Frage: Wenn wir eine bestimme Zeit für unsere Morgenmeditation festlegen, bist du dann enttäuscht, wenn wir manchmal verschlafen?

Sri Chinmoy: Um auf euch zu meditieren, bin ich nicht darauf angewiesen, dass ihr wach seid. Meine Meditation ist bedingungslos. Wenn ich auf euch meditiere, so hoffe ich nicht darauf, dass ihr frühmorgens zur vereinbarten Zeit aufsteht. Aber wenn ihr rechtzeitig meditiert, dann werdet ihr euch bewusst, was ich tue. Mein Problem ist, dass meine Schüler sich dessen nicht bewusst sind, was ich tue. Sie erkennen nicht, dass ich sie unendlich mehr liebe als sie sich selbst lieben.

Alle Probleme würden sich auflösen, könnte ein jeder bewusst fühlen, dass Gott ihn unendlich mehr liebt, als der Betroffene sich selbst liebt. Die Menschheit sollte es wissen und daran glauben, dass der Schöpfer Seine Schöpfung mehr liebt, als Sich selbst. Ihr werdet euch vielleicht fragen: „Wie kann das möglich sein?“ Doch ihr solltet euch bewusst sein, welchen Wert die Schöpfung besitzt. Wenn ihr an eine Mutter und deren Kind denkt, werdet ihr in sehr vielen Fällen sehen, dass, wenn das Kind sehr krank ist, die Mutter aufrichtig zu Gott betet: „Nimm mich, nimm mich hinweg. Lass meinen Sohn hier bleiben. Er ist jung und hat noch vieles vor sich.“ Der Sohn ist ihre Schöpfung und sie möchte, dass ihr Sohn auf der Erde bleibt.

Hier kann man also erkennen, dass der Schöpfer Seine Schöpfung mehr liebt als Sich selbst. Meine spirituellen Schüler sind meine Schöpfung. Eure Eltern haben euch auf der körperlichen Ebene auf die Welt geholt. Doch als ich euch die Botschaft der Seele überbrachte, an dem Tag, als ich die Flamme des inneren Strebens in euch entzündet und euch als meine Schüler angenommen habe, seid ihr meine Kinder geworden. Sobald ich in jemandem die Flamme des inneren Strebens entfache, schenke ich einer spirituellen Seele die Geburt; ich erschaffe Leben und inneres Streben, das sich mit der Zeit in Verwirklichung verwandelt. Und so habe ich natürlich grenzenlose Anteilnahme für meine Schüler, denn ich weiß, wie die Vision Gottes aussieht, die Er von ihnen hat, und ich weiß, wie die Fähigkeit Gottes durch sie fließen wird. Doch meine Schöpfung braucht dies bis zum letzten Augenblick nicht zu wissen, denn die Vision Gottes ist beim Meister, nicht beim Schüler. Gottes Vision ist auch beim Schüler, aber dieser vermag sie nicht immer zu erkennen. Doch das dritte Auge des Meisters ist geöffnet und er weiß, wie weit Gott einen Menschen in dieser Inkarnation bringen will.

Wenn du also nicht wach bist, um zu deiner bestimmten Zeit zu meditieren, dann bin ich traurig, aber nur auf eine menschliche Weise. Ich werde nicht auf eine göttliche Weise traurig sein, denn ich weiß, dass die Traurigkeit niemandem nützt. Du hast Freundschaft mit der Unwissenheit geschlossen. Ich werde daher zu diesem Zeitpunkt versuchen, mehr bewusste Kraft einzusetzen, um dich zu erwecken und zu erleuchten. In allem Menschlichen gibt es immer Erfolg und Misserfolg. Doch wo ist in der Göttlichkeit Erfolg und Misserfolg zu finden? Sie bedeuten nichts. Im menschlichen Leben existiert jede Sekunde entweder Erfolg oder Misserfolg, und was wir in diesem Moment als Erfolg bezeichnen, mag uns im nächsten Moment schon als Misserfolg erscheinen.

Jetzt male ich gerade Jharna Kalas und bin auf eine menschliche Weise erfolgreich. Mein menschlicher Verstand wird sagen: „Jetzt bin ich dabei Jharna Kalas zu malen und genieße das Zusammensein mit all den Menschen hier, die mir zuhören und mich bewundern. Ich habe solch ein Glück.“ Später allerdings wird derselbe dumme Verstand sagen: „Schau dir das an. Mein Freund, eine weitere Gott-verwirklichte Seele, hat sich in die Stille zurückgezogen. Er meditiert und genießt die Glückseligkeit des Brahman und ich sitze hier herum mit einer Menge unwissender Menschen.“ In einem Moment sagt mir mein Verstand, wie glücklich ich mich doch schätzen kann, da ihr mich verehrt, und im nächsten Moment kann mir mein Verstand sagen, dass all das wertlos ist, da jemand anderer seine transzendentale Trance genießt.

Wenn ich allerdings mein göttliches Bewusstsein anwende, werde ich sagen, dass das, was ich tue, richtig ist, da Gott mich bittet, bei meinen spirituellen Kindern zu sein und ihnen Erleuchtung zu schenken. Aber auch das, was mein Freund macht, ist in Ordnung, denn Gott bittet ihn jetzt, in seiner höchsten Meditation zu verweilen. Daher erfülle ich den Willen Gottes auf meine Weise und er erfüllt den Willen Gottes auf seine Weise. Befinde ich mich in meinem Verstand, so werde ich mir in einem Moment lang selbst schmeicheln und im nächsten Moment mich selbst kritisieren. Wenn ich jedoch über den Verstand hinausgehe, werde ich erkennen, dass es immer Gott ist, der in und durch mich wirkt.

Sri Chinmoy, Erfahrungen der Höheren Welten, The Golden Shore Verlagsges.mbH, Nürnberg, 2018
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