Frage: Denkt der Supreme manchmal, Ihm seien einige Fehler unterlaufen, als er die Welt erschuf?

Sri Chinmoy: Wenn ich mich in meinem scherzenden Be­wusst­sein befinde, albere ich vielleicht herum und sage, dass Ihm der schlimmste Fehler unterlaufen sei. Doch wenn ich ernsthaft bin und keinen Unsinn erzähle, ja nicht einmal an Unsinn denke, dann fühle ich, dass mein geliebter höchster Herr niemals einen Fehler gemacht hat und niemals einen Fehler machen wird. Für Ihn gibt es nur eine Realität: den Traum. Der Traum ist das, was Gott ist. Wenn wir Gott, den Traum, aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten, nennen wir diese Blickwinkel Wirklichkeit. Aber eigentlich ist es der Traum, welcher sich im Prozess des Aufblühens in die Wirklichkeit befindet. Was wir als Wirklichkeit annehmen, existiert in der inneren Welt nicht. Dort gibt es nur den Traum.

Man kann sagen, Gott hat Millionen und Milliarden von Träumen oder einfach nur einen Traum. Er ist mit einem Baum vergleichbar, der unzählige Blätter, Blüten und Früchte hervorbringt. Der Baum, also Gott, verkörpert den universellen Traum, aber ebenso all die individuellen Träume. Also ist Gott selbst der Traum, der in jedem Moment erblüht; der Traum, der die Vision der Ewigkeit, das Herz der Unendlichkeit und das Leben der Unsterblichkeit verkörpert. Dieser Traum trägt alles in sich – Willenskraft, Fleiß, Schau, Schöpfung, Manifestation. Wie könnte diesem Traum ein Fehler unterlaufen? Wenn der höchste, absolute Herr alles ist, wie könnte er Fehler machen? Wenn wir versuchen, Ihn in verschiedene Aspekte zu unterteilen, damit der Verstand sie erfassen kann, so werden wir sagen, dass ein Teil von Ihm schöner sei als ein anderer. Doch wenn wir Seine Einheit sehen und fühlen, erkennen wir Ihn als unendliche Vollkommenheit, und innerhalb Seiner transzendentalen Vollkommenheit kann es keine Fehler geben.

Wenn wir etwas betrachten, etwa eine schöne Blume, so betrachten wir sie als ein Ganzes. Wir schauen nicht, ob alle Blütenblätter vollkommen geformt sind. Sobald wir die Blume sehen, hält uns ihre Schönheit gefangen. Ihre Schönheit tritt in uns ein und versüßt unser ganzes Wesen. Die gewöhnliche, irdische Schönheit einer irdischen Blume vermag uns diese Erfahrung zu vermitteln. Wenn wir die unendliche und unsterbliche Vollkommenheit des höchsten, absoluten, transzendentalen Supreme sehen, erkennen wir, dass nichts von Ihm ein Fehler sein kann. Wir müssen nur wissen, dass Er hier auf diesem kleinen Erdenplaneten Sein eigenes Lied der Ewigkeit spielen und Seinen eigenen Tanz der Unsterblichkeit tanzen will.

Mit unserem menschlichen Verstand, den wir den intellektuellen Verstand nennen, denken wir, dass es uns gelungen wäre, eine bessere Welt zu erschaffen. Oder wir glauben, dass wir die Wirklichkeit, die sich so spontan und natürlich vor unseren Augen abspielt, ausbessern oder verändern sollten. Doch das ist ein bedauerlicher Irrtum. Wenn wir versuchen, die Welt gemäß unseres begrenzten Lichtes zu erkennen, werden wir niemals zufrieden sein. Wir werden an der Welt ständig etwas auszusetzen haben und überall Unvollkommenheiten erblicken.

Doch wenn wir glücklich sind, fühlen wir, dass all das, was Gott ist und all das, was Gott erschaffen hat, vollkommen ist. Wie werden wir glücklich? Wir können nur durch unsere bewusste und ständige Hingabe an den Willen Gottes glücklich werden. Wenn wir uns Gott mit Ergebenheit und Hingabe nähern, füllt sich unser Leben mit vollständigem Glück. Sobald wir in unserem Herzen und in unserem Leben eine enorme Lieblichkeit entwickeln, fühlen wir, dass alles um uns herum entweder vollkommen ist oder sich auf die Vollkommenheit zubewegt.

Als sich die Schüler von Sri Ramakrishna hingebungsvoll auf den Boden zu den Füßen ihres Meisters warfen oder hingebungsvoll den Staub seiner Füße berührten, empfanden sie in ihrem pranam höchste Lieblichkeit. Hingabe ist wie ein Magnet, der unseren geliebten Höchsten Herrn an unser Herz zieht. Während wir Gott durch unsere Hingabe zu uns ziehen, zieht Gott uns durch Sein Mitgefühl auch hin zu Ihm. Deshalb gibt es zwei Magnete, die sich im Betrieb befinden: unsere Hingabe und Sein Mitgefühl. Diese Magnete besitzen höchste Macht und höchste Lieblichkeit. Wenn wir in unserem Leben das Wirken dieser Magnete bewusst empfinden können, wird jeder Gedanke, den wir haben, voller Lieblichkeit sein und all das, was sich in uns, um uns, vor uns und hinter uns befindet, wird vollkommen sein.

Also lasst uns versuchen, Gott zu lieben und voller Hingabe und Ergebenheit Ihm gegenüber zu sein, denn unsere eigene Göttlichkeit stammt von Ihm. Unsere Göttlichkeit und Seine Göttlichkeit gehören zusammen wie der Tropfen und der Ozean. Wir sollten uns aber auch bewusst sein, dass der Ozean den Tropfen unendlich mehr schätzen kann als der Tropfen den Ozean.

Sri Chinmoy, Sri Chinmoy antwortet, Teil 5, The Golden Shore Verlagsges.mbH, Nürnberg, 2004
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