Frage: Kann man Pratyahara unabhängig von den anderen Sadhanas ausüben?

Sri Chinmoy: In der spirituellen Disziplin gibt es acht Stufen: Yama, Niyama, Asana, Pranayama, Pratyahara, Dharana, Dhyana und Samadhi. Yama ist Selbstkontrolle und moralische Abstinenz. Niyama ist die strenge Beobachtung von Benehmen und Charakter. Asanas sind Stellungen, um den Körper zu beruhigen und ihn zu einem aufnahmefähigen Instrument zu machen. Pranayama ist das systematische Atmen, um den Verstand ruhig zu machen und ihn unter Kontrolle zu bringen. Pratyahara ist die Abwendung vom Leben der Sinne. Dharana ist die Fixierung des Bewusstseins auf Gott. Dhyana ist Meditation und Samadhi ist Trance, die absolute Vereinigung des individuellen Bewusstseins mit dem universellen Bewusstsein.

Sobald wir beginnen, bewusst zu streben, brauchen wir nicht durch alle Anfangsstadien hindurchzugehen. Weder Asanas noch Pranayama sind für die Meditation notwendig. Selbstkontrolle, Abwendung vom Sinnesleben und Fixierung des Bewusstseins auf Gott sind zu einem gewissen Grad notwendig, bevor wahres inneres Streben in unser unerleuchtetes menschliches Leben kommt. Dann beginnt unsere Reise. Wenn wir inneres Streben besitzen, können wir mit Konzentration, Meditation und Kontemplation beginnen.

Wenn du also deine nach außen fließende Energie zurückziehen und sie auf dein wahres Wesen und dein wahres Bewusstsein richten willst, also Pratyahara ausübst, dann ist seelenvolles Streben von äußerster Wichtigkeit. Es ist nicht nötig, dass du erst Yama, Niyama, Asanas und Pranayama übst. Wenn du wirkliches inneres Streben nach dem Höchsten möchtest, dann wirst du sofort versuchen, die falschen Dinge aufzugeben. Du wirst von selbst ein moralisches und kontrolliertes Leben führen. Du wirst aufhören, Dinge zu tun, die deinem spirituellen Leben schaden. Dein innerer Ruf, dein inneres Streben wird dich zwingen, die ersten beiden Stufen zu üben. Du wirst auch erkennen, dass die dritte und vierte Stufe nicht notwendig sind. Es gibt ein Sprichwort, das sagt „Langsam aber sicher gewinnt man das Rennen“, du kannst Stufe für Stufe, langsam aber sicher gehen. Doch es gibt auch den sonnenerleuchteten Weg. Alle Wege führen zum selben Ziel, doch dieser Weg wird dich schneller dorthin bringen als alle anderen. Es ist der Weg der Konzentration, der tiefen Meditation und der zielgerichteten Kontemplation. Natürlich kann man Pratyahara praktizieren, ohne die anderen Disziplinen ausgeübt zu haben. Aber es ist auch möglich, Pratyahara zu übergehen und gleich mit Dharana oder Dhyana zu beginnen. Viele Sucher haben es getan und waren auf ihrer spirituellen Reise erfolgreich. Jeder muss für sich selbst spüren, ob gewisse Stufen notwendig sind. Ich habe meinen Schülern gesagt, es sei keinesfalls notwendig, vor Dhyana zu beginnen. Sie meditieren mit mir und haben hohe und erhebende Erfahrungen, ohne all die vorangehenden Stufen durchlaufen zu haben. Aber es gibt andere Meister, die ihre Schüler bitten, durch andere Stufen zu gehen. Dagegen habe ich nichts einzuwenden. Jeder hat seine eigene Art, die Wahrheit zu verwirklichen und sie dann anderen darzubieten. Wenn du aufrichtig genug bist, einen Weg bis zum Ende zu verfolgen und wenn du einen spirituellen Meister oder einige Freunde hast, die im spirituellen Leben weit fortgeschritten sind, dann kannst du ihre Hilfe und ihre Anregungen, wie man im spirituellen Leben am schnellsten Fortschritt macht, annehmen.

Sri Chinmoy, Der Körper, die Festung der Menschheit, The Golden Shore Verlagsges.mbH, Nürnberg, 2018
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