Frage: Ist Kummer etwas Negatives?

Sri Chinmoy: Wenn ein naher Verwandter stirbt, so leiden die Menschen manchmal auch dann, wenn sie jahrelang keine enge Verbindung mit ihm hatten. Wenn der sogenannte geliebte Mensch stirbt, empfinden sie ganz plötzlich, dass es einen bestimmten Grund gegeben haben muss, warum dieser Mensch in ihre Familie gekommen ist. Dann stellt sich eine Art Traurigkeit ein: „Ich hätte ein besserer Mensch sein sollen und ihm mehr Zuneigung und Anteilnahme schenken sollen.“ Dieses Empfinden können wir Anteilnahme nennen.

Wenn jemand spirituell weit entwickelt ist, mag er für einen kurzen Zeitraum Kummer erfahren, wenn ein geliebter Mensch stirbt. Doch sobald er in sein höchstes Bewusstsein eintritt, empfindet er diesen Kummer nicht mehr. Zu diesem Zeitpunkt fühlt er nur mehr den Tanz des Einsseins.

Menschlicher Gram und Reue reinigen das strebende und sich entwickelnde Herz. Die Vorstellung, dass die Seele durch Kummer gereinigt wird, ist Unsinn. Die Seele braucht nicht gereinigt zu werden; sie ist bereits rein. Was gereinigt wird ist das Herz. Leid ist imstande, das Herz zu erleuchten.

Aber zwischen Kummer und den feindlichen oder negativen Kräften existiert keine direkte Verbindung. Durch unser Gebet und unsere Meditation können wir fühlen, dass der uns nahe Stehende irgendwo anders glücklich ist. Je tiefer wir durch Gebet und Meditation gelangen, desto klarer wird es für uns, dass jene Person, die uns auf der physischen Ebene verlassen hat, spirituell mit uns und um uns ist. Wenn wir mit dem Menschen, den wir verloren haben, Einssein fühlen können, wird unser Kummer verschwinden.

Sri Chinmoy, Sri Chinmoy antwortet, Teil 5, The Golden Shore Verlagsges.mbH, Nürnberg, 2004
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