Frage: Wie unterscheidet sich dein Weg vom Weg Ramakrishnas?

Sri Chinmoy: Alle Wege führen letztlich zum selben Ziel und sowohl Sri Ramakrishnas Weg als auch mein eigener Weg sind Wege der Liebe, der Ergebenheit und der Selbsthingabe. Doch es gibt einige subtile Unterschiede. Sri Ramakrishna sagte, man brauche keine Bücher zu lesen, alles würde von innen her kommen. Er kümmerte sich überhaupt nicht um den Verstand. Er sagte: „Ihr braucht keinen Verstand. Fühlt unablässig die tiefe Sehnsucht in eurem Herzen!“

Es ist zwar wahr, dass das höchste Wissen, die höchste Weisheit von innen her kommt. Doch da Gott uns einen Verstand gegeben hat, sollten wir ihn meiner Meinung nach bis zu einem gewissen Grad nutzen, indem wir inspirierende und erhebende Bücher lesen, die von wirklichen spirituellen Meistern geschrieben worden sind. Auf der anderen Seite ist der Verstand unvollkommen und daher möchte ich, dass meine Schüler über den Verstand hinausgehen.

Der Weg Sri Ramakrishnas und unser Weg werden nie miteinander in Konflikt geraten. Er ist ein großer spiritueller Meister und ich hege tiefste Liebe und Bewunderung für ihn. Ich habe über Sri Ramakrishna ein Theaterstück und viele Artikel geschrieben. Vor ein paar Jahren schrieb ich auch zum hundertjährigen Geburtstag von Swami Vivekananda zwölf Artikel über Vivekananda und Sri Rama­krishna.

Ich habe niemals behauptet, dass mein Weg irgend einem anderen Weg überlegen sei. Doch wenn ihr Unterschiede wissen wollt, kann ich gewisse kleine Unterschiede nennen. Ich schätze die Liebe, die Ergebenheit und die Selbsthingabe Rama­krishnas. Doch meiner Meinung nach sollten wir auch den Verstand bis zu einem gewissen Grade gebrauchen. Vivekananda, der liebste Schüler Ramakrishnas, benutzte den Verstand als er in den Westen kam. Vivekananda war ein intellektueller Riese. Es gibt überall Kompromisse. Sri Ramakrishna war Schulwissen gleich-gültig. Er konnte kaum seinen eigenen Namen schrei­­ben, doch er verkörperte die höchste Wahrheit.

Sri Ramakrishna verehrte Mutter Kali, die göttliche Mutter. Er verehrte das Höchste in der weiblichen Form. Er fühlte, dass die göttliche Mutter sein eigenes höchstes Bewusstsein ist. Doch seinen Schülern erlaubte er nicht, mit Frauen zu verkehren. Er riet seinen männlichen Schülern Frauen zu meiden. Er fühlte, dass das für seine Schüler das Beste sei. Die meisten unserer indischen spirituellen Meister haben ihre Schüler gebeten, keinen Umgang mit Frauen zu haben und ebenso ihre Schülerinnen keinen mit Männern. Doch in meiner Philosophie sind beide, Männer und Frauen, Gottes Kinder und sollten zusammengehen. Das eine ergänzt das andere. Doch einen grund­­­sätzlichen Unterschied zwischen meinem Weg und dem Weg Sri Ramakrishnas gibt es nicht. Es gibt nur kleinere Unterschiede.

Sri Chinmoy, Avatare und Meister, The Golden Shore Verlagsges.mbH, Nürnberg, 2005
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