Frage: Sollte der Jahrestag des Seelenabschiedes von der Erde genauso gefeiert werden wie der Geburtstag?

Sri Chinmoy: Es gibt Menschen, die an ihren Eltern oder Kindern hängen und es gibt Menschen, die nicht an ihrer Familie hängen. Auf ähnliche Weise halten einige Seelen nach dem Tod eine sehr nahe Beziehung zu ihren Familienangehörigen aufrecht. Sie kommen öfters, auch unter dem Jahr, nicht nur um dem Jahrestag ihres Abschieds zu gedenken. Manche Seelen versuchen, die geliebten Menschen, die sich noch auf der Erde befinden, zu inspirieren, damit sie bessere Menschen werden – nicht aus Anhaftung, sondern aus Zuneigung und wahrer Liebe. Diese Seelen tauchen auf, wenn ihre Lieben meditieren. Andere Seelen wiederum erscheinen kein einziges Mal, denn sie wollen nicht, dass ihre Lieben zu sehr an ihnen hängen. Sie wollen, dass ihre Lieben nur an den Höchsten, nur an Gott denken anstatt an all ihre Verwandten.

Wenn man hier auf der Erde die Seele einer nahestehenden, bereits verstorbenen Person an deren Todestag aufrichtig anruft, wird die Seele in den meisten Fällen, sofern sie sich nicht auf einer sehr hohen Ebene aufhält, erscheinen. Sehr weit entwickelte Seelen wollen manchmal nicht kommen, denn die Distanz ist zu groß. Die Reise fällt ihnen schwer, weil es uns an Reinheit mangelt. Gewöhnliche Menschen sind von Begierden erfüllt. Sogar wenn sie ihre geliebten Angehörigen anrufen, halten sie ihr Bewusstsein nicht rein oder es gelingt ihnen nicht, es rein zu halten. Der Korridor zwischen den Gebeten des Verwandten und dem Mitgefühl der Seele ist wie eine Spalte aus Licht. Ist das Licht nicht rein, fällt es einer entwickelten Seele sehr schwer, durch diesen Korridor zu reisen. Andererseits gibt es Seelen, die sehr mutig sind. Sobald sie die aufrichtige Einladung vernehmen, kommen sie, ganz gleich auf welche Schwierigkeiten sie treffen mögen. Doch wenn die Person auf der Erde mit reiner Zuneigung und reinem Herzen betet, ist es für die Seele sehr einfach zu kommen.

Gewöhnlich gedenken die Menschen einmal im Jahr ihren Lieben und beten seelenerfüllt für sie, zumeist an deren Todestag. Wenn ihre Gebete intensiv sind, dann besitzen sie wahrscheinlich auch Reinheit. Wenn sich jemand intensiv auf etwas konzentriert, dann schaut er nicht umher und er lässt es auch nicht zu, dass Gedanken, die von außen kommen, in seinen Verstand eindringen. Die Intensität bringt also oft vollständige Reinheit mit sich. Um eine Seele in der Seelenwelt zu rufen, benötigt man beides – Reinheit und Intensität. Mit der Reinheit machst du einen Schritt, mit der Intensität machst du zehn Schritte.

Doch wenn es sich bei den Hinterbliebenen um Sucher handelt, brauchen sie nicht ein Jahr vergehen zu lassen, bevor sie die Seelen ihrer Lieben anrufen. Wenn sie die Anwesenheit des geliebten Menschen fühlen wollen, können sie es jederzeit versuchen. Es ist nicht ratsam, ein Jahr vergehen zu lassen, bevor man sie ruft oder an sie denkt. Man sollte sich auch bewusst sein, dass die meisten Seelen nach einigen Ruhejahren wieder eine menschliche Inkarnation annehmen.

Wenn man einer Person nach zehn oder zwanzig Jahren noch immer an deren Todestag gedenkt und den Glauben hegt, sie befände sich immer noch im Himmel, wird man wahrscheinlich keinen Besuch von dieser Seele erhalten, da sie sich mit ziemlicher Sicherheit bereits in einer anderen Familie reinkarniert hat. Sobald die Seele wieder einen menschlichen Körper angenommen und die normale Welt betreten hat, ist es ihr nicht mehr möglich zu reisen, auch nicht unter Schwierigkeiten, um diejenigen zu besuchen, die sie anrufen.

Sri Chinmoy, Sri Chinmoy antwortet, Teil 7, The Golden Shore Verlagsges.mbH, Nürnberg, 2006
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