Frage: Kannst du mir helfen, den Körper so bald wie möglich zu verlassen und an einem Ort hoch oben im Norden wiedergeboren zu werden, wo es sehr kalt ist, und wo es ganz viel Nebel und Schnee gibt?

Sri Chinmoy: Die Kraft dazu hätte ich schon. Aber wenn ich mit deiner Bitte zu Gott gehe, wird er bloß über mich lachen und sagen: „Was hast denn du für Schüler, die die Augen wieder schließen wollen, wenn sie gerade dabei sind, sie zu öffnen?“ Das Klima hat mit der Gottverwirklichung nichts zu tun. Sri Ramana Maharshi und Sri Aurobindo kamen aus Südindien, wo das Klima sehr heiß ist, doch das hinderte sie nicht daran, Gott zu verwirklichen. Es gibt viele Sucher, die weit oben in den Höhlen des Himalayas leben, im ewigen Schnee, und denen es nicht gelungen ist, Gott zu verwirklichen. Das Klima hat damit nichts zu tun. Das innere Herz der Strebsamkeit ist es, das die Gottverwirklichung bringen kann, nicht äußere klimatische Bedingungen.
Unser größter Poet, Tagore, schrieb gewöhnlich jeden Tag sechs oder acht Gedichte. Einmal kam ihm die Idee, dass er viel bessere Gedichte schreiben könne, wenn er sich an einen einsamen Ort zurückziehen würde. So verließ er sein Haus und begab sich an einen einsamen Ort in den Bergen. Als er dort lebte, war er nicht fähig, auch nur ein einziges Gedicht zu schreiben. Er entdeckte, dass nicht die Umgebung, sondern die innere Inspiration entscheidend ist.

Gott hat die Bedingungen ausgewählt, unter denen du dein gegenwärtiges Leben führst. Es ist wie ein Spiel. Die Bühne ist aufgebaut und der Vorhang ist geöffnet, damit du deine Rolle spielen und auf dem spirituellen Weg weiterkommen kannst. Gegenwärtig hast du die bestmöglichen Bedingungen für dein Vorwärtskommen. Nun willst du den Körper verlassen und im zukünftigen Leben in einen neuen Körper gehen, um eine Umgebung zu haben, von der du glaubst, dass sie dir am ehesten zusagt. Aber diese Art Leben wäre schlechter als dein jetziges, weil es von dir ausgewählt würde, während dein gegenwärtiges Leben von Gott ausgewählt wurde.

Wenn dich vergangene Taten in diesem Lebens plagen, dann möchte ich dir dazu folgenden Ratschlag geben: „Vergangenheit ist Staub (past ist dust).“ Das ist meine Philosophie. Was immer du vor ein paar Jahren oder auch erst gestern getan hat, es sollte dich nicht bedrücken. Die Vergangenheit ist nicht wichtig. Nur das, was du von jetzt an tust, kann deinen Fortschritt beschleunigen. Du hast jetzt einen spirituellen Meister, der sich im physischen befindet und der dir hilft. Es ist die Gegenwart und die in die Gegenwart fließende Zukunft, die dir die Befreiung schenken können.

Sri Chinmoy, Tod und Wiedergeburt, The Golden Shore GmbH, Nürnberg, 1999
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