der höchsten Muter, die von der höchsten Ebene kommt, ist nicht rastlos. Wenn wir mit spiritueller Kraft Frieden anbieten, ist es wirklicher Frieden.

Doch selbst wenn wir Kundalini-Kraft für den richtigen Zweck gebrauchen, werden wir nicht fähig sein, durch sie unendlichen Frieden, unendliche Seligkeit , unendliches Licht anzubieten. Wir können noch so viele Wunder zeigen – wer sie sieht, wird nur für fünf Minuten zufrieden sein, dann wird er eifersüchtig werden, weil er nicht dieselbe Macht besitzt. Wenn wir ihm beim nächsten Mal diese Kraft nicht wieder zeigen, ist er aufgebracht und beginnt zu zweifeln. Er wird glauben, unsere Macht sei begrenzt und wir könnten nur von Zeit zu Zeit Wunder vollbringen. Die Kundalini-Kraft kann alle Arten von Wundern bewirken, doch das Bewusstsein eines Menschen kann sie nicht um einen Zentimeter heben. Um das zu tun, brauchen wir spirituelle Kraft, die Kraft, die von der höchsten Göttin auf ihrer höchsten Ebene kommt.


KMP 1. Die Einführung des Autors wurde in der Ausgabe 1974 des Buches hinzugefügt.

Teil I — Vorträge und Geschichten

KMP 2-11. Sri Chinmoy wurde eingeladen von Dr. James Carse, Vorsitzender der Abteilung für Religion an der Universität New York, um eine Vortragsreihe über Kundalini-Yoga, an aufeinanderfolgenden Mittwoch Abenden, beginnend am 14. Februar 1973, zu halten. Sri Chinmoy bietet N, der diese Vortragsreihe arrangiert hat, seinen tiefsten Segen an.

Kundalini-Yoga: die Mutter-Kraft

Wollen wir dem Pfad des Kundalini-Yoga folgen? Dann dürfen wir nicht schlafen. Wir dürfen nicht in der Welt der Dunkelheit und der Nacht schlafen. Die Welt der Dunkelheit schwächt unsere inneren Fähigkeiten. Die Welt der Nacht zerstört unsere äußeren Möglichkeiten. Wenn unsere inneren Fähigkeiten geschwächt werden, wird unser Leben unglücklich. Wenn unsere äußeren Möglichkeiten zerstört werden, wird unser Leben unerträglich. Wo können unsere inneren Fähigkeiten ungestört wachsen? Nur im Herzen der Mutter Kraft der Kundalini. Wann können unsere äußeren Möglichkeiten sich verwirklichen? Nur wenn wir zu Füßen der Mutter-Kraft, der Kundalini, sitzen.
Wollen wir dem Pfad des Kundalini-Yoga folgen? Dann brauchen wir einen diamantenen Willen. Wir müssen tapfer sein in der Welt der Unwissenheit und der Unbewusstheit. Unwissenheit zwingt uns hilflos und nutzlos zu sein. Wenn wir uns nutzlos fühlen, fühlt sich die Mutter-Kraft in uns hilflos. Wenn wir uns hilflos fühlen, ermutigt, inspiriert und erleuchtet uns die Mutter-Kraft in uns unermüdlich aus ihrem unendlichen Mitgefühl heraus.

Wollen wir dem Pfad des Kundalini folgen? Dann müssen wir lieben. Wir müssen die Mutter in uns, die Mutter vor uns und die Mutter um uns herum lieben. Die Mutter in uns ist seelenvoll. Die Mutter vor uns ist schön. Die Mutter um uns herum ist machtvoll. Wir brauchen die Mutter der Seele, um das kosmische Spiel des Lebens zu spielen. Wir brauchen die Mutter der Schönheit, um das kosmische Lied des Lebens zu singen. Wir brauchen die Mutter der Kraft, um den kosmischen Tanz des Lebens zu tanzen. Das Spiel des Lebens schenkt uns Energie. Das Lied des Lebens erleuchtet uns. Der Tanz des Lebens macht uns unsterblich. Unsere Energie ist dazu da, von der Welt gebraucht zu werden. Unsere Erleuchtung ist dazu da, von der Welt verherrlicht zu werden. Unsere Unsterblichkeit ist dazu da, von der Welt geschätzt zu werde.

Wollen wir dem Pfad des Kundalini-Yoga folgen? Dann muss Kraft in unserem Leben an erster und an letzter Stelle stehen. Wenn göttliche Kraft unsere erste Wahl ist, verlässt uns die Furcht. Wenn göttliche Kraft unsere letzte Wahl ist, verlässt uns der Zweifel. Wenn Furcht uns verlässt, werden wir, was wir ursprünglich waren: das universelle Selbst.

Wollen wir dem Pfad des Kundalini folgen? Dann müssen wir fühlen, dass jede Sekunde in unserem Leben so wichtig ist wie ein ganzes Jahr. Und wir müssen erkennen, dass jede Sekunde in unserem Leben so wichtig ist wie ein ganzes Jahr. Und wir müssen erkennen, dass jedes Jahr mit so vielen Gelegenheiten gefüllt ist, wie das Jahr Sekunden zählt. Jede Sekunde bringt uns entweder der Verwirklichung näher oder der Frustration. Jedes Jahr bringt uns entweder der transzendentalen Wahrheit näher oder der abgrundtiefen Falschheit.

Die Wahrheit sagt uns, dass wir Gottes auserwählte Kinder sind. Wir brauchen Gott, um das Höchste zu erreichen und Gott braucht uns, um das Höchste zu manifestieren. Die Falschheit sagt uns, dass wir alle Instrumente des Todes sind und dass der Tod uns dringend braucht. Die transzendentale Wahrheit lockt uns. Die abgrundtiefe Falschheit erschreckt uns. Wenn die transzendentale Wahrheit uns zuwinkt, fühlen wir, dass wir niemand anderes als die höchste Wirklichkeit, der Supreme, sind. Wenn die abgrundtiefe Falschheit uns Schrecken einjagt, fühlen wie, dass wir die ewigen Sklaven von Unwissenheit, Unbewusstheit und Tod sind.

Wollen wir dem Pfad des Kundalini-Yoga folgen? Dann brauchen wir Reinheit im Denken und Reinheit im Handeln. Mit einem reinen Gedanken erbauen wir den stärksten und größten Palast der Liebe und der Erfüllung. Mit einem unreinen Gedanken zerstören wir den stärksten und größten Palast der Liebe und der Erfüllung. Wir erzeugen einen reinen und göttlichen Gedanken, wenn wir fühlen, dass wir von Gott und für Gott sind. Wir erzeugen einen unreinen und ungöttlichen Gedanken, wenn wir fühlen, dass wir von der unerkennbaren Unwissenheit kommen und für die bekannte und unbekannte Unwissenheit sind. Durch eine reine Handlung werden wir zum Lebensretter der strebenden Welt. Durch eine unreine Handlung werden wir zum Zerstörer der ganzen Welt.

Wollen wir dem Pfad des Kundalini-Yoga folgen? Dann müssen wir wissen, dass unsere Essenz die Glückseligkeits-Kraft des Himmels und unsere Existenz die Friedens-Kraft für die Erde ist. Mit der Glückseligkeits-Kraft beginnen wir. Mit der Friedens-Kraft enden wir.

Kundalini Yoga
Erster Vortrag
14. Februar 1973

Prana und die Kraft der Chakren

Kundalini-Yoga ist der Yoga des Prana. Prana ist die Lebensenergie oder das Lebensprinzip des Universums. Es gibt drei Hauptkanäle, durch die diese Lebensenergie fließt. Diese Kanäle heißen Ida, Pingala und Sushumna. Auf Sanskrit werden diese Kanäle Nadis genannt. Ida, Pingala und Sushumna befinden sich in unserem subtilen physischen Körper, nicht im Grob-physischen. Durch Ida fließt der Strom der Lebensenergie auf der linken Seite des Körpers. Durch Pingala fließt der Strom auf der rechten Seite des Körpers. Durch Sushum­na fließt der Strom in der Mitte der Wirbelsäule.

Sushumna ist der wichtigste der drei Nadis. Er empfängt einen ununterbrochenen Strom von Lebensenergie aus dem universellen Bewusstseinslicht. Zwischen Ida und Pingala und den Tierkreiszeichen und den Planeten besteht eine innere Beziehung. Ida hat eine besondere Beziehung zum Mond und zum Planeten Merkur. Daher ist ihre Haupteigenschaft Kühle und Milde. Pingala steht mit Sonne und mit Mars in Verbindung, daher ist ihre Haupteigenschaft starke und dynamische Hitze.

Ida beherrscht das linke Nasenloch, Pingala das rechte. Wenn wir vorwiegend durch das linke Nasenloch ein- und ausatmen, wissen wir, dass Ida aktiv ist. Wenn wir durch unser rechtes Nasenloch ein- und ausatmen, ist Pingala aktiv. Und wenn beide Nasenlöcher gleichmäßig arbeiten, ist Sushumna aktiv. Manchmal geschieht es auch, dass Ida einatmet und Pingala ausatmet.

Ida, Pingala und Sushumna treffen an sechs verschiedenen Stellen zusammen. Jeder dieser Punkte bildet ein Zentrum und jedes Zentrum ist rund wie ein Rad. In der spirituellen indischen Philosophie werden diese Zentren Chakren genannt. Man nennt sie auch Lotus, weil sie wie eine Lotusblüte aussehen. Diese sechs Zentren, das wissen Sie vielleicht, heißen Muladhara, Svadhisthana, Manipura, Anahata, Vishuddha und Ajna. Ein weiteres Chakra im Gehirn nennt man Sahasrara. Weil es sich jedoch im Gehirn befindet und nicht entlang der Wirbelsäule, zählt man es nicht zu den anderen sechs Zentren. Außer diesen sechs Zentren gibt es noch viele andere Chakren im subtilen physischen Körper. Hier im Knie haben wir ein Chakra, selbst in den Zehen und den Fingerspitzen gibt es Chakren. Doch diese Chakren sind weniger wichtig und werden normalerweise nicht erwähnt.

Das Wurzelchakra oder der Lotus Muladhara hat vier Blütenblätter, deren Farben rot und orange sind. Das Milzchakra, Svadhisthana, hat sechs Blütenblätter. Die Blätter sind orange, blau, grün, gelb, violett und blutrot. Blutrot ist die dominierende Farbe in diesem Chakra. Das Nabelchakra, Manipura, besitzt zehn Blütenblätter, die rosa, orange und grün sind, wobei das Grün jedoch überwiegt. Das Herz­chakra, Anahata, ist zwölfblättrig. Seine Farbe ist ein leuchtendes Gold. Das Kehlkopfzentrum, der Vishuddha_-Lotos, hat sechzehn Blütenblätter. Seine Farben sind blau und grün. Das Stirn-chakra, _Ajna, hat nur zwei Blütenblätter. Doch innerhalb jeden Blütenblattes gibt es weitere achtundvierzig Blütenblätter. Hier ist die Farbe rosé. Das Scheitelzentrum, Sahasrara, besitzt 1000 Blätter oder um genau zu sein: 972. Es enthält alle Farben, doch die vorherrschende Farbe ist violett.
Das universelle Bewusstsein verkörpert universelle Musik. Jedes Chakra, in dem sich die Lebensenergie aus dem universellen Bewusstsein sammelt, erzeugt einen musikalischen Ton.

Vom Sahasrara-Zentrum wird der Ton shadja oder sa gebildet. In der westlichen Musik heißt er ‚do’. Vom Ajna-Zentrum kommt der Ton rishaba oder ri – hier ‚re’ genannt. Vom Vishuddha-Zentrum wird gandhara oder ga erzeugt: das westliche ‚mi’. Im Anahata-Zentrum wird der Ton madhyama oder ma gebildet – hier ‚fa’ genannt. Das Manipura-Zentrum erzeugt panchama oder pa – hier heißt es ‚so’. Aus dem Svadhisthana-Zentrum entspringt dhaivata oder dha – das ‚la’; und aus dem Muladhara-Zentrum nishada oder ni – im Westen ‚ti’ genannt.

Den sieben Chakren entsprechen sieben Welten. Muladhara entspricht Bhurloka, Svadhisthana Bhuvarloka, Manipura Svarloka, Anahata Janaloka, Vishuddha Tapoloka, Ajna Maharloka und Sahasrara Satyaloka. Für jede Welt steht ein bestimmtes Symbol: für Bhurloka die Erde, für Bhuvarloka das Wasser, für Svarloka die Hitze, für Janaloka die Luft, für Tapoloka der Äther, für Maharloka Energie und für Satyaloka der unendliche Raum.

Zu jedem Zentrum gehört zudem eine bestimmte Mutterkraft, die eine Manifestation der höchsten Mutter darstellt. Diese Mutterkräfte heißen Brahmi, Parameshwari, Kaumari, Vaishnari, Varahi, Indrani und Chamunda.

Jede von ihnen hat ihren ganz bestimmten Ort. Brahmi ist die Mutter-Kraft, die den unendlichen Raum verkörpert und durchdringt. Sie herrscht über alle Chakren. Brahmi hat ihren Sitz im Sahashrara-Chakra, dem Scheitelzentrum oder tausendblättrigen Lotos. Von dort aus herrscht sie über die Zentren unter ihr: Ajna, Vishuddha, Anahata, Manipura, Svadhisthana und Muladhara. Parameshwari hat ihren Sitz im Ajna-Chakra, dem Stirn-Zentrum. Von dort herrscht sie über Ajna und die Chakren unter ihr. Kaumari wohnt im Vishuddha-Chakra, dem Kehlkopf-Zentrum und herrscht über Vishuddha und die darunter liegenden Chakren. Vaishnavi beginnt vom Anahata-Chakra, dem Herz-Zentrum aus zu wirken und beherrscht die anderen Zentren darunter. Varahi, mit Sitz im Nabel-Zentrum, regiert die niederen Ebenen: Manipura, Svadhisthana und Muladhara. Indrani herrscht über Svadhisthana, das Milz-Zentrum und Muladhara am unteren Ende der Wirbelsäule. Und Chamunda regiert nur über das Muladhara-Chakra.

Zu jedem Zentrum gehört darüber hinaus eine vorherrschende Gottheit, ein kosmischer Gott. Brahma wird dem Muladhara-Chakra zugeordnet, Rudra dem Svadhisthana-Chakra, Vishnu dem Manipura-Chakra, Ishwara dem Anahata-Chakra, Sadashiva dem Vishuddha-Chakra, Shambhu dem Ajna-Chakra und Parameshwari dem Sahasrara-Chakra.

Diese Zentren können auf unterschiedliche Weise geöffnet werden. Die übliche Methode für diejenigen, die Kundalini-Yoga praktizieren, besteht darin, sich fest auf jedes Zentrum zu konzentrieren und die Mutter-Kraft oder die vorherrschende Gottheit dieses Zentrums sehr seelenvoll anzurufen. Allerdings weisen alle spirituellen Meister aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen darauf hin, dass es besser ist, zuerst das Herzzentrum zu öffnen versuchen. Wenn man zuerst das Herzzentrum öffnet, besteht praktisch kein Risiko. Es ist hingegen sehr gefährlich, mit dem Muladhara-, dem Svadhisthana- oder dem Ajna-Chakra zu beginnen. Andererseits gibt es auch Sucher, die eine ganz andere Methode anwenden. Ihnen liegt nichts an okkulter Kraft, sie wollen nur die Liebe, das Licht und die Wahrheit Gottes. Sie lernen, wie man höchst seelenvoll meditiert und wenn sie in ihrer Meditation sehr weit fortgeschritten sind, öffnen sich die Zentren von alleine. Durch die Gnade des Supreme können sich diese Zentren sogar ohne Meditation öffnen.

Wenn diese Zentren ohne entsprechende Reinigung geöffnet werden, wird es für den Sucher eine sehr schmerzhafte Erfahrung sein. Es ist, wie wenn man mit dem Feuer oder mit einem scharfen Messer spielt. Der Sucher kann dabei andere zerstören oder selbst zerstört werden. Wir müssen uns bewusst sein, dass die wunderbaren Kräfte, die man durch die Öffnung dieser Zentren erhält, in der inneren Welt keineswegs wunderbar oder außergewöhnlich sind. Die Kräfte, die in diesen Zentren ruhen, sind völlig normal und natürlich. Nur wenn sie auf der physischen Ebene gebraucht werden, scheinen sie ungewöhnlich oder übernatürlich.

Jeder wirklich spirituelle Meister besitzt diese Kräfte. Auf der anderen Seite jedoch braucht man kein spiritueller Meister höchster Ordnung zu sein, um diese Kräfte zu besitzen. Man braucht nicht einmal ein großer Sucher zu sein. Selbst jemand, der ein normales, gewöhnliches, gottloses Leben führt, kann diese Kräfte entwickeln.

In Indien begegnete ich einigen Suchern – ich kann sie nicht einmal aufrichtige Sucher nennen –, die etwas okkulte oder Kundalini-Kraft besaßen. Doch sie missbrauchten sie die meiste Zeit. Sie öffneten zum Beispiel ihr drittes Auge, um zu erfahren, was ihre Freundinnen über sie dachten. Das ist völlig lächerlich! Sie hätten das dritte Auge genauso gut dazu benutzen können, ihre eigenen dunklen, unreinen Gedanken zu zerstören. Obwohl sie die Fähigkeit dazu hatten, machten sie keinen Gebrauch davon. Jemand anderes benutzte seine okkulte Kraft dazu, nachts seine Feinde zu bedrohen und sie zu zwingen, am nächsten Morgen zu tun, was immer er von ihnen wollte. Mit Hilfe seiner okkulten Kraft, seines dritten Auges, machte er seine Feinde zu seinen Sklaven. Doch er hätte sein drittes Auge dazu benützen können, Gottes Willen in seinem eigenen Leben und im Leben anderer zu erfahren. Wenn es Gottes Wille gewesen wäre, jemandes spirituellen Fortschritt zu beschleunigen, hätte er sein drittes Auge benutzen können, um dem Betreffenden zu helfen. Wenn es richtig gebraucht wird, hat jedes Zentrum etwas Besonderes anzubieten. Dann wird es zu einem wirklichen Segen für den inneren Führer und die ganze Menschheit.

