12. AKT 1. SZENE

(Sarada Devi und Vivekananda sind draußen am Belur Math.)

SARADA DEVI: Naren, erzähl mir etwas über deine Mutter.

VIVEKANANDA: Göttliche Mutter, dein unendliches Mitgefühl erleuchtet mein Leben der Unwissenheit. Du willst, dass ich etwas über meine physische Mutter erzähle. In meiner Kindheit fand ich meine Vertraute in niemand anderem als meiner Mutter. Ich vertraute ihr alles an. Nur sehr selten, in sehr außergewöhnlichen Situationen verlor sie ihre Geduld und ihr Vertrauen. Ich habe ihr Güte und ihre Süße oft über das Maß beansprucht, so wie ich jetzt dein Mitgefühl und deine Vergebung über das Maß beanspruche.

SARADA DEVI: Naren, süßer als das Süßeste ist das Lächeln der physischen Mutter. Tiefer als das Tiefste ist ihre Zuneigung. Mächtiger als das Mächtigste ist die Macht ihres Segens. Weiter als das Weiteste ist ihre Hoffnung für ihre Kinder. Von deiner physischen Mutter hast du nicht nur moralische Reinheit und einen schöngeistigen Sinn geerbt, sondern auch viele intellektuelle Fähigkeiten und ein unvergleichliches Gedächtnis. Ihr Einfluss hat dein Leben auf bedeutende Weise geformt, und dein Einfluss lässt die Welt erbeben.

VIVEKANANDA: Mutter, meine liebste spirituelle Mutter, Mutter meiner Seele und meines ewigen Lebens, ganz gleich wie großartig die weltliche Mutter auch sein mag, ihre Liebe ist kein Vergleich zur selbstlosen Liebe der spirituellen Mutter. Es ist absolut notwendig, dass wir fühlen, dass unsere spirituelle Mutter unsere wahre Mutter ist und dass wir ihre wahren Kinder und göttlichen Krieger sind.

(Bhuvaneshwari und eine ihrer Freundinnen treten auf. Sie spazieren auf Vivekananda und Sarada Devi zu, bemerken sie aber nicht.)

BHUVANESHWARI: Ich bin froh, dass du mit mir zum Belur Math gekommen bist, um das Werk meines Sohnes Naren, seine großen Errungenschaften zu sehen.

FREUNDIN: Ja, all diese neu erbauten Gebäude und so eine wunderschöne Umgebung.

BHUVANESHWARI: Mein Naren hat all dies geschaffen.

(Vivekananda hört seine Mutter und wendet sich ihr augenblicklich zu.)

VIVEKANANDA: Mutter, ich muss dich korrigieren. Nicht dein Naren, sondern ihrer. (Indem er auf Sarada Devi zeigt, die meditiert.) Dein Naren ist unter keinen Umständen zu solchen Errungenschaften fähig. Ich befinde mich zwischen zwei Extremen: einer äußersten Unfähigkeit und einer allmächtigen Kraft. Dein Naren ist voller Unfähigkeit. Er konnte nach dem Tod seines Vaters nicht einmal für seine Mutter und die jüngeren Familienmitglieder sorgen. Der Naren meiner göttlichen Mutter ist voller Fähigkeiten. Ihr bedingungsloser Segen allein ist es, der mich zu dem gemacht hat, was ich jetzt bin. Mein wahrer Ursprung ist ihr Herz. Mein einziges Ziel sind ihre Füße.

(Naren singt:)

Ekla ami tomar kachhe jabona ma jabona
ekla ami tomai kabhu bandhbona ma bandhbona
tomar hiyar mauna bhasha
ei dharanir dipta asha
tomar praner premer dhara
moder lagi bandhan hara
ekla ami tomar kachhe jabona ma jabona
sabar sathe tomai pabo ei shudhu mor sadhana

(Alleine werde ich nicht zu dir kommen,
Mutter, ich werde nicht kommen.
Alleine werde ich dich nicht binden,
ich werde dich nicht binden.
Die Stille-Sprache deines Herzens,
die erleuchtende Hoffnung dieser Welt
und der Nektar-Fluss deines Herzens
sind stets in Fülle für uns da.
Alleine werde ich nicht zu dir kommen,
Mutter, ich werde nicht kommen.
Mit allen werde ich dich erreichen:
dies ist das einzige tiefe innere Streben meines Lebens,
die einzige Meditation meines Lebens,
das einzige Ziel meines Lebens.)

Sri Chinmoy, Trinkt, trinkt den Nektar meiner Mutter, The Golden Shore Verlagsges.mbH, Nürnberg, 2018
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