Frage: Ich weiß, dass ich vitale Probleme habe, aber ich habe dir nie darüber geschrieben. Heißt das, dass ich unaufrichtig bin?

Sri Chinmoy: Nein! Manche Leute sind aufrichtig bis zum Äußersten; sie schreiben über alles. Andere wiederum schreiben nicht, aber das bedeutet nicht, dass sie unaufrichtig sind. Manche fühlen, dass sie mit den Problemen umgehen können und möchten es selbst auskämpfen. Andere schämen sich vielleicht oder meinen, es sei unter ihrer Würde zu schreiben. Dies sind die Gründe, weshalb sie nicht schreiben. Aber Leute, die schreiben, erhalten mehr Mitgefühl vom Supreme in mir. Ich versuche, ihre Probleme wie ein Magnet anzuziehen. Doch meine Hilfe ist nicht genug. Ihre eigene Bereitschaft, diese Kräfte aufzugeben, ist ebenfalls nötig. Wenn sie schreiben, vergrößert sich das göttliche Mitgefühl, aber ihr Sieg kann nicht errungen werden, ohne dass sie selbst diese falschen Kräfte besiegen wollen.

Wenn ich hinfalle und mich verletze und dann zu meiner Mutter laufe, wird sie mir ein Pflaster auf das Knie kleben und mir sofort ihre ganze Anteilnahme schenken. Aber wenn ich mich wieder zu demselben gefährlichen Ort begebe, wo ich gestürzt bin und wieder hinfalle, werde ich dasselbe Problem wieder haben. Nachdem mich meine Mutter gerettet hat, bleibe ich nur geschützt, wenn ich nicht zu dem Ort zurückkehre, der große Gefahren für mich birgt. Die Leute, die mir von ihren vitalen Problemen erzählen, sind also besser dran als jene, die es mir nicht sagen. Aber du wirst deine Probleme nicht allein dadurch lösen, dass du mir davon erzählst. Wenn du mir davon erzählst, kannst du fühlen, dass du jemanden hast, der beim Tauziehen gegen die Unwissenheit auf deiner Seite ist. Aber was passiert tatsächlich? Wenn ich anfange, mit dir in eine Richtung zu ziehen, wechselst du plötzlich die Seiten und beginnst, gegen mich zu ziehen. Du sagst: „Wer will dich denn? Es geht dich nichts an. Ich kann mich um mich selbst kümmern.“ Es ist so, als ob ein Ehepaar sich streitet. Wenn ein Freund versucht zu vermitteln, bekommt er Schläge von beiden Seiten. Der Ehemann und die Ehefrau sagen beide: „Was musst du dich einmischen? Dies ist unsere Sache. Wir können uns streiten; wir können tun was wir wollen. Was musst du uns belästigen?“

Vitale Probleme sind eine Krankheit. Wenn eine Person betroffen ist, können sich viele andere anstecken und wenn jemand das Opfer einer Person ist, wird dieselbe Person von fünf oder sechs anderen Leuten angegriffen werden. Wenn ein Mann Unwissenheitskräfte hegt und diese in ein bestimmtes Mädchen wirft, fangen andere Männer ebenfalls an, diese Kräfte in dieses Mädchen zu werfen. Umgekehrt verhält es sich ebenso mit Frauen, die Pfeile auf die Männer werfen. Reicht nicht ein einziger Pfeil aus, um diese Person zu töten? Wenn du einen Schlag schon nicht überleben kannst, wie sollst du da fünf Schläge überleben? Kürzlich war ein männlicher Schüler das Opfer von fünf Schülerinnen. Ich habe entsprechende Briefe erhalten. Ich werde die Namen des Mannes und der Frauen nicht verraten, ich sage nur, wie sich die Zahl vergrößert. Aber wenn ihr auch nur einen Bruchteil an Visionskraft besitzt, werdet ihr sofort wissen, wer der Mann ist. Wie sehr hat sein Gesicht noch vor einiger Zeit gestrahlt! Jetzt ist dieses Strahlen verschwunden. Aber ihr müsst euch nicht umsehen, um diesen Schüler zu entdecken, denkt einfach an euch selbst. Ich lese diese Briefe und dann zerreiße ich sie, so dass niemand etwas darüber erfährt.

Sri Chinmoy, Ein Sucher des 20. Jahrhunderts, The Golden Shore Verlagsges.mbH, Nürnberg, 2005
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