Teil V — Begierde

Frage: Sind wir nur auf de Erde, um zu begehren? Ist Begierde die einige Notwendigkeit?

Sri Chinmoy: Wir sind aus zwei Gründen auf der Erde: Um zu begehren und um zu streben. Wir müssen unsere Reise mit Begierde beginnen und mit innerem Streben beenden. Es ist nicht möglich, mit innerem Streben zu beginnen. In jeder menschlichen Inkarnation beginnen wir unserer Reise mit Begierde. Wenn wir jung sind, fallen wir meistens der Begierde zum Opfer. Später erkennen wir dann die Notwendigkeit des inneren Strebens und beginnen ein spirituelles Leben.

Was ist der Unterschied zwischen Begierde und innerem Streben? Begierde bindet uns. Wir begehren immer mehr und mehr. Wenn wir einen Euro haben, versuchen wir zwei Euros zu erhalten. Doch diese Ausdehnung erfolgt in Unwissenheit und Dunkelheit, so dass wir letztlich von unserer eigenen Begierde gebunden sind. Wir mögen zehn Häuser haben, doch wir werden keine innere Befriedigung erhalten. Wir werden durch unseren Besitz gebunden sein. Doch wenn wir streben, beten wir für Licht, Frieden, Glückseligkeit und Kraft. Jedes Gebet ist eine Ausdehnung unserer inneren Freiheit. In der Welt der Begierde ist die Ausdehnung beschränkt, doch in der Welt des inneren Strebens gibt es keine Begrenzungen. Von allen göttlichen Eigenschaften, die wir uns aneignen, erhalten wir in unermesslichem Maße Freiheit.

Im menschlichen Dasein finden wir beides, Begierde und inneres Streben. Wir können Begierde nicht mit innerem Streben gleichstellen, denn es sind völlig verschiedene Dinge. In der Begierde ist immer Spannung, Angst und Sorge enthalten. Wir begehren etwas, fühlen aber gleichzeitig, dass unser Wunsch nicht erfüllt werden wird, da wir dessen unwürdig sind. In innerem Streben ist hingegen große Freude und große Wonne enthalten. Solange wir auf der Erde sind, müssen wir uns im klaren sein, was unser Ziel ist: die Ausdehnung unseres Bewusstseins oder die Vergrößerung unseres Egos. Der schlafende Mensch wird begehren, während der erwachte Mensch streben wird. Das Bedürfnis nach Begierde wird so lange auf der Erde existieren, wie wir uns mehr um die Welt sorgen als um die Unendlichkeit, Ewigkeit und Unsterblichkeit.

Auf der Erde wirken sowohl Begierde als auch inneres Streben. Doch der Tag wird kommen, an dem die ganze Welt transformiert sein wird. Dann werden wir weder Begierde noch inneres Streben benötigen. Es wird nur noch die göttliche Manifestation des Himmels hier auf der Erde geben. Wenn wir wirklich mit dem spontanen inneren Verlangen unserer Seele streben, werden wir erkennen, dass in unserem inneren Streben Gottes Billigung, Gottes Zustimmung und Gottes Erfüllung liegt.

Sri Chinmoy, Der Reinheits-Fluss gewinnt, The Golden Shore Verlagsges.mbH, Nürnberg, 2018
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