Teil IV — Ehe und Familienleben

Frage: Glaubst du, dass eine Ehe auf dem spirituellen Pfad notwendigerweise in Hindernis ist?

Sri Chinmoy: Das hängt von der Ehe ab. Wenn jemand die Fähigkeit besitzt, an Gott zu denken, während er ein Eheleben führt, wenn seine Inspiration sehr stark und sein inneres Sehnen konstant ist, dann ist sie kein Hindernis. Aber wenn man heiratet, wird man sehr oft belastet, weil man eine ungeheure Verantwortung zu übernehmen beginnt. Man will schnell laufen, aber bewusst oder unbewusst lädt man sich verschiedene Lasten auf die Schultern. Und wenn sich ein Sprinter schwere Lasten auf seine Schultern lädt, kann er natürlich nicht sehr schnell laufen.

Wenn jedoch jemand die Herausforderung annehmen will, wenn er fühlt, „Hier auf der Erde muss ich Vollkommenheit begründen,“ was wird er tun? Der Mann wird Gott in der Frau sehen, und die Frau wird Gott im Mann sehen. Wenn ein Mensch glaubt, er müsse seine andere Hälfte mit sich nehmen, so dass seine Verwirklichung ganzheitlich und vollständig sein werde, dann ist er sicher in der Lage, sehr schnell zum Ziel zu laufen. Es gab viele spirituelle Meister, selbst Meister höchsten Ranges, die verheiratet waren. Ihre Verwirklichung war derjenigen der unverheirateten in keiner Weise unterlegen.

Es hängt alles davon ab, was Gott vom Einzelnen will. Wenn Gott will, dass du unverheiratet bleibst, dann ist das Seine Sache. Gott fühlt, dass du Ihn auf diese Weise schneller erreichst. Wenn Gott fühlt, dass dein Freund die Erfahrung des Ehelebens benötigt, dann wird auch dein Freund, wenn er der Weisung Gottes folgt, das Ziel schneller erreichen als sonst. Es gibt keine feste Regel über die Ehe. Man kann nicht sagen, dass das eheliche Leben zweifellos ein Hindernis auf dem Weg zur spirituellen Verwirklichung sei. Auch kann man nicht sagen, das das Leben eines Unverheirateten nie erfüllt werden könne. Als unverheirateter Mann führt man nicht notwendigerweise ein besseres oder reineres Leben. Nein! Er mag zwar unverheiratet sein, aber seine Gedanken bleiben vielleicht im gewöhnlichen vitalen Bereich, in den niederen Welten und er wird überhaupt keinen Fortschritt machen.

Wenn wir meditieren, wenn wir streben, werden wir Gottes Willen erfahren. Wenn es Gottes Wille ist, dann wird uns der Eintritt ins Eheleben nicht daran hindern, die Wahrheit zu verwirklichen. Aber wenn es nicht Gottes Wille ist, dann müssen wir sehr vorsichtig sein, denn wir laden uns bewusst oder unbewusst eine schwere Last auf die Schultern,

Sri Chinmoy, Primer, The Golden Shore Verlagsges.mbH, Nürnberg, 2020
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