Von der eigenen Botschaft heimgesucht

Vor zehntausend Jahren gab es eine Kirche, die seit vielen Jahren keinen neuen Anstrich mehr erhalten hatte. Sie sah ganz und gar nicht mehr ansprechend aus. Der Priester beschloss, die Kirche neu streichen zu lassen, und fragte daher einen Maler: „Wie hoch kämen die Kosten, wenn man die ganze Kirche neu streicht?“

Der Maler antwortete: „Um die ganze Kirche neu zu streichen, werde ich ziemlich lang beschäftigt sein, praktisch einen ganzen Tag. Vater, ich möchte lediglich siebzig Dollar haben.“

Der Priester sagte: „In Ordnung. Ich gebe dir siebzig Dollar, doch davon musst du auch die Farbe kaufen.“

„Davon muss ich auch die Farbe kaufen?“ fragte der Maler.

„Ja. Doch das nächste Mal, wenn ich eine Messe halte, werde ich dir besondere Aufmerksamkeit zukommen lassen. Es wird für dich einfacher sein, in den Himmel zu kommen, da ich dir den Weg freimachen werde.“

Der Maler war davon sehr angetan. Er kaufte eine sehr kleine Menge Farbe, mischte sie mit viel Wasser und begann, die Kirche zu streichen.

Nach einer halben Stunde kam ein heftiges Gewitter auf, und es regnete in Strömen. Der Regen wusch die ganze Farbe ab. Da wurde der Priester böse. Er sagte zum Maler: „Warum musstest du ausgerechnet jetzt streichen? Wusstest du nicht, dass ein Gewitter aufziehen wird?“

Der Maler antwortete: „Woher soll ich das wissen? Ich bin nur ein Maler.“

Der Priester entgegnete: „Ich werde dir kein Geld mehr geben. Du musst die ganze Kirche mit dem Geld streichen.“

Der bedauernswerte Mann sagte: „Na schön. Was kann ich machen?“

Der Priester antwortete: „Ich erinnere dich nochmals daran, das ich für dich einen ganz besonderen Segen vom Himmel herabbringen werde. Wenn du sehr gute Arbeit leistest, wirst du sehr reich werden.“

Der Maler sagte: „In Ordnung! Ich freue mich sehr darüber, reich zu werden.“

Der Maler brachte neue Farbe, aber dieses Mal verdünnte er sie nicht. Beim Anstrich der Kirche leistete er ausgezeichnete Arbeit. Doch unglücklicherweise war die Kirche so groß, dass die Farbe, die er gekauft hatte, nicht einmal für ein Achtel der Fläche reichte.

Der Priester sah, wie die Dinge ihren Lauf nahmen und rief: „Du bist ein solcher Schurke! Ich hatte dir siebzig Dollar gegeben. Wahrscheinlich hast du nun die Absicht, mir zu erzählen, dass du nun deine Arbeit nicht fertigstellen kannst, und dass du morgen mit den Streichen weitermachen musst. Auf diese Weise wirst du mehrere Tage für den Anstrich brauchen, und ich müsste dir dann jeden Tag siebzig Dollar geben. Ich bin mir sicher, dass es das ist, was du vorhast. Aber ich werde dir kein weiteres Geld mehr geben. Mit den siebzig Dollar, die ich dir bereits gegeben habe, musst du die ganze Kirche streichen! Ansonsten werde ich mich überhaupt nicht für dich einsetzen. Ich werde überhaupt nichts vom Himmel für dich herabbringen.“

Der arme Mann hatte bereits das ganze Geld für die Farbe ausgegeben. Diese Farbe reichte gerade aus, um einen kleinen Teil der Kirche zu streichen. Der Maler sagte: „Was soll ich nun tun? Ich habe kein Geld. Um dem Priester einen Gefallen zu tun, habe ich einen ganzen Tag lang sehr hart gearbeitet. Morgen wird mein zweiter Tag sein, und der Priester wird mir kein weiteres Geld geben.“

In dieser Nacht betete der Maler zu Gott. Er sagte: „Gott, rette mich! Rette mich!“

Gott sagte: „Ich werde dich retten. Mache dir keine Sorgen.“

Am darauf folgenden Tag kehrte der Maler zurück, um mit dem Streichen der Kirche fortzufahren. Unterwegs, auf dem Weg zur Kirche, sah er ein Bündel Geldscheine. Er hob das Bündel auf und zählte das Geld. Es waren dreitausend Dollar in bar. Der Mann schaute in alle Richtungen um zu sehen, ob er die Person ausfindig machen konnte, die das Geld verloren hatte. Er sagte sich: „Soviel Bargeld darf ich nicht behalten. Jemand hat dieses Geld verloren. Ich werde zur Polizei gehen.“

Bevor der Maler die Polizeiwache erreichte, dachte er: „Ich will zuerst zum Priester gehen und ihm die gute Neuigkeit erzählen. Die Kirche ist in der Nähe der Polizeiwache, und der Priester wird sehr erfreut sein, dass ich soviel Geld gefunden habe. Ich werde dem Priester sagen, dass ich all das Geld der Polizei übergeben werde, damit sie sich darum kümmern kann.“

Der Mann ging zu dem Priester und erzählte ihm, was geschehen war. Der Priester sagte: „Du bist ein Dummkopf. Letzte Nacht hast du zu Gott gebetet. Deshalb hat Gott dir das Geld gegeben. Warum willst du das Geld zur Polizei bringen?“

Der Maler antwortete: „Ich habe zu Gott gebetet, mir zu Hilfe zu kommen, aber dann gab mir Gott soviel Geld! Wie kann ich dieses Geld behalten? Es gehört mir nicht. Wenn es ein paar Dollar gewesen wären, hätte ich es nehmen können, aber dreitausend Dollar kann ich nicht behalten. Derjenige, der dieses Geld verloren hat, wird unglücklich sein.“

„Das mag wahr sein, aber wie kannst du der Polizei vertrauen?“ erwiderte der Priester. „Woher weißt du, dass die Polizei das Geld der Person zurückgeben wird, die es verloren hat? Wenn du zur Polizei gehst, können es die Polizisten leicht für sich behalten.“

Der Priester fügte noch hinzu: „Das Beste ist, das Geld auf den Altar zu legen. Morgen wird Gott uns erleuchten. Gott wird uns sagen, was mit dem Geld geschehen soll.“

Der Maler war einverstanden und legte das ganze Geld auf den Altar. Dann fragte er: „Aber was ist mit dem Anstrich der Kirche?“

Der Priester sagte: „Heute brauchst du nicht mehr zu streichen. Bitte komme morgen wieder zum Streichen.“ Dann gingen der Maler und der Priester nach Hause.

Am darauf folgenden Tag kam der Maler zur Kirche und sah, dass der Priester nicht da war. Ach, auf dem Altar lag kein Geld mehr. Der Maler erzählte jedem: „Der Priester hat die dreitausend Dollar gestohlen, die ich auf sein Geheiß auf dem Altar gelegt hatte.“

Der Priester war nirgends zu finden. Einige Tage später tauchte er wieder auf. Alle fragten ihn, was mit dem Geld geschehen sei. Der Priester sagte: „Ich habe das Geld nicht genommen. Ich habe das Geld unter den Augen des Malers auf dem Altar zurückgelassen. Als ich am darauf folgenden Morgen in die Kirche kam, war das Geld weg. Deshalb war ich sehr schockiert und unglücklich! Wie können Menschen in Gottes Haus gehen und Geld stehlen? Nein, ich habe das Geld nicht genommen. Das Geld wurde von jemand anderem gestohlen!“

Der Maler war traurig und wütend über das, was der Priester hier erzählte. Er hatte nicht nur das Geld gestohlen, sondern versuchte nun sehr dreist, alles zu vertuschen. Ein paar Minuten später kam der Neffe des Priesters und flüsterte seinem Onkel etwas zu.

„Was flüsterst du da?“ fragte der Maler. „Kannst du es mir nicht sagen?“

Der arglose Junge sagte: „Mein Onkel, der Priester, ist so gut zu mir. Er hat mir soviel Geld gegeben! Ich sagte ihm gerade, wie sehr ich ihm dafür dankbar bin.“

Der Maler sagte: „Ich werde der Polizei alles erzählen, was vorgefallen ist. Ich werde die Kirche ganz bestimmt nicht anstreichen. Man sagt sich, dass Gott sich im Herzen eines Jeden aufhält. Ich werde Gott in meinem Herzen finden müssen und nicht in dieser Kirche!“

Viele Leute stehlen Geld, doch normalerweise sind es gewöhnliche Leute, keine Priester. Von Priestern erwartet man, dass sie uns davor bewahren, Sünden zu begehen. Wir gehen zu Priestern, um über Vergebung zu reden, über die Wahrheit und über Gott. Gewöhnliche Menschen können alles tun, aber von Priestern erwarten wir nicht, dass sie so handeln. Vielleicht hatte der Priester so viel von der Sünde geredet, dass er ihr Opfer wurde. Der Priester wurde von seiner eigenen Botschaft der Sünde heimgesucht!

Sri Chinmoy, Der Verstandes-Dschungel und der Herzens-Garten des Lebens, The Golden Shore Verlagsges.mbH, Nürnberg, 2019
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