Frage: Wie sollten sich die Angehörigen verhalten, wenn jemand stirbt?

Sri Chinmoy: Wir sind alle Reisende im selben Zug. Der eine ist an seinem Reiseziel anlangt. Er muss an dieser Haltestelle aussteigen, aber wir müssen weiterfahren und eine größere Entfernung zurücklegen. Wir müssen uns bewusst sein, dass jede Todesstunde von Gott gutgeheißen worden ist. Kein Mensch kann sterben, ohne dass Gott dies billigt und duldet. Wenn wir also Vertrauen zum Supreme haben, wenn wir Ihm Liebe und Ergebenheit entgegenbringen, werden wir fühlen, dass Gott unendlich viel mehr Mitleid hat als irgendein Mensch, unendlich viel mitleidsvoller ist als wir, die wir unsere Geliebten behalten möchten. Selbst wenn der Sterbende unser Sohn, unsere Mutter oder unser Vater ist, sollten wir uns bewusst sein, dass Gott ihm oder ihr unendlich viel näher ist, als wir es sind. Gott ist unser Vater und unsere Mutter. Wenn jemand aus der Familie zu den Eltern geht, werden die anderen Mitglieder derselben Familie niemals traurig sein.

Wenn wir das spirituelle Leben angenommen haben und wirkliche Freude haben möchten, müssen wir uns im klaren sein, dass wir das nur erreichen können, wenn wir unser Leben dem Willen des Supreme hingeben. Im Augenblick kennen wir den Willen des Supreme vielleicht nicht, doch wir wissen, was Hingabe ist. Wenn Gott jemanden aus unserem Leben wegnehmen möchte, müssen wir das annehmen. „Dein Wille geschehe.“ Wenn wir eine solche Haltung haben, dann werden wir die größte Freude empfinden. Diese Freude erweist demjenigen, der diese Welt verlässt, den größten Dienst. Wenn wir uns dem Supreme vollständig hingeben, wird diese Hingabe zur zusätzlichen Stärke und Kraft für die scheidende Seele, die hier unter der Knechtschaft leidet. Wenn wir unseren Willen wirklich dem Willen des Supreme unterwerfen, dann wird diese Hingabe der Seele, die kurz vor dem Verlassen der Erdenwelt steht, wirklichen Frieden, tiefsten Frieden bringen.

Jene, die mit Meditation und Konzentration begonnen haben, erhalten Einblicke in ihre vergangenen Leben. Wenn wir glauben, dass wir eine Vergangenheit hatten und wissen, dass wir eine Gegenwart haben, dann können wir auch fühlen, dass wir eine Zukunft haben werden. Da wir das wissen, müssen wir uns folgender Wahrheit immer bewusst sein. Es gibt keinen Tod. In der Bhagavad Gita heißt es: „Wie ein Mensch, der seine alten Kleider ablegt und neue anzieht, so legt die Seele ihren physischen Körper ab und nimmt einen neuen Körper an.“ Wenn wir wissen, dass der sterbende Mensch nur diesen alten Körper zu Seite legt, bevor er einen neuen annimmt und wenn auch die sterbende Person dieses Wissen besitzt, wovor soll man sich da noch fürchten?

Wir wissen nicht, was der Tod eigentlich ist. Deshalb wollen wir so lange wie möglich auf der Erde bleiben. Aber wirklicher Tod ist nicht die Auflösung des physischen Körpers. Wirklicher Tod, spiritueller Tod ist etwas anderes.

Sri Chinmoy, Tod und Wiedergeburt, The Golden Shore GmbH, Nürnberg, 1999
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