Frage: Warum tragen deine Schülerinnen Saris und deine Schüler weiße Kleidung?

Sri Chinmoy: Ihr habt bemerkt, dass einige meiner Schülerinnen, die mich von ganzem Herzen angenommen haben, Saris tragen. Nun fragt ihr mich: “Warum tun sie das? Warum hast du sie in indische Frauen verwandelt?” Glaubt mir, ich habe sie nicht in Inderinnen verwandelt. Ich wurde zwar in Indien geboren, aber ich bin ein Kosmopolit. Ich bin Gottes Kind. Im spirituellen Leben müssen wir sehr, sehr weise sein. Damit meine ich, dass ihr etwas mit Freude annehmen solltet, wenn es eurem inneren Streben hilft. Auch wenn es eurer Strebsamkeit nur einen Tropfen hinzufügt, solltet ihr es tun, wenn es in eurer Macht liegt.

Gott-Verwirklichung hängt nicht davon ab, ob ihr einen Sari tragt. Nein. Wenn sie davon abhinge, wären alle indischen Frauen gottverwirklichte Seelen. Aber wenn ihr einen Sari tragt anstatt Hosen oder enge, unbescheidene Kleidung, wie sie die meisten westlichen Frauen tragen, dann werden die göttlichen weiblichen Eigenschaften in Form vom Bescheidenheit, Demut, Reinheit und Göttlichkeit automatisch in euch zum Vorschein kommen. Ihr mögt sagen, dass ihr in eurem Bewusstsein nichts Falsches feststellen könnt, wenn ihr westliche Kleider tragt, aber da habt ihr Unrecht. Ihr schenkt dem riesigen Unterschied einfach keine Beachtung.

Neunundneunzig Prozent eurer Verwirklichung wird von eurer Strebsamkeit abhängen. Aber wenn ihr das eine Prozent durch das Tragen eines Saris gewinnen könnt, dann solltet ihr es tun. Wenn ihr hingegen sagt: „Nein, ich will keinen Sari tragen. Das würde meine Eltern verwirren und meine Freunde würden sich über mich lustig machen,“ dann braucht ihr keinen Sari zu tragen. Ihr steht unter keiner Verpflichtung. Ich brauche eure Strebsamkeit, nicht eure Saris.

Wenn ihr westliche Kleider tragen wollt, dann kleidet euch bitte bescheiden. Die Röcke sollten nicht über dem Knie enden und wenn ihr Hosen tragen müsst, sollten sie weit sein, nicht eng. Wenn ihr mich noch weiter zufriedenstellen wollt, werdet ihr langärmlige oder kurzärmlige Blusen und Pullover tragen und keine ärmellosen. Wenn ihr dies alles tut, werdet ihr nicht nur euer eigenes Bewusstsein reinigen und vergöttlichen, sondern auch denen ein göttliches Bewusstsein vermitteln, die euch anschauen. Nun zu den Männern. Ich habe meine männlichen Schüler gebeten, wann immer sie können, weiße Hosen und weiße Hemden zu tragen. Wir wissen, dass Weiß in der spirituellen Welt Reinheit verkörpert. Reinheit ist das Bewusstsein der göttlichen Mutter. Gott ist eins; aber in der weiblichen Form ist Er die Mutter, und in der männlichen Form ist Er der Vater. Wenn Männer weiße Kleidung tragen, dann kommt ihre Reinheit unmittelbar zum Vorschein.

Männer und Frauen haben beide ihre eigenen besonders guten Eigenschaften und ihre besonderen Schwächen. Was jeder Mann braucht, ist Reinheit in vollstem Maße. Es gibt keinen einzigen Mann, der sagen kann, er brauche keine Reinheit. Wenn ihr heute einen dunklen oder farbigen Anzug tragt und morgen einen weißen, werdet ihr den Unterschied bemerken. Wenn ihr Weiß tragt, fühlt ihr die innere Botschaft der Reinheit. Wenn ihr Reinheit besitzt, könnt ihr die Strebsamkeit und die Erfahrungen, die ihr von eurem spirituellen Leben erhaltet, bewahren. Sonst habt ihr diesen Morgen eine wunderbare Meditation, und innerhalb von zwei Stunden verliert ihr alles wieder. Warum? Weil ihr unreinen Gedanken nachgegeben habt, unreinen Ideen, einem unreinen Bewusstsein. Unreinheit braucht überhaupt nicht auf der physischen Ebene zu sein. Auf der mentalen Ebene ist sie ebenso schlimm.

Doch auch die Männer sollten wissen, dass es nicht ihre weiße Kleidung ist, die ihnen Verwirklichung schenken wird. Niemals! Doch sie wird ihnen ein wenig helfen. Wenn euer Verstand für eine Sekunde rein wird, weil ihr weiße Kleidung tragt, dann trägt das zu eurer Strebsamkeit bei. Wenn es euer Ziel ist, hundert Dollar zu erhalten, und ihr habt bereits neunundneunzig, dann werdet ihr, wenn ihr weise seid, den letzten Dollar nehmen, von wo immer ihr könnt, und dann sagen: „Ich habe mein Ziel erreicht.“ Aber wenn ihr nur diesen einen Dollar besitzt, könnt ihr das Ziel nicht erreichen.

Wenn jemand sagt: „Ich will keinen Sari tragen, ich brauche keine weiße Kleidung zu tragen. Ich bin bereit, fünf Minuten oder einen Tag länger zu warten, um den zusätzlichen Dollar von meiner eigenen Strebsamkeit zu erhalten,“ dann werde ich sagen, dass der Betreffende warten kann. Aber ihr müsst euch bewusst sein, dass Zeit ein wichtiger Faktor ist. Heute kam ich von Los Angeles nach San Francisco. Ich brauchte eine Stunde, um mit dem Flugzeug hierher zu kommen, und dann begann ich mit meiner Arbeit. Aber einige meiner Schüler kamen mit dem Auto hierher, und brauchten sechs oder sieben Stunden. Dies ist der Unterschied. Unsere Verwirklichung ist ohne Ende. Heute verwirklichen wir Gott, morgen enthüllen wir Gott und übermorgen manifestieren wir Gott. Aber wenn wir unsere heutige Aufgabe nicht so bald als möglich erledigen, dann wird auch alles andere verschoben werden.

Sri Chinmoy, Primer, The Golden Shore Verlagsges.mbH, Nürnberg, 2020
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