Die eigene spirituelle Höhe halten

Frage: Gibt es irgendetwas, das wir tun können, um die Inspiration und Begeisterung, die wir zu Jahresbeginn hatten, aufrecht zu erhalten? Üblicherweise habe ich bis März die Hoffnung aufgegeben, meine Neujahrsvorsätze in die Tat umsetzen zu können.

Sri Chinmoy: Statt eines Vorsatzes kannst du dir zwölf Projekte vornehmen. Im Augenblick haben wir Januar. Fühle, dass du im Januar dein erstes Projekt verwirklichen wirst – nicht auf Biegen und Brechen, sondern mit deiner größt-möglichen Aufmerksamkeit und spirituellen Strebsamkeit. Hast du es jedoch bis Monatsende nicht vollbracht, dann vergiss es einfach. Stell dir vor, dass dieser Monat in deinem Leben nicht existiert hat. Wenn du denkst: „Da ich schon im Januar versagt habe, gibt es im Februar keine Hoffnung auf Erfolg“, bist du völlig verloren. Wenn du im Januar erfolglos warst, dann fühle, dass dieser Monat in deinem Kalender nicht existiert. Das ist kein Selbstbetrug, sondern Weisheit. Alles, was dich auf dem Weg zum Ziel bremst, ist dein Feind. Bist du hingegen erfolgreich, so musst du weise sein und sagen: „Im Januar ist mir etwas geglückt. Jetzt möchte ich auch im Februar erfolgreich sein.“

Vor vielen Jahren hat mein Chef etwas geschrieben, was ich damals nicht glauben konnte. Doch jetzt, nach vielen Jahren, habe ich es verstanden. Er schrieb: „Halbherzigkeit ist etwas ganz Schlechtes. Wenn du unparteiisch bist, dann bist du mein Feind.“ „Wie ist das möglich?“ fragte ich ihn damals. Er antwortete: „Wenn du im Falle einer Meinungsverschiedenheit nicht mit voller Überzeugung entweder auf meiner Seite oder der Gegenseite stehen kannst, sondern zu fünfzig Prozent auf jeder Seite stehst, dann bist du mein Halbfeind.“ Deswegen sollten wir Halbherzigkeit als unseren wirklichen Feind betrachten. Wenn ein neuer Monat beginnt, sollten wir alles Gute aus dem alten Monat bewahren und alles Schlechte beiseite schieben. Wir sollten nicht neutral, sondern zu hundert Prozent für eine Sache, ein Ziel sein.

Andererseits musst du aber wissen, dass Neutralität nicht Gleichgültigkeit ist. Viele meiner Schüler legen ein gleich-gültiges Verhalten an den Tag. Das ist sehr, sehr schlecht. Wirkliches, spirituelles Freisein von Anhaftung bedeutet Transzendenz. Wenn wir dies erlangt haben, sind wir unabhängig – erhaben über allen Aufruhr in dieser Welt. Dann kann uns das Spiel der Natur nicht mehr beeinträchtigen; wir stehen über den Geschehnissen in der Welt.

Sri Chinmoy, Vollkommenheit und Transzendenz, The Golden Shore Verlagsges.mbH, Nürnberg, 2008
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