Ich möchte ganz deutlich darauf hinweisen, dass das Öffnen der Zentren nicht bedeutet, dass man Gott verwirklicht oder unmittelbar vor der Gottverwirklichung steht. Das Öffnen der Zentren ist nicht notwendigerweise der Vorbote der Gottverwirklichung, weit davon entfernt! Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Ganz gleich, wie viele Zentren man geöffnet hat – selbst wenn alle sieben Zentren geöffnet sind, ist das kein Zeichen dafür, dass man kurz vor der Gottverwirklichung steht oder verwirklicht ist. Vom höchsten spirituellen Gesichtspunkt aus ist das Öffnen der Zentren wie die Spiele, die eine Mutter mit ihren Kindern auf dem Spielplatz spielt. Kinder lieben Spiele und die Mutter zeigt dabei ihre Fähigkeiten. Sie tut es keineswegs aus Stolz oder Eitelkeit. Nein! Die Mutter weiß einfach, dass die Kinder Spaß daran haben. Sie kann ihnen auf diese Weise etwas Freude, etwas Vergnügen bereiten, daher spielt sie diese Spiele. Normalerweise sind es Shiva auf der Sahashrara-Ebene und seine Gefährtin Shivani von der Muladhara-Ebene, auf der die Kundalini fest schläft, die spielen. Wenn sie mit ihren Kindern in der inneren Welt spielen, beginnen die okkulten Kräfte aktiv zu werden.

Beginnen wir nun am Anfang:
beim Muladhara-Chakra, dem Wurzelchakra.

Wenn man die Herrschaft über das Muladhara-Zentrum erlangt, kann man sich nach Belieben unsichtbar machen. Man kann alle Krankheiten überwinden. Man kann erfahren, was immer man erfahren will und entdecken, was immer man entdecken will. Wenn man Gottes Mitgefühl, Gottes Licht, Gottes Liebe für sich entdecken will, kann man das tun. Wenn man jedoch mit derselben Kraft zu erfahren versucht, was jemand anderes denkt oder was sich in dessen äußerem Leben abspielt, oder wenn man sie gebraucht, um aus Neugierde herauszufinden, ob ein dritter Weltkrieg ausbrechen wird, dann missbrauchen wir diese Kraft.

Wenn jemand, der das Muladhara-Zentrum beherrscht, sieht, dass ein anderer an einer bestimmten Krankheit leidet, muss er wissen, ob der Betreffende die Krankheit verdient hat oder ob sie auf einen feindlichen Angriff zurückzuführen ist. Wen der Kranke etwas Falsches getan hat, muss er natürlich nach dem Gesetz des Karma die Strafe dafür bezahlen. Wenn die Krankheit jedoch nicht vom karmischen Gesetz herrührt, sondern vom Angriff einer feindlichen Kraft und wenn es Gottes Wille ist, dass die Krankheit geheilt wird, dann sollte ein spiritueller Mensch mit dieser Fähigkeit die Krankheit natürlich heilen. Wenn er es jedoch nach eigenem Gutdünken tut oder auf ungöttliche Weise handelt und nur angeben will, dann verstößt er gegen das kosmische Gesetz. Er heilt dann zwar den Kranken, aber diese Heilung wird sich letzten Endes sowohl gegen den Heiler als auch gegen den Kranken selbst wenden. Sie wird die unwissenden und selbst zerstörerischen Eigenschaften nur noch vergrößern. Der Heiler sollte also wissen, ob es der Wille Gottes ist, dass ein Kranker geheilt wird. Nur dann wird er heilen, andernfalls wird er schweigen und nichts tun. Sie fragen jetzt vielleicht, wie kann er jemanden leiden sehen und dennoch untätig bleiben? Wenn sein Herz sehr groß ist, dann soll er nach innen gehen und sehen, wer es ist, der in dem Kranken und durch den Kranken leidet. Er wird sehen, dass es Gott ist, der in dem Betreffenden eine Erfahrung macht.

Svadhisthana, das Milz-Chakra:

Wenn man Meisterschaft über dieses Chakra besitzt, erlangt man die Macht der Liebe. Man liebt alle und wird von allen geliebt, von den Menschen wie von Tieren. Hier fallen Sucher sehr oft vom Pfad des Lichts und der Wahrheit ab. Göttliche Liebe ist Ausdehnung und Ausdehnung ist Erleuchtung. Liebe kann als Ausdehnung unseres göttlichen Bewusstseins zum Ausdruck kommen oder sie kann sich als Vergnügen ausdrücken. Wenn das Svadhisthana-Zentrum geöffnet wird, versuchen die niederen Kräfte, die sexuellen Kräfte, das Bewusstsein des Suchers herabzuziehen. Wenn der Sucher an diesem Punkt Reinheit in großem Maße vom Anahata-Zentrum, dem Herzzentrum, herabbringen kann, dann wird diese Unreinheit in Reinheit verwandelt. Und Reinheit wird letzten Endes zu ewig-erfüllender und immerwährender Göttlichkeit. Doch wenn es ihm nicht gelingt, Reinheit herabzubringen, dann bedeutet dies wahre Zerstörung, die Zerstörung des Lebens des Suchers. Das niedere Vitale beginnt auf äußerst leidenschaftliche und machtvolle Weise zu wirken und manchmal wird es schlimmer als das niedere Vitale eines gewöhnlichen Menschen. Ein gewöhnlicher Mensch verfällt dem vitalen Leben nicht in dem Maße, wie es gewisse Sucher tun, nachdem sie ihre Svadhisthana-Zentrum geöffnet haben.

Manipura, das Nabelchakra:

Wenn man die Meisterschaft über dieses Zentrum erlangt, besiegt man Kummer und Leiden. Was immer auch im Leben passieren mag, man wird sich nie mehr traurig oder schlecht fühlen. Aber dieses Zentrum kann genau wie das Svadhisthana-Chakra Probleme schaffen; es ist ebenfalls gefährlich. Wenn man die Macht des Manipura-Zentrums missbraucht, kann man anderen Leid zufügen und sich den Fluch der Welt aufladen. Wie das Ajna-Chakra kann dieses Zentrum dem Sucher zeigen, wohin ein Verwandter oder ein geliebter Mensch nach seinem Tod gegangen ist. Es ermöglicht uns zu sehen, wie ein Mensch die vitale Welt durchschreitet und in die subtile Welt und die höheren Ebenen eintritt. Es zeigt uns, wie jemand nach dem Tod von einer Hülle in die andere übergeht. Dieses Zentrum gibt uns auch die Macht der Verwandlung. Man kann mit seiner Hilfe einen Gegenstand vergrößern oder ihn unendlich verkleinern. Darüber hinaus besitzt dieses Zentrum heilende Kraft. Wie ich schon sagte, ist diese Kraft ein echter Segen, wenn man sie richtig, das heißt in Übereinstimmung mit dem göttlichen Willen, gebrauchen kann. Ansonsten ist sie ein Fluch.

Anahata, das Herzzentrum:

Seine Macht ist unglaublich. Ein Sucher, der die Herrschaft über das Anahata-Zentrum besitzt, hat freien Zugang zu den sichtbaren und unsichtbaren Welten. Zeit unterwirft sich ihm, Raum unterwirft sich ihm. Wenn er dieses Zentrum benutzt, kann er in seinem subtilen Körper in wenigen Sekunden an jeden Ort der Erde reisen. Dabei geht er jedoch ein großes Risiko ein. Angenommen er möchte okkult und spirituell von Amerika nach Europa reisen um zu sehen, was sich dort ereignet. Wenn er von den anderen Zentren nicht die notwendige Zustimmung oder Unterstützung dazu erhält, kann es geschehen, dass sie die Seele bei der Rückkehr nicht wieder in den Körper eintreten lassen. Ich kenne eine ganze Reihe von Fällen in Indien, in denen Yogis ihren Körper durch ihr Herzzentrum verließen ohne die Unterstützung oder die Zustimmung der anderen Zentren erhalten zu haben und ohne sie wenigstens vorher zu informieren. Da die anderen Zentren nicht die besondere Fähigkeit des Herzzentrums besitzen, fühlen diese Yogis, sie bräuchte nur das Herzzentrum zu benützen. So werden die anderen Zentren eifersüchtig. Eifersucht gibt es überall, in der inneren Welt genauso wie in der äußeren Welt. Selbst unter den kosmischen Göttern gibt es Eifersucht. Weil sie eifersüchtig sind, lassen die anderen Zentren nun die Seele nicht mehr zurückkommen. Wenn man diese Kraft gebraucht, sollte man zuerst die Erlaubnis des inneren Führers einholen. Wenn der innere Führer seine Zustimmung gibt, können die anderen Zentren keinen Schaden mehr anrichten, da der innere Führer unendlich viel mehr Macht hat als sie.

Im Anahata-Zentrum kann man die tiefste Seligkeit des Einsseins genießen, man kann reine Freude erfahren. Jeder Mensch kann eine Blume betrachten und sich daran erfreuen, doch die Intensität der Freude, die die Blume verkörpert, kann nicht jeder fühlen. Wenn jedoch jemand, dessen Herzzentrum geöffnet ist, eine Blume betrachtet, wird all die Freude und all die Schönheit, die die Blume besitzt, sein eigen werden. Wenn der Sucher den weiten Ozean betrachtet, wird er unweigerlich in seinem Herzen die Weite des Ozean fühlen. Wenn er den weiten Himmel betrachtet, tritt er in den Himmel ein und wird zum Himmel. Alles Weite, Reine, Göttliche, Erhabene, das er betrachtet, kann er unmittelbar als sein Ureigenstes erfahren und dazu werden. Es gibt keinen gähnenden Abgrund mehr zwischen dem, was er sieht, und dem, was er ist. In seinem Bewusstsein wird er zu dem, was er betrachtet.

Das ist keinesfalls nur Einbildung! Dieses Herz ist ein göttliches Herz, welches das universelle Bewusstsein in sich trägt. Das spirituelle Herz ist nicht das Herz, das wir in unserem physischen Körper finden. Das spirituelle Herz ist größer als das Größte. Es ist weiter als das universelle Bewusstsein selbst. Wir sagen immer, es gebe nichts, das dem universellen Bewusstsein überlegen sei, doch das ist ein Irrtum. Das Herz, das spirituelle Herz, umfasst das universelle Bewusstsein. Dieses Zentrum ist völlig gefahrlos, wenn wir es dazu benützen, uns mit der Weite, mit der Schönheit der Natur zu identifizieren. Wenn wir es jedoch dazu gebrauchen, außerhalb unseres Körpers zu reisen, gehen wir ein Risiko ein.

Vishuddha, das Kehlkopf-Chakra:

Wer das Vishuddha-Chakra beherrscht, hat die Fähigkeit, der Welt göttliche Botschaften zu geben. Ihm enthüllt die universelle Natur uralte verborgene Geheimnisse. Die Natur verbeugt sich hier vor dem Sucher. Er kann ewige Jugend bewahren. Die äußere Welt unterwirft sich ihm. Die innere Welt umarmt ihn. Wir erhalten ständig Botschaften von verschiedenen Bewusstseinsebenen, doch wenn man eine Botschaft vom Vishuddha-Zentrum erhält, ist diese Botschaft erhaben und ewig. Wenn dieses Zentrum geöffnet ist, erhält man unmittelbare Botschaften vom Supreme und wird zum Sprachrohr des Supreme. Man wird ein Dichter, ein Sänger oder ein Künstler. Alle Kunstformen kommen durch dieses Zentrum zum Ausdruck. Es ist in vielen Menschen geöffnet, doch seine Aktivität hängt vom Grad seiner Öffnung ab, vom Entwicklungsstand eines Menschen. Das Kehlkopf-Chakra birgt kaum irgendeine Gefahr; es ist ein sehr mildes Zentrum. Es greift nicht in das Wirken anderer Zentren ein und die anderen Zentren lassen es ebenfalls in Ruhe.

Ajna, das Stirnchakra:

Wer dieses Chakra beherrscht, zerstört seine dunkle Vergangenheit, beschleunigt die goldene Zukunft und manifestiert die Gegenwart in einer höchst erfüllenden Weise. Seine seelischen und okkulten Kräfte kennen keine Grenzen, sie sind endlos. Das Ajna-Chakra, das etwas oberhalb der Nasenwurzel liegt, ist das machtvollste Zentrum. Wenn das dritte Auge sich öffnet – sofern dies auf die richtige Weise geschieht – zerstört man damit als erstes seine unstrebsame und ungöttliche Vergangenheit. Wenn wir im Augenblick etwas sehen oder erfahren, besteht ein Unterschied zwischen unserer Erfahrung und dem Gegenstand, den wir erfahren. Wenn das Stirnchakra jedoch geöffnet ist, erfahren wir den Gegenstand selbst, wir werden eins mit dem Gegenstand unserer Erfahrung. Jetzt gehren Sehen und Werden zusammen. Sehen selbst ist Werden und Werden ist Sehen. Aus diesem Grund will der Sucher, der sein drittes Auge geöffnet hat, die Vergangenheit aus seinem Gedächtnis löschen. Nehmen wir einmal an, jemand wurde in dieser Inkarnation ein Yogi. Wenn er auf seine vorhergehenden Inkarnationen zurückblickt, sieht er vielleicht, dass er ein Dieb oder etwas noch Schlimmeres gewesen ist. Da er jetzt nicht mehr in diese Erfahrung eintreten möchte, wird er versuchen, diesen Teil seiner Vergangenheit auszulöschen. Jetzt hat er die Macht dazu.

Wenn man Gott verwirklicht, wird die Vergangenheit automatisch gelöscht. Wie ich schon sagte – wenn man das dritte Auge oder irgendein anderes Zentrum öffnet, bedeutet das noch nicht, dass man Gott verwirklicht hat. Wenn man Gott jedoch verwirklicht, wird die dunkle, unreine oder ungöttliche Vergangenheit auf einen Schlag erleuchtet und ausgelöscht. Im Augenblick der Gottverwirklichung findet Erleuchtung statt. Es ist als trete man aus einem dunklen Raum in einen erleuchteten Raum. Wo vorher alles dunkel war, wird es jetzt hell. Gottverwirklichung bedeutet unmittelbare Erleuchtung.
Mit dem Ajna-Chakra kann die Vergangenheit gelöscht und die Zukunft in die Unmittelbarkeit des Heute gebracht werden. Wenn man weiß, dass man in zehn Jahren etwas vollbringen oder zu etwas werden wird, kann man mit Hilfe des dritten Auges dieses Ergebnis schon heute erreichen. Man braucht keine zehn, fünfzehn oder zwanzig Jahre zu warten.

Doch wenn man solche zukünftigen Ereignisse zum Vorschein bringt, kann das bisweilen sehr gefährlich sein. Es gab viele, viele Fälle, wo die Zukunft eines Suchers sehr hell und leuchtend war. Doch wenn die Zukunft unmittelbar in die Gegenwart gebracht wird, erschreckt und verwirrt das Ausmaß des Ergebnisses den Sucher. Der Sucher ist wie ein junger Elefant. Mit den Jahren wird er immer stärker und nach zehn Jahren wird er gewaltige Kraft besitzen. Doch wenn diese Kraft jetzt zum Vorschein kommt, kann die innere Empfänglichkeit dafür fehlen. Die Kraft kommt hervor, aber sie kann nicht unter Kontrolle gebracht oder in einem sicheren Gefäß eingeschlossen werden. Zu diesem Zeitpunkt wirkt diese Kraft wie ein Gegner und zerstört die Person, die sie herbeigerufen hat. Daher ist es sehr gefährlich, die Zukunft in die Gegenwart zu bringen.

Lassen Sie die Gegenwart wachsen und ihre Rolle spielen. Die Vergangenheit hat ihre Aufgabe erfüllt, jetzt ist die Gegenwart am Zug. Nur in wenigen Fällen, wenn Gott will, dass ein Sucher sehr schnellen Fortschritt macht, kann man sehr schnell laufen anstatt systematisch voranzugehen. Es ist genau wie bei einem Schüler in der Schule. Manchmal durchläuft ein Schüler nicht alle Stufen vom Kindergarten über die Grundschule zum Gymnasium, manchmal lässt er eine Stufe aus. So ist es auch im spirituellen Leben – wenn Gott will, dass die Zukunft in die Gegenwart gebracht wird, besteht keine Gefahr. Wenn dies nicht der Fall ist kann es außerordentlich gefährlich sein.

Mit dem dritten Auge kann man sehr vieles vollbringen. Das dritte Auge besitzt, was Gott, die höchste Macht, ist. Wenn diese höchste Macht vom dritten Auge missbraucht wird, dann bedeutet das Zerstörung, völlige Zerstörung. Doch wenn das dritte Auge die höchste, transzendentale Kraft richtig und göttlich gebraucht, dann wird sie ein großer Segen sein, der größte Segen, den die Menschheit sich vorstellen kann.

Sahasrara, das Scheitelchakra:

Das Sahasrara-Chakra ist das stille Chakra., das sich nirgendwo einmischt. Es ist wie das älteste Mitglied der Familie; es stört niemanden und möchte auch von niemandem gestört werden. Wenn dieses Zentrum dauerhaft geöffnet ist, genießt man unendliche Seligkeit und wird untrennbar eins mit dem ewig sich transzendierenden Jenseits. Man erkennt, dass man frei von Geburt und Tod ist. Man lebt nur noch in Unendlichkeit, Ewigkeit und Unsterblichkeit. Das sind jetzt keine vagen Begriffe mehr, sondern Wirklichkeiten. In diesem Augenblick sieht man sich als Ewigkeit und wächst in die Ewigkeit hinein, im nächsten Augenblick sieht man sich als Unendlichkeit und wächst in die Unendlichkeit hinein; einige Augenblicke später sieht man sich als Unsterblichkeit und wächst in seinem Bewusstsein in die Unsterblichkeit hinein. Und manchmal geschieht es, dass Unendlichkeit, Ewigkeit und Unsterblichkeit sich im eigenen Bewusstsein vereinen.

Wenn das Sahasrara-Zentrum geöffnet ist, wird der innere Führer zu einem echten Freund. Hier werden das Unendliche und sein auserwählter Sohn die besten Freunde, um ihre besondere Mission für ihre gegenseitige Manifestation zu erfüllen. In einem Sekundenbruchteil verraten sie einander zahllose Geheimnisse, Millionen von Geheimnisse. Auf der einen Seite genießen Vater und Sohn unendlichen Frieden und unendliche Seligkeit, auf der anderen Seite unterhalten sie sich über die Probleme der Welt, universelle Probleme, und das alles im Bruchteil einer Sekunde. Doch ihre Probleme sind keine wirklichen Probleme. Ihre Probleme sind lediglich Erfahrungen in ihrem kosmischen Spiel.

Von allen Zentren ist Sahasrara das höchste, das friedvollste, das seelenvollste, das fruchtbarste. Dort sind Unendlichkeit, Ewigkeit und Unsterblichkeit eins geworden. Die Quelle wird eins mit der Schöpfung und die Schöpfung wird eins mit der Quelle. Hier werden der Wissende und das Gewusste, der Liebende und der Geliebte, der Sohn und der Vater eins. Gemeinsam transzendieren der Schöpfer und die Schöpfung ihren Traum und ihre Wirklichkeit. Ihr Traum lässt sie fühlen, was sie sind, und ihre Wirklichkeit lässt sie fühlen, was sie tun können. Wirklichkeit und Traum werden eins.

