Frage: Sind psychische Kräfte ein Vorteil oder eher eine Art Hindernis auf dem Weg zur Selbstverwirklichung?

Sri Chinmoy: Psychische Kräfte helfen uns in keiner Weise dabei Gott zu verwirklichen. Aber psychische Kräfte können, sollen und müssen benützt werden, wenn es der Wille des Göttlichen ist – aber erst, nachdem uns Gott Selbstverwirklichung geschenkt hat. Einer der großen indischen spirituellen Meister, Sri Ramakrishna, betonte, dass die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung zerstört würde, wenn man psychische Kräfte erlange. „Du wirst deine psychischen Kräfte erhalten, aber Gott wird dir verborgen bleiben“, pflegte er zu sagen.

Wer ist der Besitzer aller Kräfte? Gott. Sobald wir mit dem Besitzer eins werden, ist all Sein Besitz unser. Aber wenn wir uns nicht um den Besitzer kümmern, sondern uns nur nach dem Besitz sehnen, dann wird uns das Erringen dieses Besitzes auf unserer Reise zum letzten Ziel behindern.

Es ist ein echter Segen vor der eigentlichen Verwirklichung keine psychischen Kräfte zu erlangen. Wenn wir sie zu früh erhalten, werden wir die ganze Zeit in der Welt des Zur-Schau-Stellens, in der Welt der Wunder, in der Welt der Magie verbleiben und nicht in der Welt der Strebsamkeit, der Hingabe und der Verwirklichung.

Ramakrishnas bester Schüler – der ursprünglich Naren genannt wurde – wurde einst von seinem Meister gefragt: „Naren, ich habe mich während vieler Jahre der Askese unterzogen. Nun schau mich an – ich besitze all diese hohen Siddhis. Möchtest du sie? Du brauchst nicht dafür zu meditieren, denn ich habe es bereits für dich getan. Ich werde dir alle meine Kräfte geben.“ Naren fragte: „Werden sie mir bei meiner Selbstverwirklichung helfen?“ Der Meister erwiderte: „Mein lieber Naren, nein. Nein, das werden sie nicht. Für die Selbstverwirklichung sind psychische Kräfte wertlos. Aber wenn du willst, kannst du sie nach der Selbstverwirklichung gebrauchen. Und wenn du diese psychischen Kräfte hast, werden sich die Leute natürlich um dich scharen und du wirst Gott in der Menschheit besser dienen können.“ Der Schüler sagte: „Nein, danke. Lass mich zuerst Gott verwirklichen. Dann erst will ich daran denken, diese psychischen Kräfte zu erlangen.“ Da segnete Ramakrishna seinen liebsten Schüler vor seinen anderen Schülern aus tiefstem Herzen und sagte: „Ich wusste es. Nur du kannst meine Prüfung bestehen. Hätte ich die gleiche Frage an jemand anderes gerichtet, hätte er gierig geantwortet: ‚Ja, ja, bitte gib mir diese Kräfte. Das ist so gütig von dir.’ Aber ich wusste, dass dein Herz absolut rein ist. Du willst Gott, Gott allein.“

Sri Chinmoy, Astrologie, das Übernatürliche und das Jenseits, The Golden Shore Verlagsges.mbH, Nürnberg, 2009
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