Frage: Was ist der beste Weg, um glücklich zu sein?

Sri Chinmoy: Du vergleichst dich stets mit anderen. Du stehst vor mir und ich blicke dich direkt an. Du schaust mich ebenfalls an, doch dein Geist ist zum Fischmarkt gewandert und bewegt sich von einer Seite auf die andere. Angestrengt versuchst du, in deinem eigenen Herzensgarten oder in meinem Herzensgarten zu verweilen. Doch dein Verstand sagt: „Ach, er oder sie erhalten mehr Segen, mehr Mitleid, mehr Liebe, mehr Anteilnahme als ich.“ Dein Verstand macht das manchmal nicht bewusst, aber unbewusst findet es statt. Auch wenn du das Feuer nur un­bewusst berührst, wirst du dabei deine Hand verbrennen.

In dem Augenblick, in dem ich dich anschaue, denkst du vielleicht nicht bewusst an andere. Doch du hast es zehn Tage, zehn Wochen oder zehn Monate lang bewusst getan. Nun findet es unbewusst statt, doch wie oft hast du es bewusst stattfinden lassen, zu Hause oder im Büro? Wenn du während des Tages jeden Gedanken an Gott aufzeichnen würdest, wärst du schockiert, wie oft du gleichzeitig eifersüchtig oder rivalisierend an andere denkst. Wenn das geschieht, dann denkst du in dieser Zeit nicht an Gott oder an deinen Guru. Du denkst an dich selbst. Du denkst an dich, wie du dich selbst auf deine eigene Weise glücklich machen kannst.

Ich vertrete immer die Ansicht, dass kein Mensch jemals glücklich sein wird, wenn er versucht, sich selbst glücklich zu machen. Das ist absurd! Das Glück ist wie eine äußerst köstliche Mango. Die Mango wächst auf dem Mangobaum; du kannst sie nicht selbst herstellen. Wie willst du an eine Frucht kommen, wenn du nicht auf den Baum kletterst und sie pflückst oder am Fuße des Baumes wartest bis sie herunterfällt? Im Augenblick besitzt du noch nicht die Fähigkeit auf den Gott-Baum zu klettern; du weißt nicht, wie das geht. Doch dein Guru weiß, wie man auf den Gott-Baum klettert. Wenn du nicht darauf wartest, dass dir dein Guru diese äußerst köstliche Frucht bringt, die dir unendliche Freude geben wird, wie willst du sie dann bekommen? Du willst Freude, doch es mangelt dir an der Fähigkeit, sie selbst zu erlangen und es mangelt dir an dem zielgerichteten Glauben an jene Person, die dir diese Freude bringen kann.

Manche sagen: „Jetzt bin ich schon so lange bei dir und noch immer bin ich unglücklich.“ Doch der Meister benötigt eine gewisse Zeit, um mit der Glücklichseins-Frucht hinab zu klettern. Man braucht so viele Jahre, um irdische Dinge zu erlangen. Um ein Diplom zu erhalten, benötigst du zwanzig Jahre oder länger. Und sogar dann bist du noch nicht zufrieden. Du willst noch mehr wissen, darum strebst du nach einem Doktortitel. Doch sogar dann bist du noch unzufrieden, da du innerlich fühlst, dass du noch mehr Weisheit, mehr Licht, mehr Wissen haben kannst. Also studierst du weiter, nur um irdisches Wissen zu erlangen.

Um himmlisches Wissen zu erlangen oder Erleuchtung – welche dich mit dem Höchsten vereint, mit dem absoluten Supreme, mit dem universellen Bewusstsein – benötigst du unendlich mehr Zeit. Glaubst du, dass man das in einem Jahr, in zehn Jahren oder in dreißig Jahren schaffen kann? O Gott, so einfach ist das nicht. Inkar­nationen um Inkarnationen sind nötig, um ein wirklicher Sucher und ein Gottliebender zu werden. Das Erlangen eines bewussten, ständigen, schlaflosen und atemlosen Einsseins mit Gottes Willen ist nicht so einfach wie Wassertrinken. Es braucht Zeit und enorme Geduld. Nicht nur meinen Schülern mangelt es an dieser Art von Geduld, auch den Schülern anderer Meister geht es so.

