Frage: Sollten wir fühlen, dass es in deiner Verantwortung liegt, uns zu vervollkommnen, wenn wir Unvollkommenheiten in uns überwinden wollen?

Sri Chinmoy: Tamasische Hingabe, die Hingabe eines Faulpelzes, ist nicht gut. Du wirst dein Möglichstes versuchen, um deine Unvollkommenheiten zu überwinden. Dann musst du fühlen: „O Lord Supreme! Ich habe mit den Fähigkeiten, die Du mir gegeben hast, mein Möglichstes versucht. Jetzt bleibt mir nichts mehr außer meiner Hingabe.“ Nachdem du dein Bestes versucht hast, musst du dich mit absolutem völligem Vertrauen dem Supreme im Meister hingeben.

Unvollkommenheit ist wie Erde und schmutziger Sand, in dem ein Kind spielt. Obwohl das Kind im Vergnügen des Schmutzes schwelgt, weiß es doch, dass es jemanden gibt, der immer bereit ist, es wieder zu säubern, nämlich seine Mutter, und es vertraut dieser Person felsenfest. Das Kind weiß, wie sehr es seine Mutter liebt und wie sehr sie es liebt. Wenn es also bereit ist, den Schmutz hinter sich zu lassen und sauber zu werden, läuft es direkt zu seiner Mutter, ohne nach rechts oder links zu schauen. Es weiß, dass seine Mutter es aufgrund ihres Einsseins waschen wird – weil sie das Kind ganz als ihr eigen ansieht und das Kind seine Mutter ganz als sein eigen ansieht. Wenn es zu ihr kommt, greift die Mutter sofort zu Wasser, Seife und Handtuch und wäscht es in wenigen Minuten. Das Kind weiß, wie Seife aussieht, wie ein Handtuch und wie Wasser aussieht, aber es hat nicht die Fähigkeit, all diese Dinge zu finden und sie richtig zu gebrauchen. Wenn es zuerst lernen müsste, sich selbst zu waschen, bevor es zu seiner Mutter kommen kann, würde es nie zu seiner Mutter kommen.

Euch Schülern möchte ich sagen, dass ihr Gott mit eurem eigenen inneren Streben erreichen werdet, nicht mit der Strebsamkeit von jemand anderem. Eure Strebsamkeit und die Gnade und das Mitgefühl des Supreme in mir werden euch zu Gott bringen. Doch ihr könnt schwerlich etwas von mir empfangen, wenn ihr mich als einen Fremden betrachtet. Wenn ihr kein Einssein mit mir fühlt, werdet ihr euch nicht an mich wenden, wenn ihr euch in Schwierigkeiten befindet. Dann bin ich hilflos und kann euch nicht helfen. Wenn ihr an mich denkt, müsst ihr fühlen, dass ihr zu mir gehört und ganz für mich seid und dass ich zu euch gehöre und ganz für euch bin. Dann werde ich euch helfen können.

Allein nach Vollkommenheit zu streben ist wie das Unterfangen, den gebogenen Schwanz eines Hundes für immer glätten zu wollen. Solange ihr seinen Schwanz festhaltet, bleibt er gerade. Aber sobald ihr ihn loslasst, biegt er sich sofort wieder. Dies hat Swami Vivekananda als Vergleich genannt und es stimmt. Erst wenn ein spiritueller Meister die Natur des Schülers verwandelt und erleuchtet, entwickelt sich wirkliche spirituelle Vollkommenheit. Sonst haltet ihr den Hundeschweif eine Weile gerade und ermüdet allmählich. Im gleichen Moment, wo ihr loslasst, biegt er sich wieder. So ist nun mal die menschliche Natur.

Wenn du dein inneres Streben anerbietest und ich mein Mitgefühl anerbiete, wird der Erfolg unweigerlich nahen. Doch wenn du mein Mitgefühl ausnutzt, bist du am Ende angelangt. Ich handle so, wie der Supreme es von mir verlangt. Missverstehe also mein Mitgefühl nicht, nutze mein Mitgefühl nicht aus und sei nicht eifersüchtig auf andere. Eifersucht ist der schlimmste Feind meiner Schülerinnen. Bei den männlichen Schülern ist das Ego der schlimmste Feind. Die Eifersucht und das Ego sind gleichermaßen schlecht und beide müssen überwunden werden. Wenn ich von Ego spreche, meine ich das Gefühl der Überlegenheit, das Gefühl, dass du besser als andere sein musst. Diese Gefühle müssen überwunden werden. Versucht nicht andere zu beherrschen und sie zu besiegen, sondern versucht eure eigenen ungöttlichen Eigenschaften zu beherrschen und zu besiegen. Ihr solltet sagen: „Wenn ich Zweifel habe, dann will ich ihn besiegen; wenn ich Angst habe, dann will ich sie besiegen.“ Wenn du deine eigenen ungöttlichen Eigenschaften überwinden kannst, dann wird das Ego sofort verschwinden. Wen musst du übertreffen? Nur dich selbst!

Ich habe einmal gesagt, dass ich gern dreizehn bedingungslos hingegebene Schüler möchte. Kein anderer Meister hat diese Art der Hingabe erhalten, die wie eine überaus köstliche Frucht ist. Lasst uns sehen, ob irgendeiner meiner Schüler diese Art von Liebe für mich hat und aufrichtig sagen kann: „In dieser Inkarnation werde ich mich vollständig dem Supreme in dir hingeben“. Wenn du dich fünf Minuten lang hingeben kannst, dann versuche, dich fünfzig Jahre lang hinzugeben. Doch leider tauchen unsere Bedingungen bereits nach fünf Sekunden auf.

Sri Chinmoy, Ein Sucher des 20. Jahrhunderts, The Golden Shore Verlagsges.mbH, Nürnberg, 2005
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