Teil VI — Sauberkeit

Frage: Ist es wichtig, dass man sich duscht, bevor man ins Centre zur Meditation kommt?

Sri Chinmoy: Dieses Centre ist ein Ort der Reinheit. Es ist ein Tempel. Versucht bitte, so sauber und rein wie möglich hierher zu kommen. Macht es zu einer Gewohnheit, zu baden oder zu duschen und saubere Kleider anzuziehen, bevor ihr ins Centre kommt. Wenn ihr direkt von eurem Büro hierher kommen müsst und nicht heimgehen und duschen könnt, dann wascht euch bitte wenigstens gründlich. Sonst stört ihr die Meditation derjenigen, die neben euch sitzen und zieht ihr Bewusstsein herab. Wenn in Indien die Schüler ihren spirituellen Meister besuchen, nehmen sie zuerst ein Bad, unabhängig davon, wie viele Male am Tag sie zu ihm gehen. Auch wenn sie erst vor einer Stunde mit dem Baden fertig geworden sind, baden sie noch einmal. Sie fühlen, dass körperliche Sauberkeit wichtig ist, und im Grunde haben sie recht, denn es trägt zur Reinheit des Verstandes bei.

Vor ein paar Jahren wurde ich eingeladen, in der Nähe von San Francisco eine Hippie-Gemeinschaft zu besuchen. Glaubt mir, das Leben, das sie führten, war primitiver als das eines Tieres. Ihre Hütten – Gott allein weiß, wie man das bezeichnen soll – waren von allen möglichen Insekten und Würmern befallen. Es war eine unerträgliche Schwingung. Es war eine reine Qual für mich, dort hinein zu gehen. Auch in Indien leben viele Sucher in Hütten ohne moderne sanitäre Einrichtungen. Aber sie erhalten sich einen Sinn für Sauberkeit. Dreimal am Tag gehen sie in den Dorfteich baden. Aber hier gibt es viele sogenannte Sucher, die nicht einmal im Monat ein Bad nehmen. Unvorstellbar!

Wir wissen alle, dass es auf dem spirituellen Pfad einige gibt, die ein asketisches Leben führen wollen. Dies ist überhaupt nicht notwendig, aber sie haben das Gefühl, es helfe ihnen, Fortschritt zu machen. Askese bedeutet jedoch nicht, den Körper zu quälen und die Gesellschaft zu ignorieren. Gegen den menschlichen Fortschritt und die Zivilisation zu kämpfen ist nicht Askese, sondern widernatürliche Selbstgefälligkeit. Diese Art Leben ist ganz und gar nicht spirituell. Die Leute, die in Kommunen leben wie jene, die ich besucht habe, reden über die Freiheit, auf ihre eigene Art zu leben. Aber die Freiheit, die mich zum Tierreich zurückbringt, ist keine wirkliche Freiheit, sondern Bindung und Unwissenheit. Die Freiheit, die mich zu unendlichem Frieden, Licht und Glückseligkeit führt, ist die wirkliche Freiheit.

Sauberkeit und Göttlichkeit liegen eng beisammen. Daran glaube ich. Jeden Tag solltet ihr euch duschen oder baden, auch wenn ihr nicht ins Centre kommt. Das heißt nicht, das ihr rein sein werdet, wenn ihr die ganze Zeit im Wasser bleibt. Nein, ein Fisch ist nicht reiner als wir. Ein Schwimmer ist nicht notwendigerweise reiner als wir, auch wenn er viel im Wasser ist. Das Entscheidende ist das Bewusstsein. Aber für die Reinigung des Bewusstseins ist die Reinigung des Körpers absolut notwendig. Wenn die Reinheit in unserer Natur nicht gefestigt ist, kann die göttliche Kraft nicht permanent in uns bleiben. Wenn die Reinheit von der Spiritualität weggenommen wird, bleibt nichts mehr übrig. In der physischen Reinheit kann die göttliche Kraft am machtvollsten und erfolgreichsten handeln und auf ewig währen.

Es gibt spirituelle Gestalten, die den Körper vernachlässigen. Sie kümmern sich nicht um körperliche Sauberkeit. Aber auf meinem Pfad glauben wir, dass das äußere und das innere Leben zusammen gehen müssen. Wir kümmern uns um das Physische, weil wir wissen, dass die Erfüllung der göttlichen Mission nur in dieser physischen Welt stattfinden kann. Wenn wir das äußere Leben ignorieren, bleiben wir unvollkommen. Wenn wir das innere Leben ignorieren, haben wir nichts anzubieten. Das innere und das äußere Leben müssen zusammengehen.

Wenn ihr euch duscht und dann Kleidung tragt, die nicht frisch und gewaschen ist, werdet ihr euch nicht sauber fühlen. Ihr werdet ein ungutes Gefühl haben, und euer inneres Streben wird abflauen. Wenn jemand anderer Meinung ist, dann, würde ich behaupten, täuscht er sich selbst. Das gleiche ist, wenn ihr nagelneue Kleidung anzieht und nicht duscht. Auch hier werdet ihr euch nicht sauber und wohl fühlen.

Wir können sagen, dass das Duschen die äußere Reinheit darstellt. Wir sehen, dass das Äußere dem Inneren helfen kann, dass es unserem inneren Wesen, unserem Bewusstsein, helfen kann, wenn wir frische Kleidung tragen. In unserem Leben, das wir ganz dem inneren Streben widmen, müssen das Äußere und das Innere zusammengehen. Wenn ich vom Äußeren ein bisschen Hilfe bekommen kann, werde ich sie annehmen, wenn ich weise bin. Wenn mir das Innere tausend Euro und das Äußere einen Euro geben kann, dann habe ich tausendundeinen Euro – falls ich die Hilfe von beiden annehme – währenddem ein anderer nur tausend Euro haben wird.

Sri Chinmoy, Primer, The Golden Shore Verlagsges.mbH, Nürnberg, 2020
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