Frage: Können wir irgendetwas tun, damit deine Knieschmerzen nachlassen?
Sri Chinmoy: (Im Scherz) Natürlich! Du kannst mit dem alten Mann hoch oben reden. Wenn dein Ur-Ur-Urgroßvater dein Gebet erhört, habe ich sicher nichts dagegen einzuwenden!Die Angelegenheit ist sehr komplex. Dieser Schmerz ist nicht nur physisch. Es hat mit der ganzen Welt zu tun. Viele werden jetzt vielleicht sagen: „So ein Angeber! Er hat einfach nur schlechtes Karma aus seiner letzten Inkarnation und jetzt muss er dafür bezahlen.“
Einige spirituelle Meister haben die Ansicht vertreten, das letzte Chakra oder spirituelle Energiezentrum sei am unteren Ende der Wirbelsäule. Andere hingegen konnten mit ihrer okkulten Schau erkennen, dass sich auch in den Knien, in den Knöcheln, in den Zehen und an vielen anderen Stellen des Körpers Chakren befinden, und sie haben recht. Dem ist wirklich so. Bis jetzt konnte das Weltbewusstsein Licht nur bis hinab zur Basis der Wirbelsäule empfangen. Wenn spirituelle Meister versuchen, Licht unterhalb dieses Niveaus zu bringen, leiden sie in unvorstellbarem Maße. Wie sehr musste Sri Aurobindo leiden! Eigentlich begann es schon mit Krishna. Krishna war allwissend und allmächtig. Was aber war mit seinem Fuß, seiner Ferse? Dort war seine Schwachstelle, und genau dort traf ihn der Pfeil eines Bogenschützens.
Ein anderes Beispiel ist Ramana Maharshi. Er konnte an seinem Lebensabend kaum noch gehen! Das gleiche gilt für viele andere spirituelle Meister. Buddha wurde achtzig Jahre alt, doch wie erbärmlich war seine Gehweise ab seinem dreiundsiebzigsten Lebensjahr! Buddha verkörperte das unendliche Licht, doch gegen Ende seines Lebens verursachte ihm schon das bloße Gehen immense Schmerzen, und das nicht nur für kurze Zeit, sondern viele Jahre lang.
Viele spirituelle Meister haben Schmerzen dieser Art erduldet, entweder im Knie oder im Hals oder an anderen Stellen des Körpers. Wenn man einen menschlichen Körper annimmt, muss man auch den Preis dafür bezahlen. Viele Menschen sind der Ansicht, die Kreuzigung Christi sei sein größtes Opfer gewesen. Mutter Maria jedoch vermittelt uns eine andere, sehr süße innere Botschaft: „Nein, das größte Opfer meines Sohnes war seine bloße Menschwerdung – die reine Tatsache, dass er eine menschliche Inkarnation angenommen hat.“
Wenn spirituelle Meister auf die Erde kommen, um das Bewusstsein der Menschheit zu heben, ist ihre bloße Existenz schon ein unvorstellbares Opfer. Wenn der Tod sie dann holt, ist alles vorbei. Innerhalb von ein paar Sekunden oder Stunden treten sie über die Schwelle des Todes. Doch ihr gesamtes Leben war ein Opfer. Meine bisherigen siebenundsechzig Jahre hier auf Erden waren keine Kleinigkeit! Das gleiche gilt für die dreiunddreißig Erdenjahre des Erlösers Jesus Christus. Die irdische Existenz eines spirituellen Meisters ist das höchste Opfer. Viele werden über den Tod des Meisters sagen: „Er opferte sein Leben für das Bewusstsein der Welt.“ In einem gewissen Sinne entspricht das auch der Wahrheit. Doch während er auf der Erde weilte, trank er Gift, um seine spirituellen Kinder, seine große Familie zu retten. Der Tod ist eine Form des Opfers. Wenn man eine große Dosis Gift schluckt, stirbt man sofort. Doch leidet man nicht mehr, wenn man jeden Tag, jede Woche, jeden Monat schleichendes Gift zu sich nimmt? Das kann aber auf jedermann zutreffen, nicht nur auf spirituelle Meister. Wenn jemand Größe und Güte besitzt, dann ist seine irdische Existenz alleine schon ein großes Opfer.
Was heißt aber wiederum Opfer? Wo Einssein ist, gibt es kein Opfer. Aufgrund ihres Einsseins tut eine Mutter alles für ihr Kind, und auch das Kind tut vieles für seine Mutter aufgrund seines Einsseins mit ihr. Wenn du dich von anderen Menschen absonderst, dann gibt es auch ein Opfer. Wenn man den Himmel als von der Erde getrennt ansieht, dann kann man es natürlich als Opfer des Himmels betrachten, wenn er eine mächtige Seele auf die Erde herabschickt. Und wenn diese Seele dann den Körper wieder verlässt, kann man dies als Opfer der Mutter Erde betrachten. Sind Mutter Erde und Vater Himmel hingegen eins, dann gibt es kein Opfer. Meine Mutter braucht meinen Dienst. Ich gehe zu ihr. Im nächsten Moment benötigt mich mein Vater. Ich gehe zu ihm. Das ist alles.