Kundalini Yoga
Zweiter Vortrag
21. Februar 1973

Konzentration, Meditation, Willenskraft und Liebe

Konzentration im Kundalini-Yoga

Ein Sucher konzentriert sich auf die Zentren, um sie zu öffnen. Dies ist ein langwieriger, mühsamer, ungewisser und gefährlicher Prozess. Wenn die bewussten Anstrengungen des Suchers nicht groß genug sind, wird der Prozess langwierig sein. Wenn nicht das ganze Wesen des Suchers mitarbeitet, wird der Prozess mühsam sein. Wenn der Sucher sich auf seiner Reise mit unzähligen Ängsten anfreundet, wird der Prozess unweigerlich ungewiss sein. Und wenn der Sucher während der Reise mit brütenden Zweifeln Freundschaft schließt, wird der Prozess außerordentlich gefährlich sein.

Auf allen Yogawegen benötigt man einen spirituellen Lehrer. Im Kundalini-Yoga jedoch ist ein spiritueller Lehrer von allergrößter Wichtigkeit. Wenn Sie anderen Yogawegen folgen, brauchen Sie zwar ohne Zweifel auch einen Meister, doch wenn Sie keinen Meister möchten, sondern lieber wie ein indisches Ochsengespann langsam und gemächlich vorwärts gehen wollen, schadet das nicht. Auf anderen Wegen lauern keine Gefahren. Sie werden Ihr Ziel zwar erst nach Tausenden von Jahren in einem anderen Leben erreichen, doch ist es nicht besonders gefährlich, sich ohne Führer auf die Reise zu begeben. Wenn Sie jedoch im Kundalini-Yoga keinen echten Meister als Lehrer haben, spielen Sie mit dem Feuer. Wenn sich die spirituellen Zentren, vor allem die unteren Zentren: Muladhara, Svadhisthana und Manipura vorzeitig und ohne vollständige Vorbereitung öffnen, können sie den Sucher in größtes Unglück stürzen. Mit seiner unendlichen Weisheit verkürzt der Lehrer den langen Weg für den Schüler. Mit seinem tiefen Mitgefühl macht der Lehrer aus dem mühsamen und steilen Pfad für den Schüler eine leichte, ebene Straße. Mit seinem erleuchtenden Licht beseitigt der Lehrer die Ungewissheit aus dem Verstand des Schülers und ersetzt sie durch absolute Gewissheit. Mit seiner unbezwingbaren Kraft räumt der Lehrer alle Gefahren für den Schüler vom Anfang bis zum Ende seiner Reise beiseite. Er verwandelt den Weg in einen sonnenerleuchteten Pfad, auf dem der Schüler gefahrlos und ohne Hindernisse am schnellsten laufen kann.

Meditation im Kundalini-Yoga

Der Sucher meditiert auf seinen Verstand, auf sein Herz oder auf irgendetwas anderes. Doch am Anfang ist sein Hauptziel, seinen Verstand leer zu machen, ihn ruhig werden zu lassen und zum Schweigen zu bringen. Er meditiert, um seine menschliche Individualität in Gottes höchste Universalität auszudehnen. Er meditiert, um seine menschliche Persönlichkeit in Gottes unendliches und ewiges Leben auszudehnen. Eines Tages wird der Sucher entdecken, dass er Liebender und Geliebter zugleich ist. Die strebende Seele, die er verkörpert, ist der Liebende in ihm. Und das transzendentale Selbst, das er von innen her enthüllt, ist sein Geliebter.

In den ersten Jahren seines spirituellen Lebens muss der Sucher einige Regeln beachten. Er muss jeden Tag früh am Morgen zur gleichen Stunde und am gleichen Ort meditieren, an einem Ort, der von Störungen der äußeren Welt geschützt ist. Wenn er Glück hat, kann er beim Meditieren mit dem Gesicht zur aufgehenden Sonne sitzen. Von den Sonnenstrahlen wird dynamische Energie, kreative Kraft und die Hoffnungsbotschaft der Befreiung in den Sucher eintreten. Ehe er zu meditieren beginnt, muss er sich gut duschen, damit sein äußerer Körper sauber ist. Zum Meditieren sollte er leichte Kleidung tragen, am besten in Weiß, der Farbe der Reinheit. Und er sollte Räucherstäbchen und Kerzen anzünden und Blumen vor sich hinstellen, um für die Meditation zusätzliche Inspiration zu erhalten.

Wenn der Sucher all dies befolgt, werden im Laufe der Zeit Frieden, Licht und Seligkeit auf ihn herabkommen und zu Gottes auserwählter Stunde wird er die Stimme der Stille vernehmen. Die Stimme der Stille wird den Sucher mit intuitiver Kraft segnen. Wenn er diese intuitive Kraft nicht nach eigenem Gutdünken, sondern in Übereinstimmung mit Gottes Willen gebraucht, wird er allmählich die Kundalini-Chakren öffnen können. Dieser Prozess ist recht einfach und gleichzeitig ist das Ergebnis sehr wirkungsvoll und höchst befriedigend. Der Sucher unterwirft sich dabei keiner harten Disziplin. Er konzentriert sich nicht auf jedes einzelne Zentrum, wie es andere Sucher tun. Er benutzt einfach seine intuitive Kraft. Diese intuitive Kraft kann sehr leicht und wirksam seine Zentren öffnen.

Willenskraft im Kundalini-Yoga

Spirituelle Meister höchster Ordnung öffnen ihre Chakren ohne Konzentration und Meditation. Sie benutzen einfach ihre unbezwingbare und alles besiegende Willenskraft und öffnen die sieben Zentren so mühelos, wie man sieben Weintrauben verspeist. Diese Willenskraft kann man das Licht der Seele oder den Atem des Geistes nennen. Sie ist eine Art göttliche Vulkankraft. Sie kann ein Zentrum in nur wenigen Sekunden öffnen. Doch diese großen spirituellen Meister folgten einst selbst dem Pfad kraftvoller Konzentration und tiefer Meditation. Ihre Konzentration und Meditation war jedoch nicht auf die Chakren gerichtet; sie konzentrierten sich auf Gottes Füße und meditierten auf Gottes Herz. Von Gottes Füßen erhielten sie Gottes grenzenlose Liebe. Während sie mit Gottes Mitgefühl spielten, sahen und fühlten sie, dass Sein Mitgefühl nichts anderes war als Seine unbezwingbare Willenskraft. Während sie mit Gottes Liebe spielten, sahen und fühlten sie, dass Seine Liebe nichts anderes war als Sein Weisheitslicht.

Als diese Meister im Laufe der Zeit die Fähigkeit erhielten, dieses grenzenlose Licht und diese grenzenlose Kraft anzuwenden, durften sie dies nur auf Anweisung des inneren Führers tun und nicht nach eigenem Gutdünken. Ein echter spiritueller Meister besitzt weniger Freiheit, im üblichen Sinn des Wortes, als ein gewöhnlicher Mensch. Ein gewöhnlicher Mensch verfügt über eine begrenzte Entscheidungsfreiheit. Mit dieser Freiheit kann er nach Belieben Gottes Willen zuwiderhandeln. Doch ein echter spiritueller Meister hat seinen individuellen Willen dem Willen des Supreme übergeben. Er kann niemals einen persönlichen Willen haben, der sich vom göttlichen Willen unterscheidet.

Der absolute Supreme bittet den spirituellen Meister immer, zuerst von seinem Weisheitslicht Gebrauch zu machen, bevor er seine Willenskraft einsetzt. Sehr oft gebrauchen gewöhnliche Yogis und Menschen, die zum Okkultismus neigen, überhaupt kein Weisheitslicht. Sie arbeiten nur mit der Willenskraft, die vom Vitalen kommt. Willenskraft kann von der vitalen Welt, von der Seelenwelt oder vom trans­zendentalen Selbst kommen. Wenn wir die Willenskraft vom transzendentalen Selbst gebrauchen, sind wir sicher, vollkommen sicher. Wenn wir die Willenskraft aus dem Bereich der Seele verwenden, sind wir ebenso vollkommen sicher. Doch wenn wir die Willenskraft vom Vitalen anwenden, dem niederen, aggressiven, zerstörerischen oder selbst dem dynamischen Vitalen, dann begeben wir uns in Gefahr. Sehr oft beschwören Menschen auf diese Weise für sich und für andere Gefahren und Schwierigkeiten herauf, weil sie die vitale Kraft nicht richtig beherrschen. Ein echter spiritueller Meister jedoch benützt zuerst Gottes Weisheitslicht und erst dann Gottes Willenskraft, um die blinde Menschheit zu erleuchten und die hungrige Menschheit zu nähren.

Liebe und das niedere vitale Leben im Kundalini-Yoga

Wirkliche Liebe und das Leben des niederen Vitalen sind zwei völlig verschiedene Dinge. Konzentration ist äußere Wachsamkeit. Meditation ist innere Wachsamkeit. Konzentration sagt, dass das Leben des niederen Vitalen nicht nur sublimiert, sondern auch vervollkommnet werden muss. Meditation sagt, dass das Leben des niederen Vitalen nicht nur sublimiert, sondern auch vervollkommnet, erleuchtet und befreit werden muss. Die Regungen des niederen Vitalen zu besiegen, ist keine leichte Aufgabe. Es ist nicht auf einmal möglich, sondern muss langsam und stetig geschehen. Wenn man seinem Ziel mit gleichbleibender Geschwindigkeit entgegenläuft, wird man es schließlich erreichen. Wenn man immer ein Leben der Reinheit, ein Leben des bewussten Gewahrseins und ein Leben der Selbstwidmung führt, kann das niedere Vitale in das dynamische, erleuchtete Vitale verwandelt werden, das von Gott selbst gebraucht werden kann.

Konzentration sagt uns, dass das Leben der Liebe sich nicht zwischen dem bindenden Menschlichen in anderen abspielen darf. Konzentration sagt uns weiter, dass das Leben der Liebe sich zwischen dem Göttlichen in uns und dem Göttlichen und Unsterblichen in Gott abspielen muss. Nur dann können unsere Liebe und Gottes Liebe gemeinsam erfüllt werden. Meditation sagt, dass das Leben der Liebe sich zwischen unserer Verwirklichung Gottes und Gottes Manifestation in uns abspielen muss. Meditation sagt darüber hinaus, dass das Leben der Liebe sich zwischen der transformierten und vervollkommneten Leidenschaft des Körpers und der erleuchtenden und erfüllenden Ekstase des Geistes abspielen muss.

Das Tierische in uns weiß nicht, was wirkliche Liebe ist. Das Menschliche in uns weiß ganz genau, was wirkliche Liebe ist, aber es hat das Gefühl, wirkliche Liebe sei etwas Unerreichbares. Das Göttliche in uns weiß, dass wirkliche Liebe für uns in unmittelbarer Reichweite liegt. Und es erklärt uns seelenvoll, nachdrücklich und bestimmt, was wirkliche Liebe bedeutet. Wirkliche Liebe bedeutet unaufhörliches Sich-Geben und endloses Gott-Werden.

Die meisten von Ihnen wissen einiges über Konzentration und Meditation. Ich möchte betonen, dass Sie der Konzentration und der Meditation größte Bedeutung zumessen müssen, egal welchem Pfad Sie folgen oder welchen Yoga sie praktizieren. Was verstehen wir unter Konzentration? Was tun wir, wenn wir uns konzentrieren? Wenn Sie sich konzentrieren, müssen Sie fühlen, dass nichts existiert außer dem Gegenstand der Konzentration. Wenn Sie sich konzentrieren, sollten Sie den Rest der Welt vergessen: was in Ihnen ist, was um Sie herum, vor Ihnen, über Ihnen, unter Ihnen ist. Konzentrieren Sie sich nur auf einen Gegenstand. Wenn Sie sich auf die Spitze Ihres Daumens konzentrieren wollen, beginnen Sie mit Ihrer Vorstellung. Stellen Sie sich vor, dass Ihr Daumen Ihr einziger Besitz ist. Es gibt nichts Anderes, das Sie Ihr eigen nennen können. Der Rest des Körpers gehört nicht zu Ihnen – nur der Daumen. Wenn Sie sich auf Ihre Nasenspitze konzentrieren möchten, fühlen Sie, dass nur die Nase Ihnen gehört – nicht Ihre Augen, Ihre Ohren, Ihr Mund, Ihre Arme oder Beine. Wenn Sie an etwas Anderes zu denken beginnen, fühlen Sie, dass Sie fremdes Gebiet betreten. Auf diese Weise werden Sie Ihre Konzentrationskraft entwickeln.

Es steht Ihnen frei, irgendeinen Teil Ihres Körpers zu wählen und sich darauf zu konzentrieren, doch versuchen Sie einen Teil zu nehmen, den Sie wirklich als Ihr eigen empfinden. Und konzentrieren Sie sich nicht auf Ihren Arm oder Ihre Hand oder Ihr Bein. Nehmen Sie einen kleinen Körperteil, das Auge oder die Nase oder eine Fingerspitze. Je kleiner, desto besser ist es für die Konzentration.

Wenn Sie sich auf Ihren Herzschlag konzentrieren möchten, sollten Sie keine Angst haben. Manche Anfänger befürchten, dass ihr Herz stehen bleibt und sie sterben werden, wenn sie sich auf Ihren Herzschlag konzentrieren. Sie werden von unbeschreiblicher Angst überwältigt. Sie haben das Gefühl, auf der Stelle zu sterben. Sie können sich vielleicht auf alles andere konzentrieren, doch wenn es darum geht, sich auf den Herzschlag zu konzentrieren, bekommen sie furchtbare Angst. Wenn Sie jedoch ein wirklicher Held im spirituellen Leben sein wollen, sollten Sie versuchen, sich auf Ihren Herzschlag zu konzentrieren. Das ist die goldene Gelegenheit für Sie, in das endlose Leben einzutreten. Jedes Mal, wenn Sie Ihren Herzschlag hören, fühlen Sie sofort, dass dort Ihr unendliches, unsterbliches Leben liegt.

Wenn Sie die Kraft der Konzentration sehr schnell entwickeln möchten, machen Sie bitte Folgendes: Waschen Sie sich vor der Übung gründlich Ihr Gesicht und Ihre Augen. Malen Sie dann einen schwarzen Punkt auf Augenhöhe an die Wand und stellen Sie sich in einem Abstand von ca. 30 cm vor diesen Punkt. Konzentrieren Sie sich auf diesen Punkt. Versuchen Sie nach einigen Minuten zu fühlen, dass beim Einatmen Ihr Atem in Wirklichkeit von dem Punkt kommt und dass der Punkt auch einatmet, indem sein Atem von Ihnen kommt. Versuchen Sie sich vorzustellen, dass es zwei Personen gibt: Sie und der schwarze Punkt, den Sie an die Wand gemalt haben. Ihr Atem kommt von dem Punkt und sein Atem kommt von Ihnen. Wenn Ihre Konzentration sehr stark ist, werden Sie innerhalb von zehn Minuten fühlen, dass etwas Sie verlassen hat. Was hat Sie verlassen? Ihre Seele. Ihre Seele hat Sie verlassen und ist in den schwarzen Punkt in der Wand eingetreten. Fühlen Sie jetzt, dass Sie und Ihre Seele sich unterhalten. Ihre Seele führt Sie in die Seelenwelt zur Verwirklichung und Sie bringen Ihre Seele in Ihre Welt zur Manifestation. Auf diese Weise können Sie Ihre Konzentrationskraft sehr leicht entwickeln. Doch diese Methode erfordert Übung. Es gibt viele Dinge, die durch Übung sehr leicht werden, aber weil wir nicht üben, erhalten wir auch das Ergebnis nicht.

Denken Sie immer daran, dass die Kraft der Konzentration nur dann sehr schnell entwickelt werden kann, wenn Sie sich auf einen möglichst kleinen Gegenstand konzentrieren. Die Kraft der Meditation ist etwas völlig anderes. Wenn Sie die Kraft der Meditation entwickeln wollen, sollten Sie an etwas sehr Weites denken. Denken Sie an den Himmel oder das Meer. Wenn Sie frühmorgens oder am Abend meditieren, brauchen Sie nicht unbedingt auf das Meer oder in den Himmel zu schauen, wenn Sie nicht wollen. Zuvor sagte ich, dass es außerordentlich hilfreich ist, wenn man am Morgen die aufgehende Sonne sehen kann. Wenn Sie jedoch keine Gelegenheit haben, die Sonne, den Himmel oder das Meer zu sehen, macht das nichts. Versuchen Sie, die aufgehende Sonne in Ihrem Inneren zu sehen, versuchen Sie den Himmel und das Meer in Ihrem Inneren zu sehen. Ihr spirituelles Herz ist unendlich viel größer als das Meer und unendlich viel weiter als der Himmel.

Wenn Sie meditieren, erwarten Sie bitte weder etwas von sich selbst noch von Gott. Wenn Sie von Ihrer Meditation nichts erwarten, werden Sie den schnellsten Fortschritt machen können. Erwarten Sie nicht, dass Sie morgen das beste Instrument Gottes sein werden, oder dass Gott Sie morgen zu Seinem auserwählten Instrument machen wird. Meditieren Sie einfach auf Gottes Herz, das reines Licht ist. Und wenn Sie sich konzentrieren wollen, konzentrieren Sie sich einfach auf Gottes Füße, die reines Mitgefühl sind. Sie brauchen nicht Tausende von Dingen, weder von Ihrem eigenen Leben noch von Gott. Sie brauchen nur Gottes Mitgefühl und Gottes Licht. Wenn Sie das haben, besitzen Sie alles.

Sowohl durch Konzentration als auch durch Meditation können Sie Ihre Kundalini erwecken. Doch wenn Sie die Kundalini-Kräfte entwickeln wollen, gibt es dafür einen einfachen Prozess. Üben Sie Hatha-Yoga. Hier im Westen gibt es viele, viele Lehrer, die Hatha-Yoga lehren können und die die Übungen außerordentlich gut beherrschen. Hatha-Yoga hilft Ihnen, Ihr Körperbewusstsein zu reinigen und Reinheit ist im Kundalini-Yoga von großer Wichtigkeit. Hatha-Yoga ist die Vereinigung der Sonnennatur und der Mondnatur: Das heißt, der dynamischen und der milden Natur in uns. Die dynamische Eigenschaft ist Kraft und die milde Eigenschaft ist Schönheit. Hatha-Yoga vereinigt beide. Raja-Yoga auf der anderen Seite bedeutet die Vereinigung von Bewusstsein und Erleuchtung. Wenn Bewusstsein und Erleuchtung eins werden, kann man alles erreichen, was man erreichen will.

