Frage: Ärgert sich ein Verwirklichter manchmal?

Sri Chinmoy: Ein Verwirklichter kann so genanntem Ärger durchaus Ausdruck verleihen, aber in Wirklichkeit macht er nur von seiner göttlichen Autorität Gebrauch. Würde er dies nicht tun, könnte er so manche Aufgaben nicht erfüllen. Deshalb kann er, wenn es Gottes Wille ist, als letzten Ausweg auch Zorn ausdrücken. Unser menschliches Denken wird es als Zorn bezeichnen, aber in Wahrheit handelt es sich um das herabkommende Licht der Gerechtigkeit.

Im Gegensatz dazu wird es der befreite Mensch nicht wagen, zornig zu werden. Er fürchtet sich vor Zorn, Unreinheit und den vielen anderen irdischen Unzulänglichkeiten. Er weiß, dass er soeben erst aus einem dunklen Zimmer entflohen ist und dass er Gefahr läuft, dort wieder eingesperrt zu werden, sobald er zurückkehrt, um es zu erleuchten. Der Befreite fürchtet sich vor der Vergangenheit, doch der Verwirklichte ist wie ein Soldat. Er weiß, dass er nach seiner Flucht aus dem dunklen Zimmer wieder dorthin zurückkehren muss, um weiter für die Erleuchtung zu kämpfen. Er sagt: „Ich selbst bin zwar aus diesem dunklen Zimmer herausgekommen, aber andere wollen es auch schaffen. Ich will ihnen dabei helfen, sie herausführen und befreien, damit auch sie die Verwirklichung erlangen können.“ Aber jemand, der absolut und vollständig befreit ist, wird schließlich auch Gott verwirklichen. Eines Tages wird also auch er in den dunklen Raum zurückkehren, um das Göttliche auf der Erde zu manifestieren.

Sri Chinmoy, Die Seele und der Vorgang der Wiedergeburt, The Golden Shore Verlagsges.mbH, Nürnberg, 2007
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