Frage: Sie präsentieren in Ihrem Buch ein ideales Bild von der Kindheit. Was ist mit jenen Menschen, deren Kindheitserfahrungen nicht so süß waren?
Sri Chinmoy: Sie meinen, dass Kinder in manchen Ländern aufgrund ihrer Armut keine liebevolle Kindheit von ihren Eltern geschenkt bekamen. Aber generell ist es so, dass auch die Kinder von sehr armen Menschen Zuneigung bekommen. Es gibt kein einziges Land, in dem man Kindern Zuneigung verwehrt.Zu Kriegszeiten ist es anders. Im Krieg geschehen schreckliche Dinge. Es kann ein Nahrungsmangel herrschen. Doch das ist eher selten der Fall. Generell gilt: Ganz gleich, wie arm ein Land oder wie arm eine Familie ist, sobald das Kind auf der Welt ist, bekommt es Zuneigung. Zuneigung hängt nicht von materiellem Wohlstand ab.
Ich sage euch, viele arme Menschen in Indien schenken ihren Kindern mehr Zuneigung als einige reiche Menschen in Amerika, vergebt mir, wenn ich das jetzt so sage. Ich stamme aus Bengalen, Indien. Dort, in einem der ärmsten Länder, empfinden wir mehr Zuneigung und Liebe als viele Menschen in den sogenannten reichen Ländern. In Amerika und in anderen westlichen Ländern besitzen die Menschen Geld. Sie können sich ein Dienstmädchen und dieses und jenes leisten. Dann können die Eltern arbeiten gehen, und die Kinder sind zu Hause beim Dienstmädchen. Doch in Indien ist es anders. Wenn die Kinder auf der Welt sind, geben die Mütter ihre Arbeit auf. Ganz gleich, wie arm die Familie auch sein mag, es ist eine Angelegenheit des Herzens. Wovon ich spreche, ist eine Angelegenheit des Herzens.
Wenn ungünstige Umstände herrschen, mögen die Erfahrungen der Kinder vielleicht nicht süß sein; doch ich möchte sagen, dass Kinder in neunundneunzig von hundert Fällen süße Erfahrungen in ihrer Kindheit sammeln konnten.