Frage: Aber ist es nicht wahrscheinlicher, dass man eher zu einem spirituellen Vortrag gehen würde, wenn man kein Fernsehgerät besitzen würde?

Sri Chinmoy: Nein, das ist nicht unbedingt so! Selbst wenn du überhaupt keine Besitztümer hättest, könnte dich Faulheit überkommen oder du könntest sagen: „Wen kümmert dieser dumme Vortrag? Das spirituelle Leben ist nichts für mich; es ist etwas Unwirkliches.“ Das Fehlen von Besitz bringt uns nicht schneller dazu, ein spirituelles Leben zu führen. Es gibt sowohl in Indien als auch hier Bettler, die sich nicht für das spirituelle Leben interessieren. Wenn jemand arm ist und nichts besitzt, hegt er womöglich der Welt und Gott gegenüber schlechte Gefühle. Er wird sich nicht unbedingt der Spiritualität zuwenden. Armut bedeutet nicht, dass du Gott auch nur einen Zentimeter näher bist. Deine Besitztümer sind nicht für deine Handlungen verantwortlich, es ist vielmehr der Besitzer, der dafür verantwortlich ist.

Ich bin sicher, dass du schon einmal von König Janaka gehört hast, der ein riesiges Königreich besaß. Trotz seines Reichtums und seiner Macht widmete er sein ganzes Leben Gott und der Suche nach Gottver­wirk­lichung. Ebenso muss der materielle Wohlstand im Westen kein Hindernis für die Gottverwirklichung darstellen. Du darfst einfach den Dingen, die du besitzt, nicht erlauben, dich zu besitzen. Du musst den Besitzer von den Besitztümern trennen. Du besitzt ein Fernsehgerät und willst deshalb kein spirituelles Seminar besuchen; doch jemand, der keinen Fernseher besitzt, geht möglicherweise auch nicht zu dem spirituellen Seminar, weil er an etwas anderes denkt. Ihm fehlt vielleicht auch das innere Streben. Ob du Spiritualität praktizierst oder nicht, hängt davon ab, ob du innerlich strebst und nicht ob du ein Fernsehgerät besitzt.

Sri Chinmoy, Ein Sucher des 20. Jahrhunderts, The Golden Shore Verlagsges.mbH, Nürnberg, 2005
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