Teil IV

SCA 333-339. Allgemeine Fragen

Frage: Ist es für deine Schüler in Ordnung, selbst seelenvolle Lieder zu komponieren oder sind deine Lieder schon mehr als ausreichend für uns?

Sri Chinmoy: Ihr braucht die Mühe nicht auf euch zu nehmen, andächtige Lieder oder Gedichte zu schreiben, um damit eure Gefühle auszudrücken oder eure Ergebenheit zu steigern; ich habe, sozusagen stellvertretend für euch, schon mehr als genug geschrieben. Viele meiner Gedichte und Lieder entstanden durch meine Identifikation mit euch – mit euren Gedanken und Gefühlen. In einem bestimmten Gedicht drücke ich meine Hilflosigkeit und Nutzlosigkeit aus, doch ich selbst befinde mich zu diesem Zeitpunkt nicht in einem niederen Bewusstsein. Nein! Und wenn ich dann in einem Gedicht oder Lied Gott um Vergebung anflehe, tue ich das ebenfalls mit absoluter Aufrichtigkeit, denn zu diesem Zeitpunkt habe ich mich mit einer weiteren Person vollständig identifiziert.

Über die Jahre habe ich sehr viele Gedichte und Lieder geschrieben, die von der Liebe, Hingabe und Überantwortung des Herzens, von Vergebung und Dankbarkeit handeln, um der Welt Inspiration und Strebsamkeit anzubieten. Wenn du dich selbst nun mit meinen Liedern, meinen Schriften, meiner Strebsamkeit und meiner Verwirklichung identifizieren kannst, werden sie alle zu deinem Eigentum. Aber wenn du selbst Lieder schreiben willst, so ist das in Ordnung. Wenn du fühlst, es steigere deine Strebsamkeit, so mache es auf jeden Fall. Doch empfinde keine Traurigkeit, wenn du die Gabe des Komponierens nicht besitzen solltest. Es ist für deinen spirituellen Fortschritt nicht notwendig, da du dieselbe Inspiration und Strebsamkeit erhalten kannst, indem du dich mit dem Autor und Komponisten in mir identifizierst.

Obwohl Gott unendlich, unsterblich und ewig ist, kann ich Ihn aufgrund meiner Liebe als mein Eigen, ganz mein Eigen beanspruchen. Wenn du nun eines meiner Lieder äußerst seelenvoll singst, wenn du fühlen kannst, dieses bestimmte Lied wurde zu einem Teil deines Lebens und jeder deiner Atemzüge wohnt in diesem Lied, was könnte dich dann davon abhalten, dieses Lied als dein Eigentum zu betrachten? Ich würde niemals sagen: „Du stiehlst den Lebensatem meines Liedes.“ Das Gegenteil ist der Fall, ich werde sehr glücklich sein, wenn du meine Lieder als die deinen betrachtest.

Während des gestrigen Friedenskonzertes brachte ich spürbaren Frieden, Licht und Glückseligkeit herab. Während ich meditierte, erzitterte ich förmlich unter diesen göttlichen Wirklichkeiten. Wenn jemand auch nur ein Fünkchen dieses Reichtums empfangen kann, so macht mich das zum glücklichsten Menschen. Der Erschaffer ist nicht Sri Chinmoy, sondern der Höchste in mir. Wenn Er also Seine Inspiration, Strebsamkeit und Verwirklichung mit mir teilt, warum sollte ich sie dir dann nicht angedeihen lassen? Es ist wie das Teilen einer Frucht. Wenn ich eine Mango mit dir teile, erhalte ich noch mehr Freude. Der Höchste schenkte mir einige äußerst köstliche Mangos und bat mich, sie mit der restlichen Welt zu teilen. Und obwohl es der Höchste war, der mir diese Dinge gab, betrachte ich sie als mein Eigen. Aufgrund meines Einsseins mit Ihm, empfinde ich nicht, dass ich diese göttlichen Wirklichkeiten von einer dritten Person erhalten habe.

Einige spirituelle Meister fordern ihre Schüler auf, ihrer Kreativität Ausdruck zu verleihen. Sie sagen: „Wenn du schöpferisch tätig bist, lernst du den kreativen Prozess kennen und erlangst Zufriedenheit.“ Die zugrunde liegende Idee ist, dass wenn man etwas im Schweiße seines Angesichts erlangt, man es tiefer schätzen kann. Wenn du dein eigenes Geld verdienst, wirst du erkennen, dass du hart dafür arbeiten musst und du wirst es mit mehr Weisheit ausgeben. Doch auch folgende Theorie hat ihre Gültigkeit: wenn dein Vater dir inneren Reichtum schenkt, versorgt dich dein spirituelles Leben – sprich deine Meditation und Strebsamkeit – ebenso mit der erforderlichen Weisheit, diesen Reichtum richtig anzuwenden.

Sri Chinmoy, Sri Chinmoy antwortet, Teil 8, The Golden Shore Verlagsges.mbH, Nürnberg, 2007
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