Leben in der Gesellschaft
Frage: Wie viel soll ein spiritueller Sucher, der nur an Gott interessiert ist, aber dennoch die Menschheit nicht von sich weisen will, zur Gesellschaft beitragen, und was für eine Art Beitrag sollte es sein?Sri Chinmoy: Als erstes müssen wir das Niveau des Suchers kennen. Wenn er fühlt, dass das innere Leben, das spirituelle Leben, von größter Wichtigkeit ist, dass er ohne es nicht leben kann – wenn er von einem solchen Kaliber ist – dann muss er die meiste Zeit der Gott-Verwirklichung widmen. Sein inneres Wesen wird ihm sagen, in welchem Ausmaß er etwas zur Gesellschaft beitragen kann. Aber wenn der Suchende eben erst das ABC des spirituellen Lebens lernt, dann sollte er die Gesellschaft als etwas Wichtiges und Bedeutungsvolles in seinem Leben annehmen, als etwas, das mit seinem inneren Leben Hand in Hand geht.
Wir müssen wissen, wo der einzelne Sucher steht. Um Gott zu verwirklichen, braucht man die Gesellschaft nicht völlig zu verlassen. Wie kann man, wenn man die Gesellschaft – oder im weiteren Sinne die Menschheit – verlässt, das Göttliche hier auf Erden begründen und manifestieren? Wenn man ein wahrer Sucher ist, muss man tief in sich gehen, um zu erfahren, wie man der Gesellschaft helfen kann. Es ist sehr schön, ein Menschenfreund zu sein. Aber nur wenn der betreffende Menschenfreund tief in sich geht und die Botschaft direkt von seinem inneren Wesen erhält, wird seine Hilfe an der Menschheit von Bedeutung sein. Andernfalls, wenn er der Gesellschaft auf seine eigene Art zu helfen versucht, wird die sogenannte Hilfe, der sogenannte Beitrag, nur ein Akt der Selbsterhöhung sein, wodurch er sein eigenes Ego nährt. Jemand sagt: „Ich habe dies getan, ich habe jenes getan.“ Aber das Entscheidende ist: war ich von Gott inspiriert? War ich von Gott beauftragt? Wenn ihm seine Taten nicht von Gott, sondern von seinem eigenen Ego eingegeben worden sind, dann wird der Dienst, den er der Welt anbietet, voller Dunkelheit und Unvollkommenheit sein.
Auf der spirituellen Suche muss man weise sein. Man muss wissen, dass Gott zuerst kommt und nach Ihm die Menschheit. Wenn man zuerst zur Menschheit geht und ihr mit seiner begrenzten Fähigkeit dient, dann erfüllt man Gott in der Menschheit keineswegs. Um der Menschheit richtig zu dienen, muss man zuerst zu Gott gehen und von dort zur Menschheit. Wenn man nicht meditiert und keinen inneren Reichtum erwirbt, wenn man nichts besitzt, wie soll man dann etwas geben? Zuerst muss man erwerben und dann kann man anbieten. Auf diese Weise kann man Gott gefallen und die Menschheit erfüllen.