Falls ein Sucher nur nach Gott, Gottes Licht und der höchsten Wahrheit strebt, dann sollte dieser Sucher nur einem einzigen Pfad folgen: dem Pfad des Selbstanerbietens, dem Pfad der Selbsthingabe, dem Pfad ständigen Sich-Gebens. Wenn Sie das Unendliche, das Absolute, verwirklichen wollen, dann folgen Sie dem Pfad ständiger und bedingungsloser Selbsthingabe. Wenn Sie Hatha-Yoga, Raja-Yoga, Karma-Yoga, Bhakti-Yoga oder Jnana-Yoga praktizieren und Ihr Ziel erreichen – egal auf welchem dieser Wege – wird es sein, als erhielten Sie einige der köstlichen Mangos von einem Baum. Sie haben die Mangos gesehen und sie gepflückt, doch dem Eigentümer sind Sie nicht begegnet. Wenn Sie jedoch dem Yoga bedingungsloser Selbsthingabe folgen, in dem der menschliche Wille dem göttlichen Willen dargebracht wird, dann werden Sie dem Eigentümer des Baumes begegnen und der Eigentümer wird Ihnen mit Freuden die Früchte aller Bäume in seinem Garten schenken.

Der Yoga der Selbsthingabe kann mit und in allen anderen Yogasystemen praktiziert werden, doch ein Sucher, der nur nach Gott strebt – Gott der unendlichen Wahrheit, Gott dem unendlichen Frieden, dem unendlichen Licht und der unendlichen Glückseligkeit – muss ganz gewiss den Yoga der Selbsthingabe üben. Diese Hingabe ist nicht die Selbstaufgabe einer trägen Person. Sie ist die Hingabe eines dynamischen, aktiven Menschen, der ständig bereit ist, sich selbst darzubringen und zu dem zu werden, zu dem Gott ihn machen möchte.

Kundalini Yoga
Dritter Vortrag
28. Februar 1973

Selbstentdeckung und Transformation

Es gibt zwei Welten: die äußere Welt und die innere Welt. Wenn die Kundalini fest schläft, lebt der Mensch in der äußeren Welt. Er möchte alles besitzen, was die äußere Welt ihm zu bieten hat und er glaubt, dass nur die Dinge der äußeren Welt ihn zufrieden stellen können.

Wenn die Kundalini erwacht ist, ist sich der Mensch der inneren Welt völlig bewusst. Er weiß, dass die äußere Welt seine inneren Bedürfnisse nicht befriedigen kann. Er hat das Potenzial der inneren Welt zum Vorschein gebracht und erkannt, dass er den Fähigkeiten der äußeren Welt weit überlegen ist. Er hat die verborgenen Kräfte, die okkulten Kräfte in sich selbst zum Vorschein gebracht. Entweder benutzt er nun diese Kräfte auf die richtige Weise oder er missbraucht sie. Wenn er die Kundalini-Kräfte auf göttliche Weise gebraucht, wird er zum wahren Stolz der Höchsten Mutter. Wenn er sie aber missbraucht, wird er zum schlimmsten Feind des verkörperten Bewusstseins des Menschen und seiner eigenen persönlichen Entwicklung.

Wir alle spielen gern und bei unserer göttlichen Mutter und unserem göttlichen Vater ist es nicht anders. Wenn Parvati, die göttliche Mutter und Shiva, der göttliche Vater, spielen wollen, möchten sie, dass ihr Kind mitspielt. Doch ihr Kind liegt in tiefem Schlaf und so warten sie eine Weile. Wenn sie schließlich das Gefühl haben, es sei höchste Zeit für das Kind aufzustehen, gibt ihm die Mutter von unten, vom Muladhara-Chakra her, liebevoll einen Schubs und der Vater zieht es von oben, vom Sahasrara-Chakra her, zärtlich hinauf. Da steht das Kind auf.

Wenn das Kind nun in einem guten, göttlichen Bewusstsein ist, sagt es: „Es tut mit so leid, dass Ihr so lange auf mich warten musstet. Bitte entschuldigt mich. Ich will mit Euch spielen. Kommt, lasst uns mit dem Spiel beginnen.“ Nun lehrt die Mutter das Kind auf die liebevollste Weise mit ihrer dynamischen Kraft, wie es das kosmische Spiel außerordentlich gut spielen kann. Auch der Vater lehrt das Kind auf ebenso liebevolle Art mit seinem inneren erleuchtenden Licht und seiner Weisheit. Schließlich machen sie ihr Kind zu einem einzigartigen, vollendeten Spieler. Wenn das Kind ein außergewöhnlich guter Spieler geworden ist, muss es gegen drei Gegenspieler zugleich kämpfen. Diese drei furchtbaren Gegner sind Dunkelheit, Unwissenheit und Tod. Zu seiner Überraschung fällt es ihm leicht, seine Feinde zu besiegen. Sein ist der immerwährende Sieg über diese gefallenen Feinde.

Wenn das Kind in einem schlechten, ungöttlichen Bewusstsein ist, wenn es von seinen Eltern geweckt wird, sagt es zu ihnen: „Lasst mich um Gottes Willen in Frieden. Ich brauche Schlaf, nichts als Schlaf. Etwas anderes will ich nicht. Ich will nicht spielen.“ Darauf sagen die Eltern traurig: „Schlaf weiter, mein Kind, schlaf weiter. Wir werden ohne dich spielen.“

Jeder kann Kundalini-Yoga praktizieren, wenn er es aufrichtig will. Und wenn er ihn nur studieren will, muss ich sagen, dass der Kundalini-Yoga es wert ist, mit der tiefsten Ehrfurcht studiert zu werden.

Die Hauptziele des Kundalini-Yoga bestehen darin, die dynamische Existenz in der statischen Existenz zu verwirklichen, die niederen Bewusstseinsebenen in die höheren Bewusst­seinsebenen zu überführen, die Knechtschaft des Endlichen in die Freiheit des Unendlichen zu verwandeln. Die dynamische Existenz ist Shakti und die statische Existenz ist Shiva. Wenn Shakti nicht in Shiva gegenwärtig ist, wird Shiva statisch bleiben. Shakti, die Mutter, ist die Kraft, doch es ist der Vater, der diese unendliche Kraft in sich trägt.

Wenn ein Sucher sich mit der Mutter-Kraft identifizieren will, muss er die Intensität seines inneren Strebens verstärken. Durch Intensität wird er eins mit der Shakti. Und um mit Shiva, dem Göttlichen Vater, völlig eins zu werden, braucht er meeresgleiche Weite.

Hier im Westen halten viele Menschen die Kräfte des Kundalini-Yoga für Aberglauben. Diese Menschen irren sich völlig. Die echten spirituellen Meister haben den Kundalini-Yoga geprüft und durch ihre eigenen Erfahrungen die unleugbare Authentizität dieser verborgenen okkulten Kräfte bestätigt gefunden.

Gesegnet ist derjenige, der Kundalini-Yoga als einen Teil seiner Selbstentdeckung praktiziert und nicht, um Macht der Hypnose, der schwarzen Magie oder anderer niederer Formen des Okkultismus zu erwerben, die in der vitalen Welt und von der vitalen Welt aus wirken. Ein echter Schüler des Kundalini-Yoga versteht, die Macht des Vitalen und die spirituelle Erkenntnis in vollkommener Harmonie mit dem sich entwickelnden Geist des Lebens miteinander zu vereinen. Ein echter Sucher betrachtet die verborgenen Mächte oder okkulten Kräfte niemals als sein Ziel. Ihm ist nur Gott wichtig. Er sehnt sich nur nach der liebenden Gegenwart Gottes in seinem Leben.

Die Kundalini-Kraft ist die dynamische Kraft in uns. Wenn dynamische Kraft und spirituelle Erkenntnis Hand in Hand gehen, dämmert die vollkommene Harmonie des universellen Bewusstseins und die bewusste Evolution der menschlichen Seele erreicht das transzendentale Selbst.

Es gibt zwei Möglichkeiten, den Pfad des Kundalini-Yoga zu betreten: durch den tantrischen Prozess und durch den vedantischen Prozess. Der tantrische Ansatz ist systematisch und ausgefeilt, aber gleichzeitig auch relativ gefährlich. Der vedantische Prozess ist einfach und mystisch, doch er ist sicher und in keiner Weise weniger überzeugend oder weniger erfüllend.

Die tantrische Methode ist gefährlich, weil sie sich zuerst mit dem niederen Vitalen und dem emotionalen Leben befasst. Dieser Ansatz ist dynamisch und mutig. Entweder man reinigt sich, indem man mutig die vitale Welt betritt und siegreich wieder aus ihr hervorkommt, oder man verliert sich völlig in der Unwissenheit der vitalen Welt, wenn man innerlich nicht stark genug ist, die vitalen Kräfte dieser Welt zu überwinden.

Der vedantische Weg ist sicher, weil der Sucher sich dort konzentriert und meditiert, um sein Bewusstsein zu heben, zu reinigen und zu erleuchten, bevor er versucht, sich mit den dunklen und unreinen niederen vitalen Kräften auseinander zu setzen, die ihn zu binden versuchen. Wenn der Sucher mit dem Licht der Erleuchtung in die niedere vitale Welt eintritt, sieht er zu seinem großen Erstaunen, dass das niedere Vitale erleuchtet, gereinigt und vergöttlicht ist.

Der tantrische Prozess verlangt vom Sucher ständiges und bewusstes Gewahrsein der inneren und aufwärts steigenden Bewegung vom Muladhara-Chakra zum Sahasrara-Chakra. Der vedantische Prozess verlangt vom Sucher bewusstes und ständiges Gewahrsein des sich ent­wickelnden und befreienden Bewusstseins.

Wenn jemand von Ihnen Kundalini-Yoga praktizieren möchte, rate ich diesem Sucher, der vedantischen Methode zu folgen, die ungefährlich und zuverlässig ist. Wenn Sie der vedantischen Methode folgen, werden Sie das Ziel mit Bestimmtheit sicher und gefahrlos erreichen.

Vivekananda

Vivekananda bewies die Aufrichtigkeit seines inneren Schreis, seiner tiefsten inneren Sehnsucht nach Wahrheit, nach Gott, nach dem Licht. Vivekananda, der damals noch Naren hieß, erhielt einst von seinem spirituellen Meister Sri Ramakrishna ein großes Geschenk angeboten. Sri Ramakrishna sagte zu ihm: „Naren, du weißt, dass ich mich den härtesten spirituellen Disziplinen unterzogen habe. Ich bete ständig zu Mutter Kali und verehre Gott. Ich habe alles getan, was notwendig ist, und jetzt bin ich mit okkulter Kraft gesegnet. Doch du weißt, dass ich mir nichts aus äußeren Errungenschaften mache. Ich achte nicht einmal auf die Kleider, die ich trage; ich lebe die meiste Zeit in meiner eigenen Welt. Daher möchte ich Mutter Kali sagen, dass ich dir gerne meine ganze okkulte Kraft geben will. Du wirst sie gebrauchen können, wenn der Zeitpunkt für dich gekommen ist, um für die ganze Welt zu arbeiten.“

Naren fragte sofort: „Meister, bitte sage mir, ob diese Kraft mir in irgendeiner Weise helfen wird, Gott zu verwirklichen?“

Sri Ramakrishna sagte: „Nein, nein! Du weißt, dass okkulte Kraft nichts mit Gottverwirklichung zu tun hat. Doch wenn du Gott verwirklicht hast und eine Zeit lang in der Welt wirken und Gott auf der Erde manifestieren willst, dann kann diese Kraft für dich eine große Hilfe sein.“

Narens unmittelbare Antwort war: „Das Wichtigste kommt immer zuerst. Zuerst möchte ich Gott verwirklichen. Wenn du und Gott mir dann okkulte Kräfte geben wollt, damit ich sie für die Menschheit gebrauche, werde ich sie annehmen. Doch im Augenblick will ich nur Gott. Gott kommt in meinem Leben an erster Stelle.“

Ramakrishna war höchst erfreut über seinen Lieblingsschüler. Er sagte zu den anderen Schülern: „Schaut euch meinen Naren an. Schaut, was für ein Beispiel er euch gibt. Ihr müsst eure ganze Aufmerksamkeit zuerst auf Gott richten, nur auf Gott. Das ist der einzige Weg, wie ihr Gott verwirklichen könnt. Okkulte Kräfte sind völlig zweitrangig.“

Die meisten spirituellen Meister baten ihre Schüler, sich nicht um die verborgenen Kräfte der Kundalini zu kümmern. Wenn einem Schüler nur an der Wahrheit, nur am Licht liegt, wird er in seinem inneren Leben wirklichen Fortschritt machen.

Wir praktizieren Kundalini-Yoga, um die eine oder andere Kraft zu erhalten. Doch wenn wir auf Gott meditieren und Gott den Schöpfer zufrieden stellen, wird Er uns Seine gesamte Schöpfung geben, wenn Er will. Wenn wir zu allererst den Schöpfer wollen und nicht Seine Schöpfung, dann werden wir den Schöpfer erhalten. Und wenn wir erst einmal den Schöpfer haben, wird die gesamte Schöpfung ebenfalls zu unserer Verfügung stehen. Wenn wir nach einem winzigen Teil der Schöpfung schreien, werden wir ihn verhältnismäßig leicht erhalten. Doch der unendliche Reichtum des Schöpfers wird uns vorenthalten bleiben und wir werden mit dem winzigen Stück zufrieden sein müssen, um das wir gebeten haben.

Zwei Brüder

Es gibt eine berühmte indische Geschichte, die von zwei Brüdern handelt. Der ältere Bruder ging von zuhause fort, um im Wald sehr intensiv zu beten. Nach zwölf Jahren kehrte er wieder zurück. Sein jüngerer Bruder war überglücklich, ihn wieder zu sehen und bat ihn: „Bitte, bitte zeige mir etwas von deiner okkulten Kraft. Du hast zwölf lange Jahre lang Yoga geübt, während ich ein gewöhnliches Leben geführt habe. Bitte zeige mir, was du erreicht hast.“

Der ältere Bruder sagte zu ihm: „Komm mit mir.“ Am Ufer des Flusses setzte sich der ältere Bruder nieder und versank in tiefe Meditation. Nach einer Weile stand er auf und schritt auf dem Wasser über den Fluss.

Sofort winkte der jüngere Bruder den Fährmann heran, gab ihm eine Münze und ließ sich schnell über den Fluss rudern. Als sie am anderen Ufer wieder zusammentrafen, sagte der jüngere Bruder: „Du hast dich zwölf Jahre lang für etwas abmühen müssen, für das ich nur fünf Minuten brauche! Ist das das Ergebnis jahrelanger spiritueller Disziplin und Askese? Schande, Schande, Schande!“

Der ältere Bruder erkannte, dass er seine zwölf Jahre töricht vergeudet hatte. Er ging noch einmal von zuhause fort, doch dieses Mal nur, um nach der Wahrheit zu streben, nach dem Licht, nach Gott.

Kundalini Kräfte

Wenn wir nach Wahrheit und Licht schreien, wenn wir uns von tiefsten Herzen danach sehnen, erhalten wir beides, doch unser innerer Schrei muss außerordentlich aufrichtig, hingebungsvoll und seelenvoll sein. Wenn wir nicht aufrichtig sind, wenn wir nicht rein sind, wenn wir nicht spirituell sind, dann ist die Kraft der Kundalini sinnlos. Hier ist eine weitere wahre Geschichte.

Als ich erst neuneinhalb Jahre alt war, sah ich auf meinem Nachhauseweg von der Schule eine große Menschenmenge. Natürlich ging ich hin um zu sehen, was los war. Einer der Zuschauer sagte mir, dass ein junger Mann, der drei Tage lang begraben war, gerade dabei war, wieder aus dem Grab zu steigen. Zu meinem Erstaunen kam er einige Minuten später tatsächlich heraus, völlig unbeschadet. Doch was tat er als erstes? Sobald er aus der Erde herausgekommen war, legte er seinen Arm um seine Freundin und ging davon. Sein vitales Leben ging uneingeschränkt weiter.

Durch Kundalini-Yoga hatte er die Kraft erhalten, viele Tage lang unter der Erde zu bleiben. Doch was nützte ihm das? Es lag ihm nichts daran, sein vitales Leben zu reinigen. Er führte ein ganz gewöhnliches Leben, ein tierisches Leben. Diese Kraft inspirierte weder ihn noch irgendjemand anderen, ein besseres Leben zu führen. Er benutzte sie nur, um Wunder zu vollführen. Wenn die Kundalini jedoch richtig gebraucht wird, kann sie etwas höchst Bedeutungsvolles vollbringen. Sie kann das Bewusstsein der Menschheit heben. Kundalini-Kraft hat die Fähigkeit, das Bewusstsein der Menschheit zu erwecken und zu erleuchten, wenn sie auf die richtige Weise angewandt wird.

Okkulte Kräfte

Es gibt höhere Okkultisten und niedere Okkultisten. Die niederen Okkultisten kämpfen in der vitalen Welt um okkulte Kraft. So wie Menschen in der äußeren Welt um Macht kämpfen, so kämpfen unerleuchtete Okkultisten in der inneren Welt, der vitalen Welt, ebenfalls um Macht. Wenn ein Okkultist fest schläft, kann ein anderer kommen, ihn okkult angreifen und versuchen, ihm seine okkulte Kraft wegzunehmen. Das ist einst einem meiner Onkel mütterlicherseits passiert. Zum Glück war mein Onkel stärker als der Okkultist, der ihn angriff, und er besiegte ihn.

Doch die höheren, die spirituellen Okkultisten, würden so etwas nie tun. So verhält es sich auch mit spirituellen Meistern, den wirklichen Yogis. Wenn sie okkulte Kräfte besitzen, versuchen sie nicht andere spirituelle Meister anzugreifen oder zu besiegen, um damit ihr okkulte Macht zu vergrößern.

Allerdings nehmen spirituelle Meister manchmal unklugen Suchern okkulte Kraft weg. Manchmal sehen sie, dass ein Sucher im Grunde aufrichtig ist, doch er hat ein wenig okkulte Kraft erlangt und ist dabei, sie zu missbrauchen. Aus ihrem unendlichen Mitgefühl heraus können die Meister dann solchen unglücklichen Suchern ihre okkulte Kraft wieder wegnehmen, damit sie wieder zu ihrem spirituellen Leben zurückfinden und die höchste Wahrheit verwirklichen. Wenn die Zeit reif ist und die Sucher bereit sind, ihre okkulte Kräfte weise zu gebrauchen, geben die Meister sie wieder zurück.

Bei mindestens einer Gelegenheit nahm Sri Ramakrishna auf die ausdrückliche Anweisung von Mutter Kali einer oder zwei Personen ihre okkulte Kraft weg. Sri Ramakrishna brauchte ihre okkulte Kraft nicht, denn er besaß selbst okkulte Kraft in grenzenlosem Maß. Er nahm diesen Suchern diese Kraft nur zu ihrem eigenen spirituellen Wohl weg. Diese Sucher waren im Grunde aufrichtig. Sie hatten die Fähigkeit, nach der höchsten Wahrheit zu schreien, doch sie wurden durch ihre okkulte Kraft abgelenkt und schenkten ihrem wirklichen spirituellen Leben keine Aufmerksamkeit mehr.

