Frage: Kannst du das Ergebnis der Arbeit spüren, die Vivekanada in Amerika verrichtet hat?

Sri Chinmoy: Die großen Seelen, die befreiten Seelen, die verwirklichten Seelen, die Retter der Erde kommen in diese Welt, um die Welt zu transformieren, doch es ist praktisch vergeblich. Sie kommen, können aber kaum etwas erreichen.

Es war Vivekananda, der die indische Spiritualität in den Westen gebracht hat. Sie fasste hier zwar Fuß, hätte aber besser Fuß gefasst, wenn nicht so viele Hatha-Yoga-Lehrer in den Westen gekommen wären. Einerseits muss man sagen, dass die westlichen Menschen richtig gehandelt haben, indem sie mit Hatha-Yoga begannen, der für spirituelle Anfänger wie ein Kindergarten ist. Sie waren noch nicht bereit, mit wirklicher Spiritualität zu beginnen. Es gibt einen großen Unterschied zwischen Hatha-Yoga-Übungen und gewöhnlichen physischen Übungen und es ist sehr vorteilhaft, Hatha-Yoga zu machen. Wenn die westlichen Menschen jedoch von Anfang an mit dem Yoga der Konzentration und der Meditation begonnen hätten, wie es die Inder getan haben, dann hätten sie viel schnel­ler Fortschritt gemacht. In Indien wird in vielen Ashrams überhaupt kein Hatha-Yoga praktiziert. Man schenkt dem Hatha-Yoga dort keinerlei Aufmerksamkeit. Auf dieselbe Weise hätte man in Amerika mit wirklicher Meditation beginnen können.

Doch nach Vivekananda kam eine große Anzahl von Swamis hierher und begann Hatha-Yoga zu lehren. Diese Swamis kümmerten sich weder um Meditation noch um das innere Leben und so assoziierte man im Westen Yoga einfach nur mit physischen Übungen. Die Vedant-Bewegung von Swami Vivekananda wurde vom Hatha-Yoga verdrängt. Es gab jedoch auch Leute in Amerika, die nach tieferer Spiritualität suchten, was die Hatha-Yoga-Lehrer, die in Indien wahrscheinlich nie meditiert hatten, geschickt ausnutzten. Sie fügten ihren eigenen Lehren etwas Meditation hinzu, damit sie wenigstens einige Schüler behalten konnten.

Was jedoch die wirkliche Meditation betrifft, so haben viele meiner Schüler länger und aufrichtiger meditiert als einige dieser indischen Swamis. Diese haben zwar dreißig, vierzig oder gar fünfzig Jahre lang in Indien gelebt, doch während dieser Zeit vielleicht nicht einmal einen Monat lang ernsthaft meditiert.

Einige dieser Lehrer hatten überhaupt keinen spirituellen Meister, während andere nur für kurze Zeit zu einem spirituellen Meister gingen. Dann kamen sie in den Westen und prahlten mit dem Namen ihres Meisters. Sie sagten: „Mein Meister war XY.“ Doch einige dieser so genannten Schüler hatten nicht einmal im Ashram des Meisters gelebt oder hielten sich nur eine kurze Zeit lang – einen Tag oder einen Monat – im Ashram auf. Diese Swamis waren zu Lebzeiten der Meister vielleicht deren schlechteste Schüler. Die Meister wussten manchmal nicht einmal, dass diese Swamis ihre Schüler gewesen waren. Doch später wurden diese so genannten Schüler im Westen zu selbsternannten „auserwählten Instrumenten“ ihres Meisters.

Sri Chinmoy, Avatare und Meister, The Golden Shore Verlagsges.mbH, Nürnberg, 2005
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