Russell Wilson: Ich fühle mich geehrt, Sir. Ich empfinde Ihre Gegenwart so stark, dass mir das Sprechen schwer fällt. Doch es ist ein sehr angenehmes und schönes Gefühl. Ich suche inneren Frieden und empfinde eine sehr starke Verbindung mit Ihnen. Wenn Sie es gestatten, würde ich gerne von Ihnen lernen.

Sri Chinmoy: Alles beruht auf Gegenseitigkeit. Mit einer Hand können wir nicht klatschen; dazu brauchen wir zwei Hände. Und hier erkennen wir eben­falls die gegenseitige Annahme unserer beider Herzen. Wenn Sie jenseits der Reichweite Ihres erdgebundenen Verstandes verweilen können, kann diese Annahme ständig erleuchtend und erfüllend sein. Das Herz errichtet sein Einssein kraft seiner Reinheit, Schönheit und Göttlichkeit. Doch da der mensch­liche Verstand bis jetzt noch nicht durch das Licht des Himmels oder durch das innere Licht erleuchtet wurde, neigt er dazu, die Reinheit, die Schönheit und die Göttlichkeit, die wir in unserem Herzen wahrnehmen, anzuzweifeln. Unser eigener Verstand zweifelt alles Göttliche in uns an.

Angenommen Sie haben eines Tages früh am Morgen eine sehr tiefe, erhebende Meditation. Ihr Verstand kann diese sofort anzweifeln: „Wie kann ich eine so gute Meditation haben? Das kann nicht sein. Erst gestern war ich im Strudel der Politik gefangen und hatte so viele Probleme zu lösen. Wie sollte es mir möglich sein, heute in einem Meer des Friedens zu schwimmen?“ Doch das Herz wird sagen: „Nein! Ganz gleich wie tief ich in die Probleme der äußeren Welt verstrickt bin, in mir ist etwas Ewiges und Unsterbliches, das davon nicht betroffen ist.“

Das Herz übermittelt uns ständig die ermutigende, inspirierende und erleuchtende Botschaft des Jenseits. Das Herz ruft uns immer in Erinnerung, was wir in der inneren Welt wahrhaftig sind, während der menschliche Verstand seine eigene, so begrenzte Fähigkeit ständig verurteilt und kritisiert.

Meine Bitte an Sie wäre folgende. Halten Sie, wenn Sie beten und meditieren, die Türe Ihres Verstandes fest verschlossen und versuchen Sie das Licht, das Sie in Ihrem Herzen tragen, hervorzubringen. Ihr Herzensraum ist immer mit Licht im Überfluss versorgt, deswegen sollten Sie so viel Zeit wie möglich dort verbringen. Und dann, wenn die Stunde Gottes schlägt, werden Sie das Licht Ihres Herzensraumes in Ihren Verstandesraum bringen, der noch Erleuchtung braucht. Der Elektriker hat das Licht in Ihren Herzensraum gebracht. Er hat die Kabel verlegt und sie verbunden. Nun wird derselbe Elektriker in einen anderen Raum – Ihren Ver­stan­desraum – gehen und dort ebenfalls das Licht hinbringen. In diesem Fall ist Ihre eigene Seele der Elektriker. Und wenn einmal Ihr Verstandesraum erleuchtet ist, werden Ihr Herz und Ihre Seele zusammenarbeiten können.

Sie müssen Ihren Verstand gebrauchen, wenn Sie von Ihren vielfältigen Aktivitäten in Anspruch genommen werden. Bitte versuchen Sie zu erkennen, wie viel Aufrichtigkeit, Einfachheit und Reinheit vorhanden sind, während Sie den Verstand gebrauchen. Ihr Verstand wird mehr und mehr erleuchtet werden, wenn Sie die Gegenwart einer dieser genannten göttlichen Eigenschaften oder anderer göttlichen Eigenschaften fühlen können. Und letzten Endes wird es Ihnen gelingen, die Göttlichkeit Ihres Herzens in Ihren Verstand zu bringen, so dass Ihr Verstand ebenfalls göttlich erleuchtet sein wird.

Wenn Sie von Ihren täglichen Aktivitäten nicht in Anspruch genommen werden, wenn Sie beten und meditieren, versuchen Sie bitte ständig in Ihrem Herzensraum zu verweilen. Je länger Sie dort verweilen können, desto leichter werden Sie Ihre innere Schönheit, Ihre innere Reinheit und Ihre innere Göttlichkeit vergrößern. Sie können nur dann innerlich glücklich sein, wenn Sie in Ihrem spirituellen Leben Ihrem Herzen die volle Bedeutung beimessen. Wenn Sie Ihrem Herzen augenblicklich auch keine hundertprozentige Wichtigkeit beimessen können, so sollten Sie versuchen, es zu­mindest zu achtzig oder zu neunzig Prozent zu tun. Und wenn dann die Zeit kommt, werden Sie den inneren Reichtum, der sich in Ihrem Herzen befindet, nehmen und ihn in den Raum Ihres Verstandes bringen.

Wenn Sie den inneren Reichtum Ihres Herzens in Ihren Verstand bringen, wird das Herz nicht leiden. Nicht im geringsten. Wenn Sie im äußeren Leben aus dem einen Zimmer etwas herausnehmen und es in ein anderes bringen, dann gibt es diese Sache im ersten Zimmer nicht mehr. Doch der Reichtum, den Sie in Ihrem Herzen haben ist grenzenlos. Die Freude, der Frieden, das Licht, die Liebe, die Ergebenheit zu Gott und all die anderen göttlichen Eigenschaften, die Sie in Ihrem Herzen haben, sind grenzenlos. Wenn Sie die Liebe Ihres Herzens nehmen und Sie zu Ihrem Verstand bringen, so wird sich diese Liebe in Ihrem Herzen nur noch vergrößern. Ihr Herz wird ständig neu gefüllt. Je mehr das Herz gibt, desto mehr vergrößert sich die Empfänglichkeit des Herzens und desto leichter fällt es ihm, Gottes Göttlichkeit zu empfangen und zu behalten.

Sri Chinmoy, Sri Chinmoy antwortet, Teil 4, The Golden Shore Verlagsges.mbH, Nürnberg, 2005
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