Im Falle eines anderen spirituellen Meisters begannen er und sein jüngerer Bruder fast zur selben Zeit mit Yoga. Doch als der ältere Bruder eine Shakti annahm, die ihm bei seiner spirituellen Arbeit helfen sollte, verließ ihn der jüngere Bruder und gründete einen eigenen Ashram. Er besaß auch ein wenig okkulte Kraft, doch als er begann, sie zu missbrauchen, nahm sie ihm sein älterer Bruder weg. Nun schrieb der jüngere Bruder flehentliche Briefe an seinen älteren Bruder und klagte: „Ich weiß, dass du unendlich viel mehr okkulte Kraft besitzt als ich. Warum hast du mir dann das bisschen okkulte Kraft, das ich habe, weggenommen?“ Doch der ältere Bruder antwortete: „Ich habe es zu deinem eigenen spirituellen Wohl getan. Auch wenn du mich verlassen hast, habe ich immer noch grenzenlose Anteil-nahme für dein spirituelles Leben. Ich will, dass du das Höchste verwirklichst. Ich möchte nicht, dass du deine Zeit damit verschwendest, mit deiner okkulten Kraft anzugeben und dadurch deine ganze Spiritualität und all deine göttlichen Möglichkeiten zu verlieren.“

Missbrauch okkulter Kräfte

Im Falle eines anderen spirituellen Meisters begannen er und sein jüngerer Bruder fast zur selben Zeit mit Yoga. Doch als der ältere Bruder eine Shakti annahm, die ihm bei seiner spirituellen Arbeit helfen sollte, verließ ihn der jüngere Bruder und gründete einen eigenen Ashram. Er besaß auch ein wenig okkulte Kraft, doch als er begann, sie zu missbrauchen, nahm sie ihm sein älterer Bruder weg. Nun schrieb der jüngere Bruder flehentliche Briefe an seinen älteren Bruder und klagte: „Ich weiß, dass du unendlich viel mehr okkulte Kraft besitzt als ich. Warum hast du mir dann das bisschen okkulte Kraft, das ich habe, weggenommen?“ Doch der ältere Bruder antwortete: „Ich habe es zu deinem eigenen spirituellen Wohl getan. Auch wenn du mich verlassen hast, habe ich immer noch grenzenlose Anteilnahme für dein spirituelles Leben. Ich will, dass du das Höchste verwirklichst. Ich möchte nicht, dass du deine Zeit damit verschwendest, mit deiner okkulten Kraft anzugeben und dadurch deine ganze Spiritualität und all deine göttlichen Möglichkeiten zu verlieren.“

Lassen Sie mich eine Geschichte über den Missbrauch okkulter Kräfte erzählen. Vor etwa hundertfünfzig Jahren lebte ein spiritueller Meister namens Matsyendranath. Sein Lieblingsschüler hieß Gorakshanath. Als Matsyendranath erkannte, dass Gorakshanath ebenfalls eine spirituelle Größe werden würde, sagte er zu ihm: „Schau, zwei Löwen können nicht in derselben Höhle leben. Wir sollten ab jetzt nicht mehr zusammenbleiben. Du solltest an einen anderen Ort ziehen. Du hast die Fähigkeit dazu, du solltest nun die Welt führen, wie ich sie führe.“

Gorakshanath war darüber sehr unglücklich, doch er musste dem Befehl seines Meisters gehorchen. So verließ er Matsyendranath und blieb sechs Jahre fort. Nach Ablauf der sechs Jahre kehrte er zu dem Ort zurück, an dem er sich von seinem Meister getrennt hatte. Als er dort ankam, fragte er seine spirituellen Brüder und die Leute in der Nachbarschaft, ob sie wüssten, wo sich sein Meister aufhielt. Sie antworteten alle: „Wir können dir nicht verraten, wo dein Meister ist.“

Gorakshanath bat sie inständig und sagte, dass er seinen Meister sechs Jahre lang nicht gesehen hätte und dass er Matsyendranaths Lieblingsschüler sei, doch alle erwiderten: „Nein! Du bist nicht sein Lieblingsschüler. Du machst dich nur wichtig. Und wenn du tatsächlich sein Lieblingsschüler bist, dann solltest du auf seinen Befehl hören. Er sagte uns, dass niemand erfahren dürfe, wo er sich aufhält.“ Und sie weigerten sich, Gorakshanath zu verraten, wo sein Meister war.

Schließlich wurde Gorakshanath wütend. Er sagte: „Jetzt werde ich euch verfluchen. Zwölf Jahre lang werde ihr keinen Regen erhalten. Das bedeutet keine Ernten, keine Nahrung, kein Trinkwasser. Wenn ihr hier bleibt, werdet ihr alle verhungern. Nur unter der Voraussetzung, dass mein Meister hierher zurückkommt, wird dieser Fluch vor Ablauf der zwölf Jahre aufgehoben werden.“

Die Dürre setzte sofort ein. Als die Situation ernst wurde, kam der König des betreffenden Gebietes zu Gorak­shanath und bat ihn eindringlich, den Fluch aufzuheben, doch Gorakshanath weigerte sich. Die Dürre hielt weitere zweieinhalb Jahre an. Als die Nachricht von Gorakshanaths Fluch schließlich Matsyendranath erreichte, kehrte er sofort zurück. Da begann es wieder zu regnen. Matsyendranath trat vor Gorakshanath und sagte: „Ich bin so glücklich, dich wieder zu sehen!“

Gorakshanath erkannte augenblicklich seine Dummheit. „Vergib mir, Meister,“ bat er. „Ich schäme mich für das, was ich diesen Menschen angetan habe.“

Doch Matsyendranath sagte zu seinem Lieblingsschüler: „Du hast nichts Falsches getan. Diese Leute waren alle verdorben, sie verdienten diese Strafe. Sie wird ihnen helfen, ein besseres Leben zu führen.“

„Aber das wusste ich nicht“, wandte Gorakshanath ein. „Ich wollte sie nur bestrafen. Ich war zornig. Meine Handlung war schlecht, weil mein Motiv schlecht war.“

„Ich erfinde keine falsche Rechtfertigung für dein Handeln“, sagte Matsyendranath. „Deine Seele wusste, dass sie eine Strafe verdienten. Was du getan hast, war richtig.“

Wenn der Meister die Kraft seines Mitgefühls anwendet, benützt er sie, um seine Schüler zu beschützen und ihre Fehler zu korrigieren. Der Meister will letzten Endes von seinen Schülern Vollkommenheit. Mitgefühl ist das Mittel. Vollkommenheit ist das Ziel.

Derselbe Meister und derselbe Schüler hatten noch eine andere bedeutende Erfahrung. Gorakshanath war von ungeheurem Stolz erfüllt, weil er die Wahrheit verwirklicht und okkulte Kräfte erlangt hatte und deswegen wollt ihm Matsyendranath zeigen, dass der Gebrauch okkulter Kräfte sehr gefährlich sein kann. Hier ist die Geschichte von dieser Begebenheit.

Einst kam ein Yogi zu Gorakshanath und begann, ihn und seinen Meister Matsyendranath zu beleidigen. Gorak­shanath sagte zu ihm: „Wage es nicht, auf diese Art und Weise über meinen Meister zu sprechen! Ich besitze gewaltige okkulte Kräfte!“

Der Yogi forderte ihn heraus: „Zeige mir deine okkulte Kraft!“
Gorakshanath sagte: „Hier ist ein Messer. Wenn du mich damit an irgendeiner Stelle meines Körpers stichst wirst du mich nicht verletzen können. Das ist meine Kraft.“

Der Yogi begann, auf Gorakshanath einzustechen, doch er konnte ihm nicht einmal ein Haar krümmen. Darauf sagte der Yogi zu ihm: „Nun gut. Jedes Mal, wenn ich nach dir gestochen habe, gab es ein Geräusch. Obwohl du nicht verletzt wurdest, riefen meine Stiche ein Geräusch hervor. Doch wenn du mich mit demselben Messer stichst, wirst du mich nicht nur nicht verletzen können, sondern es wird dir auch nicht gelingen, irgendeinen Laut zu erzeugen.“

Gorakshanath begann, mit dem Messer auf den Yogi einzustechen und die Behauptung des Yogi erwies sich als wahr. Es war nicht das Geringste zu hören. Der Yogi sagte zu Gorakshanath: „Wenn man sich mit dem Unendlichen identifiziert, erzeugt ein Hieb kein Geräusch. Das zeigt, dass ich dir an okkulter Kraft überlegen bin.“ Zufrieden mit seinem Sieg ging der Yogi davon.

Matsyendranath war an einem anderen Ort, als dies passierte, doch Gorakshanath konzentrierte sich tief auf ihn, um mit ihm über diese Erfahrung zu sprechen. Seine innere Schau sagte ihm, dass Matsyendranath sich in einem Ashram in Mayapuri, der Stadt der Täuschungen, aufhielt. Zu seiner großen Überraschung sah er seinen Meister umgeben von vielen schönen Mädchen. Sie tanzten um ihn herum und er genoss das vitale, das emotionale Leben. Gorakshanath sagte zu sich selbst: „Wie ist das möglich? Vielleicht täuscht mich meine Vision.“ Erneut konzentrierte sich Gorakshanath und sah wieder dieselbe Szene. „Mein Meister ist gefallen!“ dachte er. „Er ist umgeben von so vielen schönen Mädchen, die singen und tanzen. Er genießt alle Arten von vitalem Leben. Ich muss ihn retten!“

Und Gorakshanath öffnete sein Herzzentrum und versetzte sich okkult in den Ashram in Mayapuri. Am Tor fragte er nach seinem Guru. Der Torhüter sagte: „Matsyendranath? Dein Guru? Er ist gefallen. Was ist er gewesen und was ist er jetzt! Ich kann gar nicht glauben, wie tief er gefallen ist.“

Gorakshanath wollte sofort hineingehen und seinen Guru retten, doch die Frauen wollten ihn nicht an Matsyendranath heranlassen. Gorakshanath musste seine okkulte Kraft gebrauchen, um selbst eine schöne Frau zu werden, um mitzusingen und zu tanzen. Als er sich Matsyendranath in Verkleidung einer Tänzerin näherte, konnte Matsyendranath seinen Schüler nicht erkennen. Nun musste Gorakshanath seine okkulte Kraft gebrauchen, um mit seinem Meister zu sprechen.

„Meister, was tust du hier?“ rief er. „Was führst du hier für ein Leben? Du bist eine gottverwirklichte Seele. Warum bist du hier und genießt das vitale Leben?“

Sofort rief Matsyendranath: „Oh, ich bin gefallen! Ich bin so tief gefallen! Rette mich!“

Gorakshanath benutzte seine okkulte Kraft und nahm Matsyendranath mit sich fort von Mayapuri. Als sie sechst oder sieben Meilen entfernt waren, kam Matsyendranath aus der Maya, der Täuschung, heraus und war frei. Schüler und Meister legten zweitausend Meilen zurück, bis sie Matsyen­dranaths Ashram in Nordindien erreichten. Dort sah Gorakshanath, dass Matsyendranath zwei spirituelle Körper besaß. Ein Körper war mit ihm auf okkulte Weise geflogen, während der andere sich unmittelbar vor ihm an ihrem Ziel befand. Kurz darauf trat der Meister, der mit ihm geflogen war, in den anderen Meister ein, der vor ihm stand. Und plötzlich sah Gorakshanath, dass viele der Schüler des Meisters ihn umringten. Er fragte einen von ihnen: „War unser Meister einige Jahre lang weg gewesen?“
„Nein,“ antwortete der Schüler. „Während der letzten Jahre war der Meister immer hier und wir waren alle mit ihm zusammen.“
„Wie ist das möglich?“ fragte Gorakshanath. „Meister, bitte erkläre mir diese Erfahrung, die ich gerade durchgemacht habe. Ich kann das Geheimnis nicht ergründen, was wirklich geschehen ist.“

Matsyendranath erwiderte: „Ich musste all das nur für dich tun. Du verfügtest über alle Arten von okkulten Kräften, doch dein Stolz war zu groß. Du warst sehr asketisch und hart in deinem spirituellen Leben. Du hast auf Frauen herabgesehen. Ich hatte dir mehrfach gesagt, dass du dein Leben nicht vervollkommnen und verwandeln kannst, wenn du auf Frauen herabschaust. Dir war nichts an der Befreiung der Frauen von der Unwissenheit gelegen. Du glaubtest, dass Frauen eine offene Tür zur Hölle seien und die Ursache aller Probleme im Leben der Männer, vor allem der vitalen Probleme. Doch das ist nicht wahr. Es sind die Unvollkommenheiten der Männer selbst, die diese Probleme schaffen. Männer haben Schwächen und wenn sie ihre Schwächen auf Frauen projizieren, haben sie das Gefühl, dass Frauen die Ursache all ihrer Probleme sind. Männer wie Frauen sind Geschöpfe Gottes und sie beide müssen die Regungen des niederen Vitalen überwinden. Von Anfang an hatte ich immer gesagt, dass man Frauen nicht meiden darf. Man muss ihnen helfen, sie aus dem Sumpf der Unwissenheit zu befreien.

Du bist mein bester Schüler. und ich gab dir alle Arten okkulter Kräfte. Von dem Yogi wurdest du nur wegen deines Stolzes besiegt. Jetzt, nachdem du gedemütigt wurdest, jetzt, da dein Stolz gebrochen wurde, möchte ich dir etwas sagen. Obwohl du mein Schüler bist und obwohl du gegen den Yogi verloren hast, wirst du in naher Zukunft sowohl ihn als auch mich übertreffen. Heute bist du mein Schüler, doch morgen schon werde vielleicht ich dein Schüler sein. Weil du heute deinen Stolz überwunden hast, weil du heute die Wahrheit auf göttliche Weise siehst, kann dein gewaltiges Potenzial nun zum Vorschein kommen. Du wirst uns mit Sicherheit übertreffen. Als du zu einer Frau wurdest, um dich mir zu nähern und um mir zu helfen, lerntest du, Frauen nicht zu meiden. Du erkanntest schließlich, dass Männer und Frauen gemeinsam auf das transzendentale Ziel zugehen müssen. Jetzt, da du diese Wahrheit gelernt hast, gibt es nichts mehr, was ich dich lehren kann. Alles was ich habe, habe ich dir gegeben und durch die Gnade des Höchsten Herrn hast du mich übertroffen.“ Darauf faltete Matsyendranath seine Hände und verbeugte sich vor seinem Schüler.

Der Shakti Yoga

Kundalini-Yoga ist der Yoga der Shakti, der Kraft der höchsten Göttin. Wir müssen den Mutteraspekt schätzen und in jeder Frau die spirituelle Mutter sehen. Es gab eine Zeit, da man zu sagen pflegte, dass Frauen nicht für das spirituelle Leben geeignet seien. Diese Zeit ist vorbei. Heute ist es klar, dass Männer und Frauen gleichermaßen spirituell streben können. Frauen können für den Fortschritt des Mannes niemals ein Hindernis sein, sofern der Mann das Streben der Frauen gebührend achtet. Das Streben und die Widmung der Frau kann völlig harmonisch mit dem Streben und der Widmung des Mannes einhergehen. Im Kundalini-Yoga ist es die Mutter, die Göttliche Mutter, die erfüllt und befreit. Wenn die Göttliche Mutter den Mann und die Frau aus den Fängen der Unwissenheit befreit, fühlt sie, dass sie ihre Aufgabe erfüllt hat. Kundalini ist die Kraft der Shakti und jede Frau verkörpert die transzendentale Shakti, die Mutter-Kraft.

Durch unsere seelenvolle Hingabe an die höchste Mutter, die Kundalini in uns, können wir unsere irdische Existenz befreien und uns aus der Unwissenheit lösen. Durch unsere ständige Hingabe an den Willen der höchsten Mutter in uns können wir uns selbst erfüllen.

Jedem von Ihnen anerbiete ich meine tiefste Dankbarkeit. Sie sind mit äußerster Aufrichtigkeit hierher gekommen um etwas über die Kraft der Mutter zu erfahren. Nichts gibt mir größere Freude, als all Ihren strebenden Seelen dienen zu können. Einige von Ihnen folgen dem Pfad des Kundalini-Yoga, einige folgen anderen Wegen. Es gibt unterschiedliche Wege, doch alle führen uns zum selben höchsten Ziel. Was wir brauchen, ist Aufrichtigkeit. Was wir brauchen, ist Reinheit. Was wir brauchen, ist ein bewusstes und ständiges inneres Sehnen. Dann wird das Ziel, das transzendentale Ziel, in greifbare Nähe rücken.

Kundalini Yoga
Vierter Vortrag
7. März 1973

Teil II — Fragen und Antworten

KMP 12-38. Während seiner zahlreichen öffentlichen Meditationen und Universitätsvorträge über mehrere Jahre hinweg wurden Sri Chinmoy Hunderte von Fragen zum Kundalini Yoga gestellt. Dies ist eine Auswahl der interessantesten mit den Antworten von Sri Chinmoy. (Dieser Abschnitt wurde in der Ausgabe 1974 des Buches hinzugefügt.)

Frage: Befinden sich die Chakren in unserem Körper?

Sri Chinmoy: Die Chakren sind in unserem Subtilkörper. Sthula Sharira ist das Grobphysische und im grobphysischen Körper befindet sich sukshma Sharira, der Subtilkörper. Im subtilen Körper wiederum ist karana Sharira, der Kausalkörper. Diese Körper sind völlig voneinander verschieden, doch sie sind alle Mitglieder derselben Familie. Der Subtilkörper kann durch das Physische wirken und der Kausalkörper, der in Samenform vorhanden ist, kann auch in und durch den Subtilkörper und den physischen Körper wirken. Der Kausalkörper ist zwar wie eine winzige Pflanze, doch diese Pflanze kann zu einem Banyanbaum heranwachsen, der nach einigen Jahren dann Tausende von Früchten trägt. Das Potenzial des Samens ist unendlich.

Die Chakren sind nun allerdings nicht nur im subtilen Physischen, sondern auch im Universum. Einigen Meistern zufolge ist das spirituelle Herz das ganze Universum und sie sind sogar so weit gegangen zu sagen, dass das Universum im Herzen enthalten sei. Nichts sei jenseits oder außerhalb des Herzens.

Frage: Gibt es spezielle Mantren, mit denen man die verschiedenen Zentren öffnen kann?

