Teil V

SCA 285-295. Die folgenden Fragen wurden am 25. und 26. Januar 1995 in Maui, Hawaii gestellt.

Frage: Ist das spirituelle Leben heutzutage einfacher oder weniger streng als früher?

Sri Chinmoy: Im Altertum unterzogen spirituelle Meister ihre Schüler sehr strengen Prüfungen und Tests. Matsyendranath verlangte zum Beispiel von Gorokshanath, dass er sein Auge herausreißen müsse und dieser gehorchte sofort. Das machte Gorokshanath zu dem, der er war und er erlangte sehr große, okkulte Kräfte. Zu jener Zeit mussten die Schüler – allein um zu einem Schüler des Meisters zu werden – eine wahre Tortur durchlaufen! Der Initiationsprozess war äußerst schwierig. Wenn ich einen Schüler initiiere, biete ich der Seele des Schülers nur Licht an, dann liegt es am Vitalen und am Mentalen, das Licht der Seele zu akzeptieren. Wenn sich dann diese Person dazu entschließt, nicht mein Schüler zu sein, sondern seinen Segen woanders zu suchen, so macht das nichts! Wir alle sind eine Familie.

Heutzutage ist alles billig – so billig wie Wasser. Wasser wiederum ist Leben. Nehmen wir kein Wasser zu uns, sterben wir. Doch in Sachen Strenge gibt es zwischen der Spiritualität vor zweihundert, vierhundert oder siebenhundert Jahren und der Spiritualität des zwanzigsten Jahrhunderts keinen Vergleich! Auf vielfältige Weise haben wir das spirituelle Leben einfacher und leichter gestaltet. Zu behaupten, es gäbe eine sofortige Gottverwirklichung, vergleichbar etwa mit einem Instantkaffee, wäre vermessen. Doch wir vereinfachten Spiritualität wirklich in einem sehr starken Ausmaß. Aufgrund der Weltprobleme, des Leids, der Unvollkommenheiten und Schwächen, die man im zwanzigsten Jahrhundert vorfindet, wendet Gott Seinen Mitgefühlsaspekt viel, viel, viel öfter an als Seinen Gerechtig­keits­aspekt.

Sri Chinmoy, Sri Chinmoy antwortet, Teil 7, The Golden Shore Verlagsges.mbH, Nürnberg, 2006
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