Frage: Vor zwanzig Jahren nahm mich ein Freund mit aufs Festland, um einem Treffen mit Ihnen beizuwohnen. Damals meditierten Sie nur in der Stille. Ich habe den Eindruck, dass Sie jetzt mehr sprechen. Gibt es einen Grund dafür?
Sri Chinmoy: Ich mache beides. Manchmal meditiere ich mit meinen Schülern und anderen Suchern mehrere Stunden lang. Dann wiederum halte ich Vorträge und beantworte Fragen. Wir müssen sowohl das innere als auch das äußere Leben nähren. Ich gebe auch Friedenskonzerte, so wie kürzlich hier in Hawaii. Dabei spiele ich in einem meditativen Bewusstsein auf verschiedenen Instrumenten und singe auch. Dazwischen verweilen wir lange Zeit in der Stille.Manchen Menschen bereitet das Zuhören mehr Freude als die Stille, denn es spricht ihre äußeren Sinne an. Andere wiederum fühlen, dass sie in der Stille mehr empfangen können, wenn wir uns in unserem höchsten Bewusstsein befinden, in der Tiefe unserer Meditation. Wenn ein Familienmitglied eine bestimmte Frucht haben will und ein anderes eine andere, so fühlt der Meister, dass er imstande sein muss, beide zufrieden zu stellen. Es ist wie in einem Restaurant. Ein gutes Restaurant kann die unterschiedlichen kulinarischen Wünsche jedes Besuchers erfüllen. Oder stellen wir uns einen Garten mit vielen Blumen vor. Jede dieser Blumen ist einzigartig und sie alle bezaubern uns auf unterschiedlichste Weise mit ihrer Schönheit und ihrem Duft. Manchmal verweile ich also in der Stille und in aller Stille biete ich an, was ich anzubieten habe. Wenn ich zwischen einem Vortrag und der Stille wählen könnte, so würde ich ganz sicher die Stille wählen, denn in der Stille können sich das Licht und unsere Göttlichkeit sehr viel schneller entfalten.
Stille und Klang sind wie die Vorder- und Rückseite derselben Münze, genauso wie die Schönheit und der Duft einer Blume. Doch normalerweise vermögen die Menschen mehr aufzunehmen, wenn ich in der Stille verweile und Friedensmeditationen gebe. Früher hielt ich unzählige Vorträge an den verschiedensten Orten. Dann begann ich, Friedenskonzerte zu geben. Bis jetzt sind es einige Hundert. Meistens spreche ich dabei überhaupt nicht. Ich glaube, dass die Sucher, die um der Musik willen kamen, dabei mehr empfangen konnten als durch einen Vortrag. Wenn ich Vorträge gebe und Fragen beantworte, so nährt das in erster Linie den äußeren Verstand. Doch wenn wir in Stille beten und meditieren, nähren wir unsere innere Existenz, unsere emporstrebenden Herzen.
Seit siebenundzwanzig Jahren (Anm: Dieser Text stammt aus dem Jahr 1998) diene ich nun den Vereinten Nationen. Beinahe jede Woche habe ich dort Vorträge gegeben und Fragen beantwortet. In den letzten zehn Jahren allerdings ging ich nur dorthin, um mit den Suchern in völliger Stille zu meditieren und zu beten, und ich fühle, dass ich auf diese Weise mehr weitergeben kann.