Sri Chinmoy: Ja, zu jedem Zentrum gehört eine bestimmte Gottheit und diese Gottheit können wir anrufen, indem wir ihren Samenklang wiederholen. Jeder Klang verkörpert einen anderen Bewusstseinszustand. Am unteren Ende der Wirbelsäule befindet sich das Muladhara_-Chakra. Sein Samenklang ist Lam. Wenn du die Silbe _Lam wiederholen kannst, während du deine Aufmerksamkeit auf das untere Ende deiner Wirbelsäule richtest, wirst du nach einer gewissen Zeit okkulte Kräfte erhalten. Einige Zentimeter höher liegt das Svadhisthana_-Chakra. Für dieses Zentrum kannst da das Mantra _Vam wiederholen, ein sehr machtvolles Mantra. Wenn du dich auf das Nabelzentrum, das Manipura_-Chakra, konzentrierst, kannst du das Wort _Ram wiederholen. Wenn du es richtig machst, wirst du um dich herum spirituelles Feuer sehen. Danach kommt das Herzchakra, Anahata genannt. Hier kannst du Yam wiederholen. Während du die vorhergehenden Mantren kraftvoll singen konntest, muss dieses Mantra langsam du sanft wiederholt werden. Wenn du dich jedoch auf dein Herz konzentrieren willst, ohne dem Pfad des Kundalini-Yoga zu folgen, kannst du auch Supreme singen. Das nächste Zentrum ist das Halszentrum, das Vishuddha_-Chakra. Wenn du dort _Ham singst, wirst du die Macht der Rede und des künstlerischen Ausdrucks erhalten. Und schließlich kommen wir zum Ajna_-Chakra. Hier ist das Samenwort _Aum (Om). Welches Mantra ihr auch wiederholt, ihr solltet dabei immer fühlen, dass ein Strom eure Wirbelsäule durchfließt und dass alle Zentren in ekstatische Schwingung versetzt werden.

Frage: Kann man an irgendeinem Zeichen erkennen, wenn ein Zentrum sich öffnet?

Sri Chinmoy: Es gibt ein Zeichen, aber man bemerkt es oft nicht. Das Zentrum nimmt am Anfang die Form eines Viertelkreises an und wird dann zu einem vollen Kreis. Wenn es sich sehr, sehr schnell zu drehen beginnt, bedeutet das, dass es kurz davor steht, sich zu öffnen. Man hat den Eindruck, ein Rad zu sehen, das sich unaufhörlich dreht. Wenn das Zentrum dann geöffnet ist, spürt man, wie die Kundalini-Kraft emporsteigt. Manche Sucher sagen, dass sie wie eine Schlange empor schnellt, bei anderen scheint sie zu krabbeln wie eine Ameise oder zu springen wie ein Frosch.

Es gibt keine feste Regel, welche Art von Erfahrung ein Sucher erhalten wird. Man kann alles erwarten. Wenn die Chakren geöffnet sind, wird man es sofort wissen. Es ist, als wenn man eine Tür öffnen würde. Im Augenblick ist die Tür geschlossen und von innen oder außen verriegelt. Doch wenn sie einmal offen ist, wirst du wissen, was in dem Raum dahinter ist. Wenn die Tür zu deinem dritten Auge geöffnet ist, wirst du die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft sehen können. Du wirst die Macht des Hellsehens erhalten. Mehr noch, du wirst sehen, dass du mit dem Hellsehen auch die Macht des Hellhörens besitzt. Wenn dein Herzzentrum geöffnet ist, wirst du automatisch das Gefühl universellen Einsseins haben. Du berührst etwas und augenblicklich identifizierst du dich mit ihm und fühlst dein Einssein mit ihm. Du wirst einen Menschen anblicken und mit seinem Leiden oder seiner Freude oder irgendeinem anderen Zustand, in dem er sich befindet, eins sein. Wenn ein bestimmtes Zentrum geöffnet wird, erhältst du die Eigenschaften dieses Zentrums. Du wirst also bemerken, wenn ein Zentrum geöffnet ist. Oft lesen Leute jedoch Bücher, versuchen zu meditieren und haben sofort das Gefühl, ihre Zentren seien geöffnet. Das ist reine Einbildung. Die Zentren zu öffnen ist keine leichte Sache, es verlangt sehr viel ernsthafte Übung.

Frage: Was geschieht, wenn wir die Zentren öffnen bevor unser System gereinigt ist?

Sri Chinmoy: Wenn man die Chakren öffnet, ohne vor allem das niedere Vitale gereinigt zu haben, kann man sein inneres Gleichgewicht verlieren und verrückt oder geistesgestört werden. Viele Menschen sind verrückt geworden, weil sie die Chakren geöffnet haben, bevor diese Reinigung stattgefunden hat. Die Kundalini-Kraft ohne vorherige Reinigung zu erwecken ist, als ob man einem Kind ein Messer in die Hand gibt. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird es das Messer missbrauchen. Es kann sich in den Finger schneiden oder noch viel größeren Schaden damit anrichten. Doch wenn man erwachsen und reif ist, wird man das Messer dazu benützen, eine Frucht zu zerteilen, um sie seinen Freunden anzubieten.

Macht kann auf zwei Arten verwendet werden: zum Aufbauen oder zum Zerstören. Wir sind hierher gekommen um etwas aufzubauen, um den Palast der Wahrheit und der Liebe zu errichten. Dabei müssen wir uns nun im Klaren darüber sein, ob wir ein erfahrener Architekt sind oder nicht. Sind wir es nicht, dann wird das Gebäude Mängel haben und kann jeden Augenblick wieder einstürzen.

Wir sollten uns also darüber im klaren sein, wann es für uns ratsam ist, die Kundalini-Kraft zu erwecken. Wenn wir fühlen, dass unser inneres Gefäß rein ist, wenn es ungehindert Licht empfangen kann, dann können wir die Chakren problemlos und ohne Gefahr öffnen. Doch wenn wir die Kundalini vorzeitig durch unser hartnäckiges Verlangen und Bemühen erwecken, können wir uns in große Schwierigkeiten bringen.

Wenn du dem Pfad des Kundalini-Yoga folgen willst, dann ist mein demütiger Rat an dich, zuerst zu versuchen das Herzzentrum zu erwecken. Das Herzzentrum besitzt sehr große Reinheit. Durch das Öffnen dieses Zentrums werden das Vitale und die störenden Emotionen gereinigt. Wenn du zuerst das Herzzentrum öffnen und die Reinheit von dort in die anderen Zentren bringen kannst, dann begibst du dich nicht in Gefahr.

Frage: Wird die Kundalini automatisch erweckt, wenn man in das spirituelle Leben eintritt, oder geschieht dies nur bei bestimmten Menschen?

Sri Chinmoy: Es gibt verschiedene Wege, die zum Ziel führen. Kundalini ist ein Pfad, der besondere Kräfte schenkt, doch es gibt andere Pfade, die ähnliche Kräfte verleihen. Sagen wir, drei Straßen führen zum selben Ziel. Eine Straße ist von zahlreichen Bäumen und Blumen gesäumt, an der zweiten wachsen nur wenig Bäume und Blumen und an der dritten wächst überhaupt nichts. Während du dem Kundalini-Pfad folgst, begegnest du einigen Kräften, doch diese Kräfte sind mit Sicherheit nicht die höchste Kraft. Für diejenigen, die keine spirituellen oder okkulten Kräfte besitzen, erscheint die Kraft der Kundalini gewaltig. Doch im Vergleich zur Kraft des Zieles ist die Kundalini-Kraft bedeutungslos.

Auf anderen Wegen findet man diese okkulte Kraft nicht. Die Straße ist frei und man marschiert einfach voran und erreicht schließlich sein Ziel. Wenn man es erreicht hat, erhält man die allmächtige Kraft – die spirituelle Kraft. Ein Anhänger des Kundalini-Yoga ist jedoch oft mit seiner begrenzten Kraft zufrieden. Nur in ganz seltenen Fällen sind Sucher vom spirituellen Weg abgekommen, weil sie spirituelle Kraft erlangt haben. Doch die Kundalini-Kraft , die okkulte Kraft, hat viele, viele aufrichtige Sucher von der Wahrheit weggeführt.

In den meisten Fällen ist die Kundalini-Kraft kein Segen, sondern ein Fluch. Wenn du die Kundalini-Kraft missbrauchst, bist du ruiniert. Du zerstörst all deine Möglichkeiten, das Höchste zu verwirklichen, und Gott allein weiß, wie viele Inkarnationen du brauchen wirst, um wieder auf den richtigen Weg zu gelangen. In neunundneunzig Prozent der Fälle wird die Kraft der Kundalini missbraucht. Wenn du sie allerdings richtig verwendest, erhältst du Inspiration, etwas Gutes für die Welt zu tun.

Es gibt viele spirituelle Meister höchsten Ranges, die keine Kundalini-Kraft besitzen, weil sie nicht dem Kundalini-Pfad gefolgt sind. Doch sie besitzen spirituelle Kraft, die wesentlich stärker ist. Die wirkliche, spirituelle Kraft erhält der Sucher im Verlauf seines inneren Wachstums.

Wenn Gott jedoch mit einem Sucher, der einem anderen Weg folgt, zufrieden ist, kann Er ihm dennoch ein wenig Kundalini-Kraft geben. Wenn Er fühlt, dass der Sucher die Kundalini-Kraft einmal gebrauchen wird, um Ihn auf eine besondere Weise zu manifestieren, dann sendet Gott einen Boten, der mit der Kundalini arbeitet, um dem betreffenden Sucher diese Kraft zu geben. In Gottes Raum findet man all die verschiedenen spirituellen Eigenschaften. Wenn man Gottes Raum betritt, wird man hier eine Schachtel mit der Aufschrift „Frieden“ entdecken und dort andere Schachteln, auf denen „Licht“, „Liebe“, „Glückseligkeit“ und „Kraft“ steht. Im Augenblick interessierst du dich nur für Frieden, doch Gott fühlt, dass du auch ein wenig Kraft gebrauchen kannst. Die Welt ist so eingerichtet, dass dir die Menschen nicht glauben, wenn du nicht ein wenig Kraft zeigst. Wenn Gott daher der Ansicht ist, dass du in deinem Leben Kraft brauchst, wird Er dir Kundalini-Kraft geben, auch wenn du sie gar nicht wolltest. Doch wenn Gott keine Notwendigkeit dafür sieht, wird Er sie dir selbst dann nicht geben, wenn du danach schreist.

Viele Sucher beginnen ihre spirituelle Reise mit einer guten Haltung: Sie wollen nur Gott, nur Wahrheit, nur Licht. Doch nachdem sie zwei, drei oder sechs Monate lang diesem Weg gefolgt sind, erscheint er ihnen sehr trocken und langweilig. Sie stellen fest, dass er ihnen weder Ruhm noch irgendwelche wunderbaren Kräfte gibt. So geben sie auf und wenden sich einem anderen Weg wie dem Kundalini-Yoga zu.

Sobald man auf diesem Weg etwas erhält, kann man all seine wunderbaren Kräfte der Welt zeigen und fühlen, dass man etwas erreicht hat. Doch diese Kräfte werden dir niemals auch nur einen Hauch von innerem Frieden geben.

Der Gebrauch okkulter Kraft hebt in keiner Weise das Bewusstsein irgendeines Menschen. Wie ein Zauberer führst du etwas vor und erzeugst damit eine Erregung, die vielleicht einige Minuten oder eine Stunde lang anhält. Doch dann fühlst du dich leer und deinen Zuschauern geht es ebenso. Du weißt, dass das nichts Dauerhaftes ist, dass es höhere Wahrheiten und höhere Wirklichkeiten gibt. Du fragst dich: „Ich kam in die Welt, um Frieden, Liebe, Freude, Glück und Erfüllung zu erhalten. Ist das die Erfüllung, nach der ich suche?“ Dann trittst du in das wahre spirituelle Leben ein, in dem die Kundalini nicht benötigt wird. Was hier notwendig ist, ist allein ein innerer Schrei nach Wahrheit, Licht und Seligkeit. Wenn du einmal Wahrheit Licht und Seligkeit erfahren hast, wird dich die Kundalini-Kraft nicht mehr interessieren.

Wenn du dich mit ein wenig Kundalini-Kraft zufriedengeben möchtest, dann meditiere sechs oder sieben Jahre lang einige Stunden am Tag, was wirklich viel ist. Um Gott zu verwirklichen, sind mehrere Inkarnationen erforderlich, sofern man nicht einen guten spirituellen Meister hat. Wenn du dich ausschließlich auf die Chakren konzentrierst und auf Kundalini-Kraft meditierst, dann wirst du ebenso leicht Kundalini-Kraft erhalten wie du nach vierzehn oder fünfzehn Jahren deinen Schulabschluss machst. Und wenn du ein sehr guter Schüler bist, kannst du einige Klassen überspringen und schon nach vier oder fünf oder sechs Jahren Kundalini-Kraft erhalten.

Frage: Ist das Erwachen der Kundalini ein Zeichen dafür, dass die Gottverwirklichung bevorsteht? In welchem Stadium der Evolution der Seele erwacht die Kundalini?

Sri Chinmoy: Es gibt dafür keine feste Regel. Viele Sucher haben Gott verwirklicht, ohne jemals die Kraft der Kundalini zu wecken. Es ist keineswegs notwendig, die Zentren zu öffnen, um Gott zu verwirklichen. Diese Sucher haben die allmähliche Entwicklung, Enthüllung und Manifestation der Fähigkeiten und der Möglichkeiten der Seele erfahren, doch ihre Kundalini-Kraft haben sie nie entwickelt. Hier ist Manifestation der Seele gleichbedeutend mit Evolution der Seele. Andererseits gibt es Menschen, die zwar Kundalini-Kraft entwickelt haben, die aber Gott erst nach zwei oder drei weiteren Inkarnationen verwirklichen werden. Es besteht also kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Kundalini-Kraft und der Entwicklung der Seele.

Das Öffnen der Zentren braucht kein Anzeichen für Gottverwirklichung zu sein. Doch bei einer intensiven Meditation, einer sehr hohen, kraftvollen Meditation, öffnen sich die Zentren automatisch. Und wenn man Gott verwirklicht, kommt alles von alleine. Die Zentren öffnen sich in diesem Augenblick von selbst, ob der Sucher von ihnen nun Gebrauch machen will oder nicht.

Frage: Das Erwecken der Kundalini bedeutet also nicht, dass man Gott verwirklicht?

Sri Chinmoy: Wenn die Kundalini erwacht, wird man sich seiner inneren psychischen Kraft bewusst, doch das bedeutet nicht, dass man Gott verwirklicht. Gottverwirklichung ist etwas unendlich viel Höheres und unendlich viel Erfüllenderes als das Erwachen der Kundalini. Wenn die Kundalini erwacht ist, fühlt man die innere Schwingung und die innere Kraft die einem nun zur Verfügung steht. Doch diese Kraft ist nicht der unendliche Frieden, das Licht und die Seligkeit des Supreme.

Wenn die Kundalini erwacht ist, ist es, als besäße man ein Taschenmesser, mit dem man verschiedenen Dinge tun kann. Doch wenn man Gott verwirklicht, fühlt man, dass man die Fähigkeit hat, eine Atombombe zu zünden. Wenn man Gott verwirklicht, ergießt sich das göttliche Bewusstsein in die Erdatmosphäre und breitet sich über die ganze Welt aus. Hingegen hat man nur begrenzte Macht, wenn die Kundalini erweckt wird. Nach dem Erwachen der Kundalini erkennt man die Begrenztheit der Kundalini-Kraft. Dann will man hoch, höher, bis zum Höchsten gelangen und man wird weiter gehen, bis das unendliche Ziel erreicht ist.

Frage: Wenn es nicht notwendig ist, die Kundalini zu erwecken, warum erwacht sie dann in einigen Meistern?

Sri Chinmoy: Wenn jemand ein spiritueller Meister ist, kann ihm der Supreme eine Erfahrung geben. Der Meister muss wissen, dass etwas existiert, selbst wenn er es vielleicht nicht anwenden wird. Sonst fragt ihn möglicherweise jemand, ob er die Kundalini kennt. Und wenn er sie nicht erfahren hat, wird er sagen: „Nein, sie existiert nicht.“

Frage: Verhindert Sexualität das Erwerben okkulter Kräfte durch Kundalini-Yoga?

Sri Chinmoy: Kundalini-Yoga ist der Yoga absoluter Reinheit. Er ist einer der heiligsten Yogas und physische, vitale, mentale und psychische Reinheit sind dabei von überragender Bedeutung. Die drei Hauptnerven Ida, Pingala und Sushumna werden unmittelbar und außerordentlich stark unter jeder Art von sexueller Aktivität leiden. Und nicht nur körperliche Beziehungen sind schlecht. Wenn sich jemand in seinem Verstand niederen vitalen Gedanken, unreinen Gedanken, hingibt, ist das ebenso schädlich. Viele Sucher, die sich auf die Zentren konzentriert haben und gerade dabei waren sie zu öffnen, traten dann unglücklicherweise in die niederen vitalen Welten ein.

Viele Sucher in Indien haben gesagt, wenn die Kundalini erwacht, verursache die vitale dynamische Hitze im subtilen Körper sehr oft ein großes Unbehagen. Diese Energie kommt vom Subtilkörper, aber man spürt sie im physischen Körper. Sehr oft machen Sucher, die im Begriff sind, spirituelle Kräfte zu entwickeln, die Erfahrung, dass sie diese intensive innere Kraft nicht ertragen können. Dann treten sie in die gewöhnliche niedere vitale Welt ein und verlieren ihre Kundalini-Erfahrung.

Es ist nicht schwierig, die Kundalini-Erfahrung für ein oder zwei Minuten oder einige Tage zu erhalten. Das Schwierigste ist, die Zentren zu öffnen. Aber das ist noch nicht das Ende unserer Reise. Die Öffnung der Zentren wird uns psychische, okkulte oder spirituelle Kraft geben. Doch das Wichtigste ist, im göttlichen Bewusstsein zu leben.

Wenn man wirklich Okkultismus lernen will, muss man zwei Dinge völlig meiden. Ich spreche hier vom reinen Okkultismus im strengen Sinn, nicht von schwarzer Magie und all dem, was jedermann praktizieren kann. Die beiden Dinge, die man meiden muss, sind Angst und Sexualität. Wenn man auf der physischen, der mentalen oder der psychischen Ebene nur ein bisschen Angst hat, können die großen, dynamischen okkulten Kräfte niemals entwickelt werden. Und wenn im Wesen noch niedere vitale Regungen, sexuelle Aktivität und unreine Gedanken vorhanden sind, kann keine okkulte Kraft kommen.

Frage: Gibt es nur sieben Chakren?

Sri Chinmoy: Nein, es gibt mehr Chakren. Unterhalb des Nabels, unterhalb der Wirbelsäule, befinden sich noch weitere Zentren. Es gibt Zentren auf den unterbewussten oder unbewussten Ebenen im Knie, im Knöchel, im Fußspann, in den Zehen. Wenn diese Zentren sich öffnen, erlangt man die volle Herrschaft über seine physische Natur und es wird sehr leicht, die völlige Transformation des irdischen Lebens herbeizuführen.

Frage: Wo sitzt das dritte Auge?

Sri Chinmoy: Das _Ajna_-Zentrum oder das dritte Auge sitzt zwischen den Augenbrauen etwas oberhalb der Nasenwurzel in der Mitte der Stirn. Wenn es am Anfang für dich schwierig zu finden ist, dann schau bitte in einen Spiegel und male einen Punkt in die Mitte deiner Stirn, etwas über deinen Augenbrauen. Auf diese Weise kannst du die Stelle fixieren.

Frage: Wie öffnet man das dritte Auge?

Sri Chinmoy: Es gibt verschiedene Methoden. Die einfachste und wirkungsvollste Methode ist Japa. Japa bedeutet die Wiederholung einer bestimmten Silbe, eines Wortes, eines Satzes oder einer Reihe von Sätzen. Es gibt eine ganze Reihe von Mantren, mit denen man auch das dritte Auge öffnen kann. Eines davon ist das Gayatri-Mantra, denn es ruft unendliches Wissen, Weisheit und Licht an. Äußerst wirksam ist, AUM (OM) zu singen. Jedes Zentrum besitzt einen geheimen Klang, der außerordentlich wirkungsvoll ist. Für das dritte Auge, das Ajna-Zentrum, ist es der Klang AUM. Der „M“-Laut sollte dabei dreimal länger als der „AU“-Laut gesungen werden. Und der Sucher sollte sich beim Wiederholen dieser Silbe auf sein drittes Auge konzentrieren.

Das dritte Auge kann auch noch auf andere Weise geöffnet werden und zwar, indem man die Gegenwart des Göttlichen, des Bewusstseins des Göttlichen oder des göttlichen Bewusstseins anruft. Das Göttliche kann dabei Gestalt annehmen oder formlos bleiben. Dazu ist intensives inneres Streben notwendig.

Es gibt noch eine dritte Methode: die Reinigung des ganzen Wesens. Im Körper befindet sich der Subtilkörper, das eigentliche Vitale, das subtile Vitale, der Verstand und das Herz. Wenn du die Reinigung deines ganzen Physischen und deiner inneren Existenz erreichen kannst und innere Erleuchtung erhältst, dann kannst du nicht nur dein drittes Auge, sondern ebenso alle anderen Hauptzentren öffnen.

Oder wenn du die unendliche Gnade des Supreme anrufen und deine ganze Existenz zu einer lebendigen Hingabe zu Seinen Füßen machen kannst, dann kann das dritte Auge leicht geöffnet werden. Dafür musst du arbeiten und dein spiritueller Lehrer wird dir bestimmte Übungen und Disziplinen geben, die du ausführen und befolgen musst. Das Ergebnis stellt sich jedoch erst ein, wenn Gnade herabkommt. Deine persönliche Anstrengung ist unabdingbar, doch sie allein reicht nicht aus. Hinter der persönlichen Anstrengung wirkt die Gnade des Göttlichen.

Gnade kann direkt von Gott kommen oder auch durch einen lebenden Meister oder von einem Meister, der den Körper verlassen hat. Ein verwirklichter Meister stirbt nie, er legt nur seine physischen Kleider ab. Verwirklichte Meister können in jedem Augenblick kommen, um einen Sucher zu inspirieren und ihm zu sagen was er tun soll. Im Falle eines gewöhnlichen Menschen heißt es „aus den Augen aus dem Sinn“. Doch bei verwirklichten Seelen haben Raum und Zeit keine Bedeutung. Genauso wenig Bedeutung haben sie für einen Sucher, der eine innere Beziehung zu einem echten spirituellen Meister hat.

Frage: Gibt es ein besonderes Zentrum, auf das ich meditieren kann um meine Gedanken unter Kontrolle zu halten?

Sri Chinmoy: Wenn du deine Gedanken beherrschen willst, solltest du dich auf das Zentrum zwischen den Augenbrauen konzentrieren. Wenn du dich intensiv konzentrierst und dabei verkrampfst, solltest du dich dort nicht länger als zwei Minuten konzentrieren. Sonst wirst du schon bald erschöpft sein.

Wenn wir uns im Herzzentrum konzentrieren, werden wir Frieden, Liebe und Freude erhalten. Versuche beim Eintreten in das Herzzentrum den kosmischen Klang zu hören, den klanglosen Klang. Wenn du Liebe, Freude, Frieden und Seligkeit vom Herzen in das Zentrum zwischen den Augenbrauen bringst, dann wirst du sehen, dass es dort keine Gedanken mehr gibt.

Das Herz ist für dich das sicherste Zentrum, auf das du meditieren und dich konzentrieren kannst. Auf diese Weise wirst du automatisch dein Wesen reinigen, denn im Innern des Herzens ist die Seele und die Seele ist eins mit dem Unendlichen. Von dort wirst du alles erhalten.

Frage: Ist das dritte Auge der beste Ort, auf den man seine Aufmerksamkeit während der Meditation richten kann, oder können dadurch Probleme entstehen?

Sri Chinmoy: Im spirituellen Leben solltest du zu Gott beten, dir die innere Schau erst dann zu geben, wenn Er fühlt, dass es notwendig ist und nicht eher. Wenn die innere Schau sich öffnet, ohne dass genügend Weisheit vorhanden ist, können ernsthafte Probleme entstehen. Es ist, als säße man auf einem Pferd, das man nicht unter Kontrolle halten kann. Ein Beispiel: Stell dir vor, jemand tötet vor deinen Augen ein Hühnchen. Was du äußerlich siehst, führt nicht dazu, dass du dich mit dem Bewusstsein und dem Lebensatem des Hühnchens identifizierst. Doch wenn du die innere Schau besitzt und erkennst, dass du selbst vor vielen, vielen Inkarnationen ein Hühnchen warst, wirst du dich unmittelbar mit dem Hühnchen identifizieren und fühlen, dass du selbst getötet wirst. Du wirst vor Entsetzen erstarren. Wenn die innere Schau sich öffnet, wirst du eins mit der Wirklichkeit, die du siehst. Und wenn es sich um eine erschreckende Erfahrung handelt, wirst du vielleicht jahrelang daran leiden. Viele von euch wünschen sich, dass sich ihr drittes Auge öffnen würde. Ja, und wenn euer drittes Auge euch nun zeigt, dass ihr in eurer letzten Inkarnation der schlimmste Halunke gewesen seid, was dann? Die innere Schau sollte erst geöffnet werden, wenn eine innere Reife vorhanden ist und wenn weder die Vergangenheit noch die Zukunft dich aus der Fassung bringen kann.

Angenommen, du erfährst, dass dein bester Freund sterben oder dass sich irgendeine Katastrophe ereignen wird, die du nicht verhindern kannst. Das dritte Auge kann dir sagen, was geschehen wird, aber es kann es nicht verhindern. Nur das innere Streben – der innere Schrei, der zum Supreme emporsteigt und die Füße des Supreme berührt – und der Supreme selbst können das kosmische Gesetz außer Kraft setzen. Wenn du siehst, dass sich eine Katastrophe ereignen wird, musst du die Angelegenheit dem Supreme übergeben. Wenn es jedoch Gottes Wille ist, kannst du das Ereignis nicht verhindern. Wenn nur ein echter Sucher, ein großer spiritueller Sucher etwas sieht, das in seiner nächsten Verwandtschaft passieren wird, dass zum Beispiel jemand sterben wird, dann wird er sich sofort mit Gottes Willen identifizieren. Doch nur ein echter Sucher, der auf einer sehr hohen Stufe spirituellen Strebens steht, kann sich bewusst und spontan und ohne jede Schwierigkeit mit dem Willen Gottes identifizieren. Wirkliche spirituelle Meister sind immer eins mit dem Willen des Supreme, sie können nie einen eigenen, persönlichen Willen haben. Es mag ihnen leid tun, wenn sie sehen, dass etwas eintreten wird, doch ihr inneres Wesen bleibt davon unberührt.

Im Falle eines spirituellen Meisters oder eines Suchers, der an der Schwelle zur Gottverwirklichung steht, wird es daher keine Schwierigkeiten geben, wenn das dritte Auge offen ist. Doch für einen gewöhnlichen Sucher, der gerade erst den spirituellen Pfad betreten hat, kann es eine große Gefahr bedeuten, wenn er versucht, sein drittes Auge zu öffnen, ohne dass seine Natur gereinigt und seine spirituelle Entwicklung weit fortgeschritten ist. Oft ist sein Gefäß noch gar nicht bereit, aber durch seine ungeheure Entschlossenheit gelingt es dem Sucher dennoch, sein drittes Auge zu öffnen. Das Ergebnis kann dann außerordentlich entmutigend und zerstörerisch sein.

Statt das dritte Auge zu öffnen, solltest du auf das Herz meditieren und Gottes Gegenwart ständig in deinem Herzen fühlen. Du solltest nur in Gottes Herz leben und Ihn in deinem Herze bewahren wollen. Dann wird Gott dich zu Seinem Ebenbild machen und dir geben, was für dein Leben nötig ist. Versuche Frieden, Freude und Liebe von Gott in dein inneres Wesen zu holen. Wenn du in dein Herz gehst, wirst du fähig sein, in deine eigene innere Sonne einzutreten. Wenn du das auf die richtige Weise tust, wirst du sehen, dass dort alles von Licht überflutet ist. Keine Unwissenheit kann die innere Sonne verdecken. Diese Sonne erleuchtet oder verwandelt deine Unwissenheit augenblicklich. Wenn du in deinem Leben das Höchste verwirklichen und erfüllen willst, dann versuche, im Herzen zu streben.

Wenn du also auf das Ajna-Chakra oder das dritte Auge meditierst, solltest du zugleich die Konzentration im Herzen üben. Du wirst in deinem Herzen reine Freude und reine Liebe erhalten – weit mehr als du je erwarten würdest. Du wirst hier mit dem universellen Bewusstsein untrennbar eins werden. Wenn du Freude und Liebe erlangt hast und in deiner Meditation fest gegründet bist, dann willst du vielleicht Schau oder Weisheit vom dritten Auge erhalten. Es gibt Menschen, die das Zentrum zwischen den Augenbrauen geöffnet haben, ohne dass ihr Herzzentrum geöffnet ist, und die durch die Gnade des Supreme keine sogenannten Fehler gemacht haben. Doch in den meisten Fällen wird man ein Opfer gnadenloser Versuchung werden, wenn man das dritte Auge öffnet, bevor das Herzzentrum, das Anahata-Chakra, geöffnet und der emotionale Teil der Natur völlig gereinigt ist. Du wirst versuchen, etwas innerlich zu sehen und es dann sofort weitererzählen, oder du wirst versuchen, in jemanden einzudringen um zu sehen, was in seinem Wesen vorgeht. Es gibt unzählige Dinge, die dich schließlich weit, weit vom Weg der Spiritualität wegführen werden.

Frauen sollten ausnahmslos versuchen, auf das Herzzentrum, das Anahata-Chakra, zu meditieren. Für sie ist es leichter, das Herzzentrum zu öffnen, als für Männer. Männern fällt es leichter, das Ajna-Chakra, das dritte Auge, zu öffnen. Doch Männer wie Frauen müssen schließlich beide Chakren öffnen. Es gibt auch andere Zentren, doch im Augenblick denken wir an diese beiden. Konzentriert euch während der Meditation zuerst auf das Herzzentrum und erst dann auf das Ajna-Chakra.

Frage: Was kann man tun, wenn das dritte Auge geöffnet ist?

Sri Chinmoy: Das dritte Auge ist das Auge der Schau. Wenn du deine beiden Augen gebrauchst, kannst du nur sehen, was vor dir ist. Doch mit dem dritten Auge kannst du nach vorn, nach hinten, überallhin sehen. Du kannst auch die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft zur gleichen Zeit überblicken. Im Augenblick weißt du vielleicht nicht mehr, was du gestern zum Frühstück gegessen hast. Doch wenn dein drittes Auge geöffnet ist, wirst du sogar sagen können, was du vor zwei Jahren zum Frühstück gegessen hast. Wenn du dein drittes Auge öffnest, wird es dich unmittelbar in deine Vergangenheit führen, wo alles aufgezeichnet ist. Es wird dir auch die Zukunft zeigen: was in deinem Leben und im Leben deiner Freunde geschehen wird. Angenommen, du hast geplant, morgen früh etwas Bestimmtes zu tun. Bis der Tag anbricht, kannst du es dir jedoch noch zwanzigmal anders überlegen. Aber wenn du mit deinem dritten Auge siehst, was geschehen wird, dann wirst du keine Notwendigkeit und keinen Willen verspüren, den kosmischen Plan zu ändern, denn er ist auf der inneren Eben schon ausgeführt.

Frage: Welche Beziehung besteht zwischen dem dritten Auge und dem Herzzentrum?

Sri Chinmoy: Das Herz ist Bewusstsein und das dritte Auge ist Licht, obwohl es im Grunde keinen Unterschied zwischen beidem gibt. Das dritte Auge oder Ajna-Chakra kann das angesammelte Karma auslöschen oder zerstören, es kann die gegenwärtige Evolution beschleunigen und den zukünftigen Reichtum zum Vorschein bringen. Das dritte Auge besitzt unendliches Licht und ist zugleich unendliches Licht und das Herz- oder Anahata-Chakra besitzt unendliches Bewusstsein und ist zugleich unendliches Bewusstsein. Beide sind ewige Freunde. In diesem Augenblick ist das unendliche Licht – das ich das dritte Auge nenne – ein Gebäude und das Herz ist sein Bewohner. Doch im nächsten Augenblick kann das unendliche Bewusstsein – das ich jetzt Herz nenne – zum Gebäude werden und das dritte Auge wird sein Bewohner. Auf diese Weise wechseln sie sich ständig ab. Obwohl Bewusstsein und Licht voneinander nicht zu trennen sind, haben manche spirituelle Meister Licht gesehen bevor sie Bewusstsein gesehen haben und andere wiederum haben zuerst Bewusstsein und dann Licht gesehen. Was immer sie zuerst sehen, halten sie für die Quelle des anderen, das ist ganz natürlich. Diese zwei Finger gehören zur selben Hand. Dieser Finger heißt Licht und dieser heißt Bewusstsein. Wenn du den Finger mit dem Namen Licht zuerst siehst, dann wirst du sofort sagen: „Licht ist die Quelle.“ Und du wirst sehen, dass in diesem Licht Bewusstsein ist. Doch wenn du den Bewusstseins-Finger zuerst siehst, dann wirst du sagen: „Die Quelle ist Bewusstsein.“ Und du wirst sehen, dass in diesem Bewusstsein Licht ist. Einige spirituelle Meister höchsten Ranges sehen zuerst Bewusstsein, während andere zuerst Licht sehen. Und je nachdem, was sie zuerst sehen, fühlen sie, dass die Quelle von allem entweder Licht oder Bewusstsein ist.

Doch es kommt die Zeit, da sie erkennen, dass Licht und Bewusstsein nicht voneinander getrennt werden können. Sie gehören zusammen wie die Vorder- und Rückseite einer Münze. Wenn ich etwas von dir kaufe und dir ein Geldstück gebe, ist es egal, welche Seite nach oben schaut. Du nimmst es an, weil du sicher bist, dass auch die andere Seite existiert. Ebenso gehören Licht und Bewusstsein immer zusammen. Wenn man nicht im transzendentalen Bewusstsein lebt, kann das spirituelle Herz nicht richtig funktionieren.

Wir können beide nur voneinander trennen, wenn wir unser menschliches Wissen und unsere menschliche Weisheit gebrauchen. Doch wenn wir unsere göttliche Weisheit, unser göttliches Licht, unser göttliches Bewusstsein gebrauchen, können wir das spirituelle Herz nicht vom dritten Auge trennen. Sie ergänzen sich wie Mann und Frau. Da das Herz gewöhnlich voller Süße und Liebe ist und das dritte Auge reine Kraft und Erleuchtungslicht, können wir sagen, dass das Herz die Frau und das dritte Auge der Mann ist. Die Haupteigenschaften der Frau sind Sanftmut und Güte während die Haupteigenschaften des Mannes Wissen, Weisheit und andere mentale Dinge sind.

Und dennoch: Wer weise ist, fühlt, dass das dritte Auge auch das Herz ist, denn was ist das Herz anderes als das, was uns Zufriedenheit und Erfüllung gibt? Und was kann uns Erfüllung geben? Nur Licht. Wenn daher Licht vom dritten Auge uns Erfüllung gibt, haben wir es natürlich mit der Eigenschaft des Herzens zu tun. Und was kann uns ein beständiges Gefühl von Weisheit geben? Weisheit erhalten wir nur, wenn wir tief in der innersten Tiefe unseres Atems leben, in unserem Herzen, wo Unendlichkeit, Ewigkeit und Unsterblichkeit miteinander spielen. Unendlichkeit als unser eigen zu besitzen, unendliches Licht und unendliche Seligkeit ewig als unser eigen zu besitzen: Das ist Weisheit. Daher können wir sagen, dass Weisheit vom Herzen kommt. Auf diese Weise gehören Herz und drittes Auge zusammen. Wie Purusha und Prakriti, Gott als Vater und Gott als Mutter, gehören das dritte Auge und das Herz zusammen.

Frage: Bei einer Meditation bemerkte ich einmal, dass du zuerst dein drittes Auge und dann dein Herzzentrum berührtest. Was bedeutet das?

Sri Chinmoy: Das dritte Auge ist das Zentrum der Schau. Zuerst möchten wir die Schau der Glückseligkeit genießen. Und dann, nachdem wir uns an der Glückseligkeit erfreut haben, müssen wir sie irgendwo aufbewahren, wo wir immer wieder Zugang zu ihr haben. Dieser Ort ist unser Herz.

Frage: Was ist der Unterschied zwischen dem gewöhnlichen menschlichen Herzen und dem spirituellen Herzen oder Anahata-Chakra?

Sri Chinmoy: Das menschliche Herz ist ein kleiner Muskel im Brustkorb, den die Ärzte uns zeigen können. Doch das spirituelle Herz ist etwas, das ein Sucher sieht, fühlt und in das er hineinwächst. Das spirituelle Herz ist weiter als das Weiteste. Im Augenblick ist Unendlichkeit für uns nur ein Begriff in unserer Vorstellung. Doch wenn wir unser inneres Herz, unser spirituelles Herz entdecken, wird aus dieser Vorstellung Wirklichkeit.

Das Universum, das universelle Bewusstsein, das ewige Bewusstsein, das unendliche Bewusstsein – sie alle befinden sich im Innern unseres spirituellen Herzens. Auf der einen Seite beherbergt dieses spirituelle Herz Göttlichkeit, Unsterblichkeit, Ewigkeit und Unendlichkeit, auf der anderen Seite geht es über alles hinaus.

Das spirituelle Herz ist hier in unserer Brust, hier in unserer Stirn, überall. Weil es unendlich ist, durchdringt es das ganze Universum. Gott ist allmächtig, nicht weil Er größer ist als das Größte, sondern weil Er in diesem Augenblick die winzigste und unbedeutendste Ameise und im nächsten Augenblick unendlich viel unermesslicher als der unermesslichste Ozean sein kann. Wir nennen Ihn Gott gerade deswegen, weil Er sein kann, was immer Er sein will: weiter als das Weiteste oder kleiner als das Kleinste. Das spirituelle Herz hat dieselbe Fähigkeit. Obwohl es unendlich, ewig und unsterblich ist, kann es problemlos im grobphysischen Herzen wohnen. Und dennoch hat es die Fähigkeit, das physische Herz in seine Weite, in seine Unendlichkeit, in seine Ewigkeit hineinzunehmen.

In diesem Augenblick trennt sich das Unendliche vom Endlichen, im nächsten Augenblick heißt es das Endliche willkommen und wird völlig eins mit ihm. Im spirituellen Leben kann nicht nur der Wassertropfen in den Ozean eintreten, sondern auch der Ozean hat die Fähigkeit, in den winzigen Tropfen einzutreten.

Frage: Kann sich das Herzzentrum manchmal einige Sekunden lang öffnen und dann wieder schließen?

Sri Chinmoy: Ja. Manchmal öffnet es sich für einige Sekunden, einige Minuten oder einige Tage, um sich dann wieder zu schließen. Es ist wie bei einem Fenster. Du kannst ein Fenster einige Minuten, eine Stunde oder ein paar Tage lang offen lassen – es liegt ganz bei dir. Wenn unser Streben intensiv ist und wir mit unserer Seele völlig eins werden, bleibt dieses Zentrum ständig offen. Ansonsten öffnet es sich eine Minute oder einen Tag lang und schließt sich dann wieder. Doch wenn die sechs Hauptzentren vom Ajna- bis zum Muladhara-Chakra vollständig geöffnet sind, geschieht es sehr selten, dass ein Zentrum sich wieder schließt.

Frage: Woran erkennt man, dass das Herzzentrum geöffnet ist?

Sri Chinmoy: Wenn das Herzzentrum geöffnet ist, wirst du grenzenlose Freude, grenzenlose Liebe und grenzenlose Reinheit fühlen. Als erstes wirst du Reinheit erhalten: Reinheit in dir und außerhalb von dir. Dann wirst du unendliche Liebe fühlen, grenzenlose Liebe, und diese Liebe ist absolut rein. Sie wird in dir und um dich herum sein. Dann wirst du Freude in allem sehen. Im Augenblick schreist du nach Freude, doch der Tag wird kommen, an dem dieses Zentrum geöffnet ist und du von allem spontane erhalten wirst. Du wirst eine Blume betrachten und Freude erhalten, du wirst die Welt anschauen und Freude erhalten. Du wirst ebenfalls Frieden und das Gefühl des Einsseins, universalen Einsseins erhalten. Wenn dein Herzzentrum vollständig geöffnet ist, ist es sehr wahrscheinlich, dass du während deiner Meditation den göttlichen Nektar, amrita, kosten wirst.

Frage: Wenn man in der Nähe des Herzens Wärme verspürt, ist das ein Zeichen dafür, dass das Herzzentrum sich öffnet?

Sri Chinmoy: Wenn du Hitze und das Kreisen einer Scheibe in der Mitte deiner Brust fühlst, ist das ein Zeichen dafür, dass dein Herzzentrum sich öffnet. Ärzte sagen, dass sich das physische Herz etwas auf der linken Seite der Brust befindet, doch das spirituelle Herz sitzt in der Mitte der Brust. Wenn das Herzzentrum sich wirklich öffnet, werden seine Freude und Glückseligkeit sich über deinen ganzen Körper ausbreiten, sodass du nicht mehr sagen kannst, dass es sich an irgendeinem bestimmten Ort befindet.

Frage: In welchem Verhältnis stehen das spirituelle Herz und die Kundalini-Kraft in Bezug auf ihre Bedeutung?

Sri Chinmoy: Die Kundalini-Kraft ist gleichsam an der Oberfläche, absolut an der Oberfläche des spirituellen Herzens. Auf der Oberfläche des Meeres gibt es Wellen und viel Bewegung. Wenn ein Kind die Wellen des Ozeans sieht, ist es fasziniert. Doch ein Erwachsener wird versuchen, tief in den Ozean einzudringen, wo es still und ruhig ist, wo absolute Ruhe herrscht, denn dort wird er die größte Freude erhalten. Der Erwachsene liebt die stillen und ewigen Tiefen.

Alle Wunder, die du durch die Kundalini-Kraft erleben kannst, sind wie das Spiel von Kindern in einem Garten. Ein Kind hat die Fähigkeit, eine Blume zu pflücken oder jemanden zu kneifen oder zu zeigen, wie stark es ist, indem es einen Ziegelstein wirft oder allen möglichen Unfug treibt. Die kosmische Mutter beobachtet das Spiel ihrer Kinder. Wie eine normale Mutter erfreut sie sich daran, ihre Kinder um sich herum spielen zu sehen. „Meine Kinder können springen, sie können laufen, sie können werfen“, sagt sie. „Lasst uns das Spiel, das kosmische Spiel, genießen.“ Doch der Vater fühlt, dass die Kinder nicht die ganze Zeit nur spielen können. Manchmal müssen sie auch etwas lernen.

Wenn ein Kind spielt, erhält es Freude, physische Freude. Doch wenn es lernt, erhält es eine andere Art von Freude, eine Freude, die tiefer und erfüllender ist. Wenn jemand auf der physischen Ebene etwas erreicht, bewundern wir ihn. Wenn jemand auf der mentalen Ebene etwas Großes erreicht, bewundern wir den Betreffenden noch mehr. Wenn jemand etwas auf der psychischen Ebene vollbringt, bewundern wir den Betreffenden noch mehr. Wenn jemand etwas auf der psychischen Ebene vollbringt, bewundern ihn diejenigen, die dazu in der Lage sind, noch viel mehr. Und wenn jemand auf der Ebene der Seele, auf der Ebene Gottes, etwas vollbringt, bewundern ihn die, die davon wissen, am allermeisten. Sri Ramana Maharshi machte sich nichts aus Schulbildung. Es gibt viele spirituelle Meister, die auf Schulbildung keinen Wert legten. Doch alle Gelehrten der westlichen Welt sollen hingehen und die Füße dieser ungebildeten Männer voll unendlicher Weisheit berühren. Je höher und je tiefer wir gehen, desto überzeugender, desto erleuchtender, desto lohnenswerter ist die Weisheit, die wir erhalten. Auf dem Gebiet der Spiritualität ist Kundalini-Kraft wie eine Errungenschaft auf der physischen Ebene. Selbst wenn der Sohn sechzig Jahre alt ist, ist er für seine Mutter immer noch ihr kleines Kind, ihr Baby. Doch wenn ein Vater sieht, dass sein Sohn dreizehn oder vierzehn Jahre alt ist, versucht er sofort, ihm all seine Weisheit zu geben. Er sagt zu ihm: „Du bist kein Kind mehr. Morgen schon kann ich sterben und dann wirst du mich ersetzen und die volle Verantwortung für all meine Aufgaben übernehmen müssen.“ Die Mutter hingegen ruft: „Nein, nein, nein! Ich will, dass mein Kind hier bei mir bleibt!“ Ich sage kein einziges Wort gegen die Mutter. Es liegt eben in ihrer Natur, ihre Söhne als ihre ewigen Kinder zu betrachten. Der Vater sagt: „Ihr seid zwar ewige Kinder, doch ihr müsst für mich arbeiten. Ihr müsst die Verantwortung für das ganze Universum übernehmen. Spielen ist gut und recht, doch es kann nicht ewig so weitergehen.“

Dieselbe Mutter, dieselbe kosmische Mutter, die die gesamte Kundalini-Kraft in sich trägt, die die Kundalini-Kraft ist, steht weit, weit jenseits von ihr. Mit Ihrem Aspekt des ewig sich transzendierenden Jenseits gesellt sie sich zu Ihrem Gefährten, Purusha, Shiva, oder dem Absoluten. Mit Ihrem ewig sich transzendierenden Bewusstsein ist Sie eins mit dem Absoluten. Und mit Ihrem verspielten Bewusstsein spielt Sie mit Ihren Kindern in Ihrem kosmischen Spiel.

Der Vater fordert das Kind auf, über das kosmische Spiel hinauszugehen, denn unendlichen Frieden, unendliches Licht und unendliche Glückseligkeit kann man nur erlangen, indem man über das kosmische Spiel hinausgeht. Der Vater sagt: „Ihr müsst über die Kundalini hinausgehen und in einen höheren Bewusstseinszustand eintreten. Tretet zuerst in Sushupti ein, das Stadium des Tiefschlafs. Tretet danach in Swapna ein, den Traumzustand, anschließend in Jagriti, den Wachzustand, und schließlich in Turiya, das transzendentale Bewusstsein. Und selbst darüber könnt ihr noch hinausgehen, meine Kinder, und im Sahaja Samadhi verweilen, einem dauerhaften, spontanen und dynamischen Einssein mit Mir auf allen Ebenen der Wirklichkeit.“

Gottes Sohn, Jesus Christus, war dreiunddreißig Jahre auf der Erde. Nur während der letzten drei Jahre seines Lebens vollbrachte er Wunder. Aber glaubt ihr, die Welt verehrt ihn und betet ihn an, nur weil er über das Wasser gehen und Tote aufwecken konnte? Nein, nicht wegen seiner Wunder wird er bis heute angebetet, sondern weil er das ewige Bewusstsein, das unendliche Bewusstsein herabgebracht hat. Sri Ramakrishna vollbrachte praktisch keine Wunder und es gab viele, viele andere spirituelle Meister, die keine Wunder vollbrachten. Sie fühlten, dass Wunder auf der physischen Ebene zu vollbringen kindisch wäre im Vergleich zu dem, was sie auf der spirituellen Ebene in der Welt des Herzens zu tun fähig waren, wo unendlicher Friede, Licht und Seligkeit wohnen.

Die Kraft der Kundalini und alle wunderbaren Kräfte der Erde sind vergänglich, denn sie sind erdgebundene Kräfte. Doch die Kraft des Selbst ist unendlich, die Kraft des transzendentalen Selbst ist unendlich und unsterblich. Das Wichtigste auf der Erde für einen spirituellen Sucher ist das Erwachen des Bewusstseins und die Verwirklichung des Selbst, denn dieses ist ewig. Wenn jemand kommt und einige Wunder vollbringt, werden wir fasziniert sein. Doch sobald wir nach Hause gehen, wird es nichts mehr geben, das unseren Glauben an das, was er getan hat, aufrecht erhält. Alles scheint nur Zaubertricks und Täuschung zu sein. Und wie lange können wir den Zauberer in uns oder vor uns bewundern? Wenn aber jemand unser Bewusstsein auch nur für eine Sekunde hebt oder wenn wir es selbst durch unser intensives Streben tun, dann hält unser Glaube an diese Erfahrung an, denn sie ist unsere eigene innere Erfahrung. Wir brauchen alles, was ewig währt. Wir brauchen Unsterblichkeit, innere Unsterblichkeit, und diese kommt durch das Erwachen und das Aufsteigen unseres Bewusstseins.

Frage: Ich habe eine Zeit lang auf mein Nabelzentrum meditiert. Ist das klug?

Sri Chinmoy: Gemäß dem strengen Hindu-System sollte dieses Chakra nicht geöffnet werden, bevor das Herzzentrum geöffnet ist. Wenn das Nabelzentrum vor dem Herzzentrum geöffnet wird, dann kann das niederste Vitale, das unreinste Vitale, in das Herz eindringen und all deine spirituellen Möglichkeiten zerstören.

An diesem Punkt deiner spirituellen Entwicklung ist das Nabelzentrum kein gefahrloses Zentrum. Es ist das Zentrum der Dynamik, der Stärke, der Kraft. Du solltest auf dein Herzzentrum meditieren, um Frieden, Liebe und Freude zu erhalten. Wenn du Frieden, Liebe und Freude besitzt, wirst du fühlen, dass Frieden selbst Kraft ist, dass Liebe Kraft ist, dass Freude dynamische Kraft ist. Wenn du das Nabelzentrum öffnest und seine Dynamik missbrauchst, wird sie zu brutaler Aggression. Das Nabelzentrum ist zugleich das emotionale Zentrum. Mit diesen Emotionen kannst du dich ausdehnen und zum Unendlichen werden. Doch wenn du beginnst, die Emotionen des Nabelzentrums hervorzuholen, kannst du wiederum ein Opfer des Vergnügens, irdischen Vergnügens und menschlicher Schwäche werden. Daher gestattet es dir Gott nicht, dieses Zentrum zu öffnen. Er beschützt dich.

Gott will nicht, dass du deine dynamischen Fähigkeiten missbrauchst, die du in und um dein Nabelzentrum herum besitzt. Was Er von dir will, ist dein innerer Schrei, deine tiefste Sehnsucht nach Ihm. Diese innere Sehnsucht, dieser intensive innere Schrei ist weder hier noch im Nabelzentrum, noch hier im Halszentrum, noch hier im dritten Auge oder hier im Scheitelchakra. Er ist einzig und allein in deinem Herzen. Der einzige Ort, an dem man nach Gott schreit, an dem man diese intensive innere Sehnsucht nach Gott spürt, ist hier. Wenn man wirklich nach Gott schreit, wird man Gottes Gegenwart zwangsläufig fühlen, an welchem Ort und in welcher Lage man sich auch befinden mag. Und wenn du Gottes Gegenwart fühlst, kannst du auch fühlen, dass die göttliche Energie, die Kundalini, erweckt ist und sich zum Höchsten erhebt. Von einem Zentrum zum anderen steigt sie hinauf, hinauf, immer weiter hinauf. Wenn du Gottes lebendige Gegenwart in dir fühlen kannst, wird dir diese Energie, von der du sprichst, in kürzester Zeit in grenzenlosem Ausmaß gehören.

Du kannst ohne Gott nicht leben, ich kann ohne Gott nicht leben. Jeder muss mit Gott leben, doch Seine lebendige Gegenwart zu fühlen, ist etwas anderes. Diejenigen, die Gott verwirklicht haben, fühlen Gottes lebendige Gegenwart vierundzwanzig Stunden am Tag. Wenn du nach dieser lebendigen Gegenwart schreist, wird dein ganzes Wesen, deine innere und äußere Existenz mit göttlicher Dynamik und grenzenloser Energie überflutet werden.

Frage: Wie ist es, wenn man auf das untere Ende der Wirbelsäule meditiert und versucht, die Kundalini von dort aufsteigen zu lassen: Ist das ebenfalls gefährlich?

Sri Chinmoy: Einige Leute machen sehr oft einen Fehler. Sie versuchen, ihre Kundalini auf die traditionelle Weise zu erwecken, indem sie am unteren Ende ihrer Wirbelsäule beginnen, doch ihr Vitales bleibt unrein. Dann entstehen für sie große vitale Probleme und sie sagen: „Ach, bevor ich Yoga machte, ging es mir viel besser. Ich hatte sehr viel Reinheit, doch jetzt ist all meine Reinheit verschwunden.“

Frage: Könntest du bitte etwas über die Wirkungsweise des fünften Chakras sagen?

Sri Chinmoy: Das fünfte Chakra ist das Kehlkopfzentrum. Es wird auch Vishuddha_- oder _Kantha_-Chakra genannt. Das Sanskritwort für „Hals“ ist _Kantha. Wie die anderen Chakren befindet sich das Vishuddha-Chakra im Subtilkörper, im subtilen Physischen und nicht im Grobphysischen.

Wenn man dieses Chakra öffnet, wird man schöpferisch tätig werden. Man kann ein Schriftsteller werden, ein Sänger oder ein Tänzer. Wenn dieses Chakra geöffnet ist, bedeutet das, dass man einen freien Zugang zu der Welt der Kreativität geschaffen hat. Dieses Zentrum hat eine besondere Beziehung zur universellen Musik, die vollkommen anders ist als die Musik, die wir spielen oder hören. Diese universelle Musik ist himmlische Musik, die wir nicht ausdrücken können. Wir hören diese Musik in unserem Herzzentrum, dem Anahata-Chakra. Unsere gewöhnlichen menschlichen Ohren können sie nicht hören, wir hören sie nur mit unserem inneren Ohr.

Ausdruck, Enthüllung und Manifestation: all das bleibt reine Vorstellung, solange das fünfte Chakra nicht geöffnet ist. Wir können die Wahrheit verwirklichen, doch solange die Wahrheit nicht in dieser Welt enthüllt und manifestiert wird, bleibt sie reine Vorstellung. In anderen Welten, in den inneren Welten, ist sie eine Wirklichkeit. Doch solange wir etwas nicht unmittelbar vor uns sehen, haben wir jedes Recht, es zu leugnen. Wenn das Halszentrum geöffnet ist, wird aus der Vorstellung Wirklichkeit. Was wir Vorstellung nennen, ist in einer anderen Welt eine Wirklichkeit. In einer anderen Welt besitzt die Schau auf göttliche Weise ihre eigene Wirklichkeit, doch solange sie in der äußeren Welt nicht zur Wirklichkeit wurde, nehmen wir sie nicht vollständig an. In dem Augenblick, in dem das fünfte Chakra geöffnet wird, kommt alles zum Vorschein, was als Möglichkeit im Innern verborgen ist, um sich göttlich zu manifestieren. Dieses Zentrum ist also das Zentrum des Ausdrucks, der Enthüllung und Manifestation der eigenen verborgenen inneren Wahrheit.

Frage: Es heißt, dass es 86 000 subtile Nerven gibt. Sind sie denn so deutlich erkennbar, dass man sie zählen kann?

Sri Chinmoy: Ja, diese Nerven sind für das innere Auge durchaus sichtbar. Sie sind nicht ineinander verschlungen, sondern sehr klar erkennbar. Aber sie sind sehr leicht und zart, sehr subtil. Einmal versuchte ich, sie zu zählen. Ich glaube, ich kam bis zweitausend oder dreitausend, dann gab ich es auf und sagte mir: „Ich glaube es.“

Frage: Haben die Nerven des subtilen Körpers irgendeine Beziehung zu den Nerven im physischen Körper?

Sri Chinmoy: Nein. Wenn du einen physischen Nerv zerschneidest, wird der subtile Nerv nicht beeinträchtigt werden. Doch man kann Botschaften von den subtilen Nerven in das Physische bringen. Du kannst Energie und andere Schätze vom Subtilen in das Physische bringen. Der Zweck der subtilen Nerven besteht darin, dem subtilen Physischen Energie zu geben. Durch deine Konzentration kannst du deine subtilen Nerven stärken.

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