Gewahrsein

Bis wir uns dessen gewahr sind, was wir tun, was wir sein wollen und was wir erreichen wollen, befinden wir uns fast im Bereich des tierischen Bewusstseins. Wenn Leute über Gewahrsein sprechen, meinen sie sehr oft das Gewahrsein des Verstandes. Sie glauben, der Verstand sei die einzige Antwort auf alle Probleme. Solange wir uns im Verstand befinden, können und müssen wir uns jeglicher Aktivität, die in der physischen, vitalen, mentalen und der mit unseren Augen sichtbaren äußeren Welt vor sich geht, völlig gewahr sein.

Jemand, der sich seiner alles durch­dringenden inneren Göttlichkeit nicht gewahr ist, ist vom spirituellen Standpunkt aus gesehen eine tote Seele. In unseren Upanischa­den rief der Seher aus: „Erhebe dich! Erwacje!“ Gewahrsein ist die erste Stufe der Leiter der Spiritualität. Die nächste Stufe ist inneres seelenvolles Streben. Gewahrsein und inneres seelenvolles Streben sind zwei Bedeutungen, welche die Menschen oft in Verwirrung bringen. Es ist möglich, sich jeder Ebene gewahr zu sein: des Physischen, des Mentalen oder des Vitalen. Doch inneres seelenvolles Streben ist etwas Tieferes. Inneres seelenvolles Streben entspringt direkt unserem innersten Wesen, unserer Seele, unserem Selbst.

Gewahrsein liegt im Bereich des Verstandes. Die wirklichen spirituellen Sucher oder Meister sagen: „Nein das reicht nicht, wir müssen über das Gewahrsein hinausgehen.“ Im mentalen Bereich bedeutet Gewahr­­­­­­sein, sich zu fragen: „Was tue ich, was sehe ich, was esse ich, wie benehme ich mich?“ Dies ereignet sich alles im Verstand, doch jenseits des Verstandes gibt es viele Welten. Inneres seelenvolles Streben bringt uns in die Welten jenseits des Verstandes. Inneres Streben ist die aufsteigende Flamme, die tief in uns ist, welche zum Höchsten, zum Gipfel hinauf­steigt.

Wir müssen unsere Reise also mit Gewahrsein beginnen, denn wenn wir uns nicht bewusst sind, was wir tun, sagen und werden wollen, werden wir keinen Fortschritt machen und niemals in der Lage sein, den Pfad des Geistes zu beschreiten. Aber dieses Gewahrsein ist sehr begrenzt im Vergleich zur Verwirklichung der Seele, die wir aufgrund unseres inneren Strebens erlangen.

Sri Chinmoy, Regenbogen-Blumen, Teil 1, The Golden Shore Verlagsges.mbH, Nürnberg, 2004
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