Die Mission der Schüler

In fünfzig, sechzig, achtzig oder hundert Jahren werdet ihr die Resultate der Samen sehen, die wir jetzt säen. Selbst wenn nur zwanzig oder dreißig Leute einen meiner Vorträge besuchen, macht das nichts. Manchmal tut es mir sehr leid, wenn nur wenige Leute kommen, aber selbst wenn überhaupt niemand erscheint, bin ich bereit zu den Wänden des leeren Raumes zu sprechen. Ich muss Vorträge geben, weil der Supreme das von mir erwartet. Wenn anderer­seits mehr Leute kommen – um so besser, denn dann haben viele Leute die Gelegenheit, von spirituellen Dingen zu hören. Wenn jeder von euch fühlt, dass meine Mission eure Mission ist, dann werdet ihr auf jede er­denkliche Weise unsere Mission unterstützen.

Ein Schüler von Sri Ramakrishna, der sich der Mission seines Meisters voll gewidmet hatte, schwor eines Tages, dass er ein Sri Ramakrishna Zentrum in Madras aufbauen würde. Als er von Bengalen nach Madras kam, waren seine einzigen Besitztümer ein Regenschirm und ein Bild von Sri Ramakrishna. Ob Regen oder Sonnenschein, dieser junge Mann trug immerzu das Bild und den Regenschirm bei sich. Jahrelang arbeitete er nahezu ohne Mittel. Er kämpfte so hart und jetzt ist das Ramakrishna Zentrum in Madras in ganz Indien bekannt.

Eines Tages hielt er einen Vortrag im Mylapore Centre. Da es ein regnerischer Tag war, erschien niemand zum Vortrag. Der Redner stand auf und sagte: „Niemand ist da? Wo könnte ich ein besseres Publikum als die Wände finden?“ Er hielt seinen Vortrag. Anschließend sagte er: „Die Wände haben so hingegeben zugehört; sie sind mein bestes Publikum. Die Wände diskutieren nicht, sie machen keinen Lärm, sie widersprechen meinen Ansichten nicht. Andere zweifeln und sind misstrauisch; sie haben andere Ansichten. Aber die Wände haben alles aufgenommen, was ich geben wollte. Heute war mein Publikum wirklich göttlich.“

In meinem Fall verhält es sich ebenso. Wenn Leute kommen, wird das Licht, das ich anzubieten habe, an unzählige Menschen verteilt. Aber wenn wir keine Zuhörer haben, sagen wir wie Sri Ramakrishnas Schüler: „Die Wände haben mich angenommen“. Als ich kürzlich an der Brandeis Universität sprach, waren dort sehr wenig Leute zugegen. Aber hinter dem Publikum, genau mir gegen­über, sah ich den Supreme. Er sagte zu mir: „Ich höre zu. Ich bin der Zuhörer.“ Er wird uns zuhören, selbst wenn wir kein Publikum sehen.

Jeder von uns kann hingebungsvollen Dienst leisten. Ich bete, dass jeder meiner Schüler die Botschaft des Supreme mit Hingabe und Widmung verbreiten kann. Wenn du dies ohne Stolz, Eitelkeit oder Ego tust, dann erfüllst du den Supreme auf die Art, die der Supreme von dir erwartet.

Sri Chinmoy, Ein Sucher des 20. Jahrhunderts, The Golden Shore Verlagsges.mbH, Nürnberg, 2005
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