BESSER BETEN ALS NICHT BETEN

Die christliche Welt ist voller Gebete. Schon von Kindheit an lernen wir, zu Gott zu beten. Wir beten für alles: „Gib mir fünf Dollar mehr Lohn.“ „Tue heute etwas Bestimmtes für mich.“ „Gib mir heute Abend ein vorzügliches Mahl.“ „Lass mich einen Wettkampf gewinnen.“ Wenn wir damit beginnen, für diese Art von Dingen zu beten, kommen wir zu keinem Ende. Unsere Eltern haben uns gelehrt zu beten, aber sie haben uns nicht gelehrt, wofür wir beten sollen. Sie sagen: „Bete zu Gott um alles, was du willst.“ So beginnen wir zu beten: „O Gott, lass mich bitte in der Prüfung Erster werden.“ „O Gott, lass mich den Wettlauf gewinnen.“ Und so weiter. Dies ist die Art der Dinge, für die wir beten.

Statt dessen sollten Eltern ihren Kindern sagen: „Bete zu Gott, um deinen Verstand friedvoll und ruhig zu machen, so dass du überall Frieden und Seligkeit spüren kannst. Bete im Herzen.“ Doch leider lehren die Eltern so etwas nicht ihren Kindern und so beten die Kinder von frühster Jugend an für jede unnütze Kleinigkeit. Es ist natürlich besser zu Gott um unnütze Dinge zu beten, als überhaupt nicht an Gott zu denken.

Besser noch wäre es zu meditieren. Auf unserem Weg legen wir auf die Meditation größeren Wert als auf das Gebet. Wenn man Kindern die Kunst der Meditation lehrt, werden sie es nicht zur Gewohnheit werden lassen, von Gott zu erwarten, dass Er ihre Wünsche erfüllt. Die Eltern können sagen: „Wenn du meditierst, wird dein Verstand friedvoll und ruhig. Du wirst vollkommen eins mit der Weite der Unendlichkeit. Gott wird dein Freund werden.“

Wenn wir meditieren, betreten wir die Weite selbst und verlieren unsere getrennte Existenz. Unglücklicherweise fühlen wir sofort, wenn wir beten, selbst wenn wir nur um Reinheit und Demut beten, dass sich unser Vater außerhalb von uns und über uns befindet. Das fühlen wir in der Meditation nicht. Es ist besser zu beten, als es nicht zu tun, aber jene, die in ihrer Hingabe etwas fortgeschritten und wirklich aufrichtig sind, sollten der Meditation den Vorzug geben.

Was geschieht, wenn wir im Herzen meditieren? Wir werden das Ergebnis eines spirituellen Gebets in unendlichem Maße erhalten. Natürlich braucht Gott unsere Wünsche nicht zu erfüllen, ob wir nun beten oder meditieren. Aber Er wird bestimmt unser Streben durch Meditation erfüllen. Was hat Gott mit unseren Wünschen zu tun? Wenn Er unsere Wünsche heute erfüllt, werden wir Ihm morgen die Schuld daran geben, dass er uns geholfen hat, tiefer in die Unwissenheit einzutreten. Wenn Er unsere Wünsche nicht erfüllt, werden wir sagen: „Gott, du bist wirklich unfreundlich zu mir“.

Aber noch einmal, es ist besser zu beten, als es nicht zu tun. Wenn jemand einen Wunsch hat, ist es viel wahrscheinlicher dass er durch Gebet erfüllt wird als durch ein faules Leben. Die faule Person fühlt: „Gott wird alles für mich tun.“ Ja, Gott wird es tun – nachdem Er bis in alle Ewigkeit gewartet hat. Wir müssen auch etwas tun; wir müssen eine aktive Rolle spielen. Es ist besser etwas zu tun, als nichts zu tun. Selbst wenn wir etwas Falsches tun, etwas Böses, machen wir zumindest Fortschritt durch die Erfahrung. Wenn wir nichts tun, machen wir überhaupt keinen Fortschritt.

Sri Chinmoy, Gebetswelt, Mantrawelt, Japawelt, The Golden Shore Verlagsges.mbH, 2018