Frage: Wenn dir Menschen beim Gewichtheben zusehen, hat das dann irgendeine Auswirkung auf ihr Bewusstsein?

Sri Chinmoy: Gott hat mir aus Seiner unendlichen Güte heraus einige gute Eigenschaften gegeben. Er will Sein Licht in und durch mich verbreiten. Manchmal ist es für die innere Welt schwierig, sich nur durch Gebet und Meditation zu manifestieren. Doch die physischen, vitalen, mentalen und spirituellen Ebenen sind völlig verschiedene Bereiche. Wenn die äußere Welt bis zu einem gewissen Grad an meine körperlichen Fähigkeiten glauben kann, wird sie viel eher auch Glauben an die Fähigkeiten und guten Eigenschaften meines Vitalen haben, wie zum Beispiel Dynamik und Begeisterung, die nie zerstörerisch wirken. Das gleiche gilt für meine geistigen Fähigkeiten und meine Kreativität. Die Menschen werden sehen, dass ich viele Bücher geschrieben, viele Bilder gemalt, viele Lieder komponiert habe und so weiter. Wenn dieselbe äußere Welt dann Vertrauen in mein Herz gewinnen will, wird sie schauen, wie viel Frieden oder Mitgefühl ich besitze. Und will sie schließlich an meine Seele glauben, wird sie den Grad meiner Erleuchtung beurteilen.

Wir können also jeden Bereich für sich betrachten. Wenn jemand auf einem Gebiet erfolgreich ist, wird ihn die äußere Welt viel eher auch auf einem anderen Gebiet annehmen und schätzen. Ein Geschäftsinhaber verkauft viele verschiedene Artikel. Wenn ein Kunde in seinem Geschäft etwas kauft und damit zufrieden ist, wird er Vertrauen gewinnen und sich dort später wieder etwas kaufen.

Die meisten spirituellen Meister versuchen nur, etwas von der Seele oder vom Herzen anzubieten. Sobald die Verstandesebene ins Spiel kommt, setzt Verwirrung ein. In meinem Fall will Gott, der Supreme, dass ich meinen Dienst auf allen Ebenen anbiete. Wenn jemand glaubt, dass ich einen Elefanten heben kann, wird dieselbe Person vielleicht auch an meine spirituellen Fähigkeiten glauben. Als wir vor ein paar Wochen unsere Feier bezüglich meines Gewichthebens begingen, bemerkte einer der Bodybuilder, ich hätte nicht nur Gewichte gehoben, sondern etwas noch viel Schwereres, nämlich das Bewusstsein des Publikums. Ist das nicht bemerkenswert? Obwohl er nicht mein Schüler ist, sagte er, ich habe so viele Menschen innerlich erhoben. Wie viel Weisheit er besitzt, wie viel Kenntnis von dem, was ich verkörpere!

Wenn du auf der höchsten Höhe keinen Zugang zu mir hast, dann versuche, auf einer niedrigeren Stufe eine Verbindung zu mir herzustellen. Die Menschen dieser Welt können körperliche, vitale oder mentale Kraft, die sich auf einer niedrigeren Ebene befinden, schätzen. Wer jedoch schätzt die Kraft des Herzens – Einssein? Mit dieser Kraft kannst du innerlich leicht nach Afrika reisen und mit Millionen von Menschen innerlich eins werden. Mit ihr kannst du die höchsten Gipfel des Himalayas erklimmen und von dort aus deinen guten Willen in die ganze Welt hinaus schicken. Swami Vivekananda sagte, die gesamte innere Welt würde mit dem Klang dieses Herzenswillens im Einklang schwingen. Doch wer glaubt solche Dinge schon? Meistens werden sie als reine Einbildung abgetan.

Wenn jemand noch nicht bereit ist für fortgeschrittene Lektionen, kann er zunächst etwas Einfaches lernen und sich nach und nach schwierigeren Aufgaben zuwenden. Wenn die Menschen an eine Sache glauben, die ich vollbringe, werden sie Bereitschaft zeigen, auch an meine anderen Fähigkeiten zu glauben. Sie werden meine Dynamik und meinen Enthusiasmus bemerken und vielleicht bei unserem Freundschaftslauf oder einer unserer anderen Aktivitäten teilnehmen. Viele Menschen, die mein Gewichtheben schätzen, wissen gar nicht, dass ich auch ein spiritueller Meister bin.

Wenn die Menschen in irgendetwas Vertrauen haben, können sie von dort aus weiter gehen. Sie werden fragen: „Hat er sonst noch etwas anzubieten?“ Wenn dir ein Geschäft gefällt, wirst du den Besitzer fragen: „Haben Sie auch noch dieses oder jenes?“ Gefällt dir dort hingegen gar nichts, ist der Fall für dich erledigt. Würdest du noch einmal dorthin gehen? Sicher nicht!
Sri Ramakrishna stellte einmal die Frage, warum man auf einen Menschen hören solle, der keine Macht besitzt. Dabei bezog er sich jedoch nicht auf die Macht der Zerstörung, sondern auf die Macht des Einsseins. Wenn die Menschen deine innere Macht weder sehen noch fühlen können, musst du ihnen einen Ausdruck dieser Macht zeigen. Als Swami Vivekananda Chikago besuchte, offenbarte er die Einsseins-Macht seines Herzens. Als er das Publikum am Parlament der Religionen mit den Worten ansprach: „Meine Schwestern und Brüder“, berührte er damit augenblicklich die dynamische Lebenskraft der Menschheit. So wurde er unsterblich. Das war seine Macht. Macht ist wie ein Messer: Du kannst damit dich selbst und andere erstechen oder Früchte schneiden, um sie mit anderen zu teilen.

Viele Menschen haben so schöne Dinge über mein Gewichtheben gesagt! Wenn die Menschen an einen Aspekt meines Lebens glauben, werden sie versuchen, auch an die weiteren Aspekte zu glauben. Und schließlich werden sie sagen: „Oh Gott, auf diesem Gebiet kann er der Welt ja noch viel mehr geben!“ Dann werden sie in mein Herz und in meine Seele eintauchen. Die Fähigkeiten der äußeren Welt sind nichts im Vergleich zu jenen der inneren Welt. In der äußeren Welt hebe ich 300 Pfund, aber in der inneren Welt sind 300 Pfund gar nichts! Verglichen mit dem, was ich in der inneren Welt zu heben imstande bin, ist das nicht mehr als ein kleiner Tropfen. In der inneren Welt kann man Meere zusammenführen; ich besitze diese Fähigkeit. Natürlich werden viele sagen, ich prahle, denn in der äußeren Welt kann mich schon ein kleiner Tropfen zur Strecke bringen.

Mein Gewichtheben ist eine Gelegenheit, die der Supreme mir und meinen Schülern gibt. Ich bitte alle meine Schüler, diese Gelegenheit wahrzunehmen, um mich in die Welt hinauszutragen. Je mehr ihr mich mit der Welt teilen könnt, desto mehr könnt ihr mich empfangen. Wenn du die Morgensonne betrachtest, rufst du deine Freunde, um den schönen Anblick mit ihnen zu teilen. Jedes Mal, wenn du jemanden auf die Sonne aufmerksam machst, vergrößert diese die Schönheit und Göttlichkeit deines eigenen Herzens. Indem du deine guten Eigenschaften, deine Göttlichkeit mit anderen teilst, kannst du deine eigenen Fähigkeiten vergrößern.

Wir können unsere Reise früh am Morgen beginnen. Doch was geschieht um sechs, sieben oder acht Uhr? Die halbe Welt schläft noch. Würden wir früh aufstehen, wie viel könnten wir dann mit Gottes Gnade erreichen! Heute Morgen um 1 Uhr 30 rief ich in Indien an und telefonierte mit meiner Schwester. Anschließend meditierte ich eine Weile. Um 3 Uhr 15 begann ich mit meinen Körperübungen. Diese nehmen täglich einige Stunden in Anspruch. Dabei denke ich an Gott, meinen geliebten Supreme. Anschließend komponierte ich spirituelle Lieder. Sowohl auf der geistigen als auch auf der spirituellen Ebene vollbringe ich jeden Tag viele Dinge und fange damit früh am Morgen an.

Lege jeden Morgen vor dir selbst das feierliche Versprechen ab, heute ein besserer Mensch zu werden, als du gestern warst. Wenn du bereits ein bestimmtes Maß an Güte besitzt, so entwickle noch mehr Güte. Lege das Versprechen ab: „Heute werde ich ein besserer Mensch sein.“ Und am nächsten Tag tue wieder das Gleiche.

Aber auch der physische Körper ist enorm wichtig. Im alten Indien wurde weithin gepredigt: „Beschäftige dich nicht mit dem Körper. Er kommt schon alleine zurecht. Beschäftige dich nur mit der Seele und dem Herzen. Den Körper kannst du vernachlässigen.“ Wenn wir jedoch dem Tempel keine Aufmerksamkeit schenken, wie können wir dann den Altar in gutem Zustand erhalten? Wird der Wind nicht den Altar wegblasen, wenn kein Tempel zum Schutz da ist? Wir müssen den physischen Körper fit halten. Das heißt nicht, dass man zu einem zweiten Muhammad Ali werden muss. Aber physische Fitness ist von enormer Wichtigkeit, und das beinhaltet auch Enthusiasmus, Begeisterung, Dynamik und Wachsamkeit. Sonst magst du vielleicht spazieren gehen, joggen oder sogar schnell laufen - aber wo ist dein Enthusiasmus, deine Dynamik, deine Bereitschaft, Licht zu empfangen?

Um auf deine Frage zurückzukommen: In einem Garten gibt es viele verschiedene Blumen. Gefällt dir eine bestimmte nicht, so erfreue dich an den anderen. Wenn du auch nur eine einzige Blume bewundern kannst, so empfängst du schon etwas. Etwas ist besser als gar nichts. Diejenigen, die für mein spirituelles Licht nicht empfänglich sind, können zumindest versuchen, sich von meinen physischen Aktivitäten inspirieren zu lassen und so vielleicht mehr Enthusiasmus zu entwickeln.

Wir wollen alle glücklich sein. Wenn wir glücklich sind, streiten und kämpfen wir nicht. Hier hebe ich Gewichte. Ich kämpfe mit niemandem. Ich tue etwas, das mir Freude bereitet, und ihr seht etwas, das euch Freude schenkt. Wenn ich dir also hier auf der physischen Ebene Freude schenken und du dadurch Freude empfinden kannst, so vollbringen wir dabei etwas Wunderbares.

Sri Chinmoy, Sri Chinmoy antwortet, Teil 9, The Golden Shore Verlagsges.mbH, Nürnberg, 2007
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