Ich versuche für meine Schüler alles zu vereinfachen, doch sie versuchen, es komplizierter zu machen. Ich werde sagen: „Komm und gib mir eine Blume oder komm einfach zu mir her.“ Doch sie werden sagen: „Wenn ich einfach zu Guru hingehe oder ihm bloß eine Blume gebe, so ist das zu wenig! Ich werde mir zuerst meine Arme und Beine abschneiden, um zu beweisen, wie sehr ich ihn liebe; und ich werde meine Augen herausreißen. Das ist, was passiert. Habe ich dir gesagt, du müsstest deine Augen herausreißen oder deine Gliedmaßen abschneiden, um deine Liebe zu mir zu beweisen? Nein, ich bat dich einfach, zu mir zu kommen, ganz gleich ob du dich in deinem reinsten oder in deinem unreinsten Bewusstsein befindest.

Sorgte sich Lord Krishna darum, was die Gopis gerade machten, während er auf seiner Flöte spielte? Sobald die Gopis Krishnas Musik vernahmen, liefen sie zu ihm, egal ob sie nun ihre Kinder fütterten oder ihre Hausarbeiten erledigten. Der Ruf war da. Und auch in deinem Fall ist der Ruf vernehmbar. Sagte der Meister, du müsstest enorme Opfer bringen? Nein, der Meister sagt nicht: „Bringe Opfer und komme dann zu mir.“ Er sagt nur: „Komm zu mir!“

Wie ich zuvor schon erwähnt habe, die Straße ist einfach, die Methode ist einfach. Der Meister gibt dir eine einfache Aufgabe, doch dein Verstand versucht, es kompliziert zu machen, um zu beweisen, dass du die Fähigkeit besitzt, große Opfer zu bringen. Im spirituellen Leben zählt das Einssein mit dem Willen Gottes. Gott gab jedem einzelnen Schüler einen gesunden Menschenverstand. Wenn der Meister sagt: „Komm her!“, solltest du deine Zeit nicht damit verschwenden, eine Blume, ein Glas Wasser oder ein Bonbon zu suchen, damit du es ihm bringen kannst. Nein, komm einfach.

Einzig das Einssein mit dem Willen des Höchsten kann dich wahrhaftig glücklich machen. Wenn du deinem eigenen Willen folgst, wirst du eine gewisse Zeit lang jene Fröhlichkeit empfinden, die dem vitalen Vergnügen entspringt. Doch du wirst bald erkennen, dass dieses vitale Vergnügen wie ein scharfes Messer ist. Nach einem Tag, nach einem Monat oder nach ein paar Jahren wirst du von diesem Messer gestochen werden.

Sobald du das spirituelle Leben betreten hast und ein guter Schüler bist, kannst du nicht entfliehen. Deine eigene Aufrichtigkeit wird versuchen, dich zu vervollkommnen, was bedeutet, den Supreme auf Seine eigene Weise zufrieden zu stellen. Wenn du versuchst, auf andere Art glücklich zu werden, wirst du niemals glücklich sein. Du kannst zu Gott um Schutz beten – um Schutz für dich, um Schutz für deinen Meister, um Schutz für die Welt. Das ist sehr gut. Wenn du um Schutz betest, werde ich sehr glücklich und dankbar sein. Doch das Beste wäre, mit dem Willen des Höchsten eins zu werden. Das wird uns beide, dich und mich, unendlich glücklicher machen.

Wahrhaftiges Glücklichsein muss sich auf das Einssein mit dem Willen Gottes gründen – das gilt nicht nur für meine Schüler, sondern auch für die Schüler anderer Meister und sogar für jene Sucher, die keinen Meister haben. Nur durch das Einssein mit dem Willen Gottes können wir inneren Frieden erfahren und wahrhaftig glücklich sein. Diese höchste Wahrheit habe ich verwirklicht; andere haben sie auch verwirklicht. Es gibt keinen anderen Weg, um sich selbst glücklich zu machen.

Sri Chinmoy, Sri Chinmoy antwortet, Teil 5, The Golden Shore Verlagsges.mbH, Nürnberg, 2004
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