Frage: Wenn du Gedichte auf Englisch verfasst, sind manche von ihnen so wunderschön und inspirierend, beinahe wie Mantren. Doch wie kommt es, dass, wenn du dann die Gedichte mit Melodien vertonst, die Lieder in Bengali immer viel schöner und melodiöser sind?

Sri Chinmoy: Nicht immer! Wenn ich das Lied I came to Your Lotus-Feet with a hopeless hope-heart singe, empfinde ich es als ebenso schön wie nur irgendeines meiner Bengali-Lieder. Von dieser Art gibt es noch einige mehr. Doch du hast vollkommen recht, in den meisten Fällen kann man meine englischen Lieder nicht mit meinen bengalischen Liedern vergleichen. Aufgrund meiner bengalischen Inkarnation fällt es mir leichter, gewisse Dinge in Bengali auszudrücken. Die bengalischen Wörter stammen direkt von meinem Herzen, während die englischen Wörter noch immer von meinem Verstand kommen. In der bengalischen Sprache fließt alles spontan, doch sobald ich mich der englischen Sprache bediene, ist der Verstand einfach immer da. Wenn ich Englisch verwende, entsteht manchmal ein geliehenes Gefühl, denn Englisch ist für mich eine geliehene Sprache. Doch die Gefühle, die ich in bengali ausdrücke sind niemals geliehen, sie gehören mir selbst.

Die englische Sprache habe ich zu meiner Zufriedenheit erlernt. Doch sobald man etwas Geliehenes an jemanden weitergeben will, geschieht es nicht so spontan. Da ich fühle, dass es nicht wirklich vollständig von mir stammt, empfinde ich nicht dieselbe Freude, wenn ich es anbiete. Die englische Grammatik mag korrekt und die Idee gut ausgedrückt sein, doch ich erhalte nicht das vertraute Gefühl.

Ich habe viele, viele englische Mantren geschrieben und ich weiß, dass sie einer sehr, sehr hohen Quelle entspringen. Beim Singen kommt es jedoch nicht so sehr darauf an, ob etwas einer hohen Quelle entspringt. Beim Singen kommt es darauf an, dass das Gefühl vom Lebensatem kommt. Deswegen werde ich kein anderes Lied jemals so seelenvoll singen können wie das Sri-Aurobindo-Lied, nicht einmal Jiban debata. So wie ich mein Herz hingebe, wenn ich dieses Lied singe, kann ich es bei keinem anderen Lied hingeben – schon gar nicht bei einem englischen Lied.

Es existieren zehn oder zwölf englische Lieder, bei denen ich mein Herz und meine Seele völlig hingeben kann, doch es gibt hunderte bengalische Lieder, bei denen ich das vermag. Wenn ich bestimmte Bengali-Lieder singe, so erzittern buchstäblich einige der subtilen Nerven meines Wesens und ich empfinde eine Art göttliche Begeisterung. Es ist kein Aufgeregtsein sondern es ist eher eine süße, sanfte und zarte Empfindung. Es erfüllt mich eine solche Glückseligkeit, dass mein gesamtes Wesen in Entzückung gerät.

Es gibt auch Zeiten, wo ich einige Lieder höchst seelenvoll singe, nicht weil ich versuche, seelenvoll zu singen, sondern weil zu diesem Zeitpunkt mein Kehl­kopf­chakra völlig geöffnet ist. Dieses Chakra ist das spirituelle Zentrum für Lieblichkeit und Zartheit und für die Ausdruckskraft beim Sprechen oder beim Singen. Manchmal sehe ich, wie es mit Licht überflutet ist, dem Licht meiner Seele. Wenn sich dieses Chakra öffnet und voller Kraft arbeitet ist meine Stimme völlig anders. Manche Wörter betone ich sogar anders. Doch das geschieht nicht durch meinen bewussten Willen; all das sind die Taten des Kehlkopfchakras.

Sri Chinmoy, Sri Chinmoy antwortet, Teil 5, The Golden Shore Verlagsges.mbH, Nürnberg